Comics wimmeln nur so vor Tiergestalten. Eine Ausstellung in Kassel widmet sich der ganzen Bandbreite der Figuren. Dabei wird deutlich, wie sehr Menschen sich selber in Garfield und Donald Duck wiedererkennen.
Was wäre Entenhausen nur ohne seine sprechenden Einwohner, den wütenden Donald oder den schlauen Micky? „Die Ente ist Mensch geworden“ hieß vor Jahren eine Ausstellung zum Werk von Zeichner Carl Barks, dem Schöpfer von Entenhausen. Denn wenn wir Comics lesen, sehen wir selten die gezeigten Tiere darin, wir erkennen in den sprechenden und handelnden Wesen vielmehr uns selbst.
„Empfinden sie als menschliche Stellvertreter“
Die Tierfigur hält uns einen Spiegel vor, meint Jan Sauerwald, Museumsleiter der GrimmWelt in Kassel: „Sie zeigt uns unsere eigenen Eigenschaften. Wir treffen diese vermenschlichten Tierfiguren bereits in den Grimmschen Märchen, etwa beim Froschkönig oder den Bremer Stadtmusikanten. Aber natürlich sehen wir sie auch im Comic. Denken Sie nur an Donald Duck und Dagobert Duck oder an Garfield. Das sind ganz populäre Figuren, die wir alle kennen.“
Kurator Alexander Braun ergänzt: „Man sieht die Tiere nicht mehr beim Comic-Lesen. Nehmen wir etwa Daniel Düsentrieb. Was soll das für ein Tier sein? Ja, er hat einen Schnabel, es könnte ein Huhn sein. Aber wir verlieren diese direkte Herleitung zu bestimmten Tieren und empfinden sie als menschliche Stellvertreter.“ Ein anderes Beispiel: Die Panzerknacker, bei denen ihr englischer Name Beagle-Boys auf ihre tierische Herkunft verweist.
Kurator Alexander Braun hat die vergangenen Jahre mehr als zehn Ausstellungen zu Comics gemacht. Er wurde bereits zweimal mit dem wichtigsten Comic-Preis der Welt ausgezeichnet – dem Eisner-Award.
Bilderbogen als eine Vorform des Comics
Die Geschichte der Tiere in Comics fängt deutlich vor dem Auftritt im Micky-Maus-Magazin an, also vor Entenhausen. Erste Darstellungen finden sich etwa auf sogenannten Bilderbogen, die schon im 19. Jahrhundert Geschichten mithilfe von Bildern erzählten. Der Text stand damals nicht in Sprechblasen, sondern noch unter den Zeichnungen.
Bilderbogen waren quasi eine Vorform des Comics. Damals waren es Märchen, die dargestellt wurden. „Der gestiefelte Kater“ etwa oder auch „Der Wolf und die sieben Geißlein“. Hier schlägt die Ausstellung in Kassel die Brücke zur GrimmWelt – den Märchen eben.
Für die Ausstellung „Ich, das Tier. Vom bösen Wolf bis Donald Duck – Tiere im Comic“ hat man sich externe Expertise ins Haus geholt. Kunsthistoriker Braun hat in den vergangenen Jahren mehr als zehn Ausstellungen zu Comics gemacht. Für zwei seiner Kataloge wurde er mit dem wichtigsten Comic-Preis der Welt ausgezeichnet – dem Eisner-Award. Als einziger Deutscher überhaupt.
Originalzeichnungen von Carl Barks
In Kassel greift er auf sein großes Netzwerk an Sammlern und Künstlern und auf seine eigene Sammlung zurück. So ist es möglich, viele Originalzeichnungen unterschiedlichster Künstlerinnen und Künstler zu zeigen. Der britische Künstler Mark Buckingham kommt selbst zur Ausstellung und ist mit der Reihe „Fables“ in der Schau vertreten, in der Märchenfiguren sich in der Menschenwelt verstecken.
Die Ausstellung zeigt einen Rundumschlag. Angefangen bei den Bilderbogen, geht es über die Pioniere der Comics mit „Krazy Kat“ von George Herriman oder Arbeiten von Gus Dirks (Bugville) etwa zu einer Auswahl handverlesener Disney-Zeichner.
Es werden Originalzeichnungen des legendären Carl Barks gezeigt, aber auch Werke anderer Disney-Zeichner – von Klassikern wie Floyd Gottfredson und William van Horn, aber auch von aktuellen Künstlern, Arild Midthun oder Daan Jippes etwa. Garfield-Fans dürfen sich auf Originalzeichnungen von Jim Davis freuen. Comic-Experten auch auf Werke von Walt Kelly, der „Pogo“ zu Papier gebracht hat.
Evolutionsgeschichte aus Affen-Sicht
Es werden auch Seiten von deutschen Zeichnerinnen und Zeichnern gezeigt. Von Ralf König gleich zwei Geschichten: „Roy und Al“, in der Hunde ihre schwulen Herrchen beobachten und kommentieren, und seine Graphic Novel „Stehaufmännchen“. Es ist die Evolutionsgeschichte mal ganz anders, nämlich aus der Sicht der Affen.
Der Comic „Trip mit Tropf“ von Josefine Mark widmet sich einem ernsten Thema, der Krebserkrankung der Zeichnerin. In ihrem Comic erkrankt aber nicht sie, sondern ein Kaninchen an Krebs. Die Hauptfigur trifft auf einen Wolf, der sich seine Schussverletzung versorgen lässt. Auf der Flucht vor dem Jäger lernen sich beide näher kennen und entwickeln eine besondere Freundschaft.
„Funktioniert für Erwachsene wie Kinder“
„Die Geschichte funktioniert für Erwachsene wie Kinder“, meint Kurator Braun. „Auch mit 50 oder 60 Jahren lesen wir sie mit großem Gewinn, weil sie einfach klug, witzig und inspirierend erzählt wird.“ Dem Wolf übrigens widmet sich die Ausstellung in besonderer Weise. Gleich mehrere Comics und kleine Skulpturen zeigen, welch große Rolle das Tier immer wieder spielt.
„Ich, das Tier“ ruft quasi dazu auf, sich selbst zu überprüfen: In welcher Tierfigur sehen wir uns am ehesten? Für Museumsleiter Sauerwald ist das nach kurzem Überlegen klar: „Mit Sicherheit nicht im reichen, geizigen Onkel Dagobert, sondern hoffentlich in Daniel Düsentrieb, dem skurrilen Erfinder. Der liegt mir vielleicht am nächsten.“