Die Polizei hat nach der Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps in Berlin-Mitte eine juristische Niederlage erlitten. Das Gaza-Protestcamp, das sich auf einer Grünfläche am Bundeskanzleramt befand, ist nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg weiterhin als Versammlung anzusehen. Damit bestätigte das Oberverwaltungsgericht einen entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin. Der neuerliche Beschluss (Aktenzeichen: OVG 10 S 29/25) ist unanfechtbar.

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In dem Camp hatten sich Menschen versammelt, um gegen das israelische Vorgehen im von Palästinensern bewohnten Gazastreifen und gegen die deutsche Israel-Politik zu protestieren. Nach der Gerichtsentscheidung vom Freitagabend bauten die Demonstrierenden das Zeltcamp bereits am Sonnabend wieder im sogenannten Skulpturenpark auf. Zuvor war ebenfalls für Sonnabend die Errichtung eines neuen Camps am Marx-Engels-Forum in der Nähe des Roten Rathauses angemeldet worden. Dort sei laut Polizei jedoch letztlich kein Camp errichtet worden.

Am vergangenen Donnerstag war das Protestcamp, das sich rund zwei Monate im Skulpturenpark befand, zunächst aufgelöst worden. Die Polizei mitgeteilt, dass ihm der Versammlungscharakter aberkannt worden sei. Die Demonstrierenden hätten zuletzt nicht mehr aktiv ihre Meinung kundgegeben, hatte ein Polizeisprecher auf Nachfrage erklärt. Das Bezirksamt Mitte habe daraufhin der weiteren Nutzung der Grünflächen widersprochen und die Bewohner aufgefordert, ihre Zelte und Utensilien abzubauen. Das machten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Der Anmelder zog allerdings vor Gericht – mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin stufte das Camp weiterhin als Versammlung ein. Die Beschwerde der Polizei dagegen hatte vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Gericht befand, das Protestcamp nahe dem Bundeskanzleramt erzeuge schon durch seine bloße Anwesenheit an einem politisch besonders bedeutsamen Ort einen „gewissen Kundgabeeffekt“. Zudem habe es in den vergangenen Tagen „noch eine ganze Reihe von versammlungstypischen Kundgabeelementen“ gegeben.

Das Gericht wollte der Annahme der Polizei nicht folgen, wonach der Hauptzweck des fortgesetzten Protestcamps inzwischen in der Schaffung von Wohnraum in einer Grünanlage bestehe. Dafür, argumentierte das Gericht, seien die Bedingungen „zu unwirtlich“.

Zweite Niederlage für die Polizei vor Gericht

Für die Polizei war es die zweite Niederlage im Streit um das Protestcamp in der Nähe des Kanzleramtes: Die Behörde hatte zwischenzeitlich eine Verlegung an den Hauptbahnhof angeordnet und das mit Lärmbelästigung besonders abends und nachts begründet.

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Das Verwaltungsgericht entschied jedoch, dass die Zelte wieder am Kanzleramt aufgeschlagen werden dürfen – mit der Auflage an die Aktivisten, leiser zu sein. Auch diese Entscheidung bestätigte das OVG als zweite Instanz. (Tsp, dpa, epd)