Zwei Bäume am rechten Rand des Hof­geländes, die ihre Äste wie eine gewaltige Woge zur Mitte und weiteren Bäumen hin ausstrecken. In ihrem Schatten sitzen Menschen an einem Gartentisch oder einfach auf dem Rasen, klein und allenfalls geduldet, solange sie nicht stören. Ganz hinten blitzt eine Hauswand auf, die Herberge der Besucher. Im Vordergrund aber steht eine Staffelei, massiv, aber nicht klotzig, und leer. Sollen sie nur kommen, die Maler, aufstehen vom Rasen oder den Bänken im Gras und endlich tun, wofür sie angereist sind: unter freiem Himmel die Normandie künstlerisch erkunden, so wie Adolphe-Félix Cals, der 1879, ein Jahr vor seinem Tod, noch einmal den Hof Saint-Siméon in Honfleur festhielt.

Die Ausstellung „Licht & Landschaft“, die derzeit im Augustinermuseum in Freiburg zu sehen ist, widmet sich den Malern, die in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in die Normandie strömten und in der Begegnung mit der Landschaft Techniken entwickelten, die man später „impressionistisch“ nannte. Dass sie mit gleich drei Bildern einsetzt, die das berühmte Gut zeigen, das bald zur bevorzugten Künstlerherberge avanciert war, vermittelt sofort, welche Konstellation hier – wie in vielen anderen zeitgenössischen Künstlerkolonien – lange Zeit wirkte: Eine Landschaft, die aus der Perspektive der Metropole abgelegen erscheint, wird für Künstler attraktiv, die sich dort für Wochen oder Monate niederlassen. Ihre Bilder wiederum erzählen, wenn sie zu Hause ausgestellt werden, vom Reiz der Normandie oder auch der Bretagne, der dänischen Küste und des Schwarzwaldes und prägen zugleich ein Stereotyp, das wiederum diejenigen zu finden erwarten, die den Malern nachreisen.

„Haus mit Strohdach in Fontaine-la Mallet“ von Emile Friesz, 1901.„Haus mit Strohdach in Fontaine-la Mallet“ von Emile Friesz, 1901.Patrick Merret

Begünstigt wurde das auch in der Normandie durch den Bau von Eisenbahnstrecken, die das Reisen entscheidend verkürzten, als künstlerisches Sujet von den hier ausgestellten Malern aber verschmäht wurden – Stanislas Victor Lépine interessiert sich immerhin in „Landschaft“, gemalt um 1890, für rauchende Schlote als Zeugen der Industrialisierung.

Seine Kollegen und seine Kollegin – Berthe Morisot ist mit einer verschleierten Küstenansicht die einzige Malerin dieser Ausstellung – hielten sich eher an Meer und Strand, an schroffe Felsen oder den Himmel mit seinen dramatischen Wetterphänomenen. Gleichförmig aber ist dabei nichts, schon weil die Schau Bilder aus mehr als hundert Jahren zeigt, von einer 1822/23 entstandenen zierlichen Ansicht des Strandes von Honfleur, gemalt von Corot, die mit ihren sorgfältig gezogenen Konturen neben den übrigen Bildern wie aus der Zeit gefallen wirkt, bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein.

Springt er, der junge Schwimmer?

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung der Region selbst, die – ­ungewollt – angestoßen und festgehalten wird durch die angereisten Maler. Eugène Le Poittevin etwa hält um 1858 eine groteske Badeszene fest, in der die Protagonisten wie erstarrt und jedenfalls im hohen Maß arrangiert wirken. Im Vordergrund ist eine Art zweirädriger Karren, der weit ins Meer geschoben wurde, um einem jungen Mann von einer Planke aus den Kopfsprung ins Meer zu ermöglichen. Dort sind bereits ein paar Badende versammelt, einige schwimmen, andere lernen es, eine weitere lässt sich auf dem Rücken treiben. Ein Ruderboot steht bereit, diejenigen aufzunehmen, die nicht mehr können oder wollen. Der junge Mann aber sieht sich kritisch beäugt von den um­stehenden Herren wie Damen. Ob er je springt? Im Hintergrund aber ragt stoisch die grasbedeckte Steilküste auf, die viel gesehen hat und auch das wunderliche Treiben der Badegäste verkraften wird.

Die Ausstellung basiert auf der Sammlung „Peindre en Normandie“ aus Caen, deren Kurator Alain Tapié auch die Freiburger Ausstellung mitgestaltet hat. Neben Malern wie Corot, Courbet, Delacroix und Monet umfasst sie auch weniger bekannte, die sich hinter den Berühmtheiten nicht verstecken müssen. Vertreten ist etwa der Maler Frank Myers Boggs, geboren 1855 in Springfield, Ohio, den es nach Europa verschlug und dessen Bilder aus Dieppe zum Aufregendsten gehören, das diese Schau zu bieten hat. Seine Segelschiffe, gemalt 1881, schweben über einer Meereslandschaft, in der Nebel und Wasser ineinanderfließen, und bewahren sich doch davor, darin aufgesogen zu werden, so wie sein verregneter Markt von Dieppe, entstanden 1887, zugleich unbehaglich und voller Würde ist, aber keinen Raum lässt für Pittoreskes. Die kräftigen Töne, in denen die Wände der Ausstellungs­räume gestrichen sind, wirken auch zu den Goldrahmen einiger der anderen Bilder als schöner Kontrast.

Frank Myers Boggs’ Ansicht des verregneten Markts von DieppeFrank Myers Boggs’ Ansicht des verregneten Markts von DieppePatrick Merret

Boggs gehört zu der Minderheit der hier vertretenen Künstler, die sich den Menschen zuwenden und sie nicht allenfalls als Randgestalten im Schatten einer mächtigen Landschaft darstellen. Der ­heraufziehende Tourismus aber verändert auch das, was manche Maler grimmig stimmt, ­etwa Jacques-Émile Blanche, der freilich erst 1934 seinen Urlaubern am Strand von Dieppe ein drohendes Gewitter auf den Hals schickt.

So erzählt die Ausstellung mit gut siebzig Bildern vom Werden, Blühen und Vergehen des Impressionismus in der Normandie, aber auch von seinem Erbe. Und holt aus ­halber Vergessenheit eine Reihe von Malern, um die es schade ­wäre.

Licht und Landschaft. Impressionisten in der Normandie. Augustinermuseum Freiburg; bis 30. November. Kein Katalog.