Heute ist das Bahnhofsquartier in Bad Cannstatt ein heruntergekommenes Durchgangsviertel. Das könnte sich ab nächstem Jahr ändern.
Die Pforte nach Bad Cannstatt, das Bahnhofsquartier, hat schon bessere Zeiten erlebt. Das heruntergekommende Viertel gilt in vielen Bereichen als städtebaulicher Schandfleck. Doch die Stadt hat Pläne, die Flächen zwischen dem Wilhelmsplatz, der Eisenbahn- und der Bahnhofstraße in den kommenden Jahren in einen lebendigen und vielseitig nutzbaren Stadtraum umzugestalten.
Stadt Stuttgart kauft Schwabenbräu-Passage
Der Niedergang des Bahnhofsviertels lässt sich gut an der Schwabenbräu-Passage in der Bahnhofsstraße 14 bis 18 festmachen. Nach dem Umbau des Gebäudes in den 1980er Jahren, das neben einem Hotel auch einmal ein Kino beherbergt hatte, ging es in den folgenden Jahrzehnten stetig bergab. Zum Schluss blieben nur noch Kneipen, Wettbüros und jede Menge Tauben, die sich in dem Komplex pudelwohl fühlten.
Seit zwei Jahren gibt es eine Interimsnutzung für die Schwabenbräu-Passage. Foto: Uli Nagel
Nach dem Kauf durch die Stadt im Jahr 2020 änderte sich zumindest ein bisschen etwas. Im Erdgeschoss arbeitet eine Fahrrad-Service-Station des Sozialunternehmens Neue Arbeit. In die Obergeschosse sind die Volkshochschule und die DRK-Kleiderkammer gezogen. Zudem tauchen auf den Namensschildern am Eingang unter anderem Einrichtungen wie die Palermo Galerie, Commons Kirchen und Legal Café auf.
Erbpacht läuft 2026 aus
Doch wie geht es nach dieser Zwischennutzung mit dem Gebäudekomplex und dem gesamten Bahnhofsquartier weiter? Schon mehrfach hat die Stadt kommuniziert, das Viertel neu zu ordnen und umzugestalten. Möglich ist dies, da die Stadt ab 2026 Zugriff auf weitere Gebäude hat. „Dann läuft unter anderem die Erbpacht für das große Parkhaus aus“, sagt Corinna Althanns, beim Stadtplanungsamt für den Bereich Neckar verantwortlich. Allerdings wollte die Stadt natürlich nicht so lange warten und hat den Ball für die Neuplanungen bereits Anfang des Jahres zum Rollen gebracht.
Nur Durchgang zwischen Bahnhof und Cannstatter Altstadt
Ein Planungsteam wurde für eine Machbarkeitsstudie beauftragt, in der städtbauliche Aspekte, Verkehr und Freiraumplanung integriert werden. Denn das Ziel lautet, das Bahnhofsquartier, das eine Verbindung zum Wilhelmsplatz und zur Altstadt darstellt, zu einem gemischt genutzten Quartier für alle Generationen und Kulturen zu entwickeln. „Eine große Chance für Bad Cannstatt, neue Aufenthaltsqualität zu schaffen“, ist sich die Stadtplanerin sicher. Denn heute diene das Viertel nur als Transitraum zwischen Altstadt und Bahnhof.
Dabei will die Stadt jedoch nicht hinter verschlossenen Türen agieren. Ein Planspiel brachte bei zwei Veranstaltungen im Februar und Mai lokale Akteure – unter anderem Vereine, Handel und Gewerbe – sowie Verwaltung und Politik an einen Tisch. Hier wurden erste Wünsche, Bedürfnisse, Ideen aber auch Visionen diskutiert und ermittelt. So entstanden zwölf Zukunftsmodelle für das künftige Bahnhofsquartier, die schlussendlich in drei Varianten zusammengefasst wurden.
80 Teilnehmer zu Projekt in Bad Cannstatt
Doch auch die Bürgerschaft sollte mit ins Boot geholt werden, weshalb die drei Varianten Mitte Juli von Baubürgermeister Peter Pätzold und dem beauftragten interdisziplinären Planungsteam der Öffentlichkeit präsentiert und diskutiert wurden. „Mit rund 80 Teilnehmern war die Resonanz doch beachtlich und zeigt, wie wichtig das Bahnhofsviertel den Cannstattern ist“, sagt Johanna Kretschmer, beim Stadtplanungsamt für das Projekt verantwortlich. Freundliche Verbindungswege und Zugänge, ein Quartiersplatz mit Aufenthaltsqualität und natürlich ein Bürgerhaus, das in Bad Cannstatt schon seit Jahrzehnten gefordert wird, stehen auf der Wunschliste ganz weit oben.
Gebäude im Bahnhofsquartier werden untersucht
Doch wie geht die Stadt mit dem Gebäudebestand um? Abriss oder Erhalt? „Das wird in den kommenden Jahren genau geprüft“, so Corinna Althanns. Untersucht werden neben der Schwabenbräu-Passage auch das Parkhaus Eisenbahnstraße sowie das davorliegende Eckgebäude, wo einst McDonald’s Burger verkaufte.
Stadtplanerin Corinna Althanns (links) erklärt, wie das Bahnhofsquartier einmal aussehen könnte. Foto: Florian Knittel
Eine besondere Rolle in der Studie spielen die Flächen, auf denen sich heute unter anderem eine der letzten, klassischen Imbissbuden Stuttgarts sowie die Cannstatter Kultkneipe „Schwemme“ befinden. Sie sind in Privatbesitz und sollen laut Stadt in das neue Konzept integriert werden – in welcher Form auch immer. Ebenso verhält es sich mit dem prägnanten Hochpunkt der Bahnhofstraße 8.
Die übrigen Gebäude an der König-Karl-Straße, in denen sich heute überwiegend Geschäfte befinden, konnten mittlerweile von der Stadt erworben werden. Wie man mit diesen Gebäuden, müssen die kommenden Monate zeigen. Dabei wird auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Konzepts eine Rolle spielen.
„Das Thema Wohnungsbau wird in der Machbarkeitsstudie untersucht“, sagt Corinna Althanns. Allerdings wird er wegen des Bahnlärms wohl eher in geringerem Umfang und in „Sonderformen“ (Studentenwohnen, Mikro-Wohnungen) möglich sein. „Das Thema ist dennoch wichtig, denn Wohnen trägt immer zur Belebung eines Viertels bei“, so Althanns.
2026 mehr zu den Plänen für Bad Cannstatt
Aus den drei Varianten soll noch in diesem Jahr ein schlüssiges Konzept entstehen, das Anfang 2026 erneut der Öffentlichkeit präsentiert und anschließend dem Bezirksbeirat sowie dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik zur Diskussion gestellt werden soll. Das Ziel ist, möglichst zeitnah ein Wettbewerbsverfahren zu starten und einen neuen Bebauungsplan für das Bahnhofsquartier aufzustellen.
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