Fragen & Antworten

Standdatum: 24. August 2025.

Autorinnen und Autoren:
Verena Patel

Ein Arzt injeziert eine Spritze in ein Knie

Der neue IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen übt Kritik an Hyaluronsäure-Spritzen in Knie oder Hüfte (Symbolbild).

Bild: Imago | YAY Images

Die Krankenkassen warnen vor Spritzen gegen Knie- und Hüftarthrose. Welche Kritik es daran aus Bremen gibt und wie man sich als Patient verhalten sollte.

Welche Selbstzahlerleistungen beurteilt der Medizinische Dienst der Krankenkassen kritisch?

Spritzen mit Hyaluronsäure gegen Knie- oder Hüftgelenksarthrose verursachen mehr Schäden, als dass sie nutzen, teilte der Medizinische Dienst Bund bei der Präsentation seines neuen IGeL-Monitors mit. IGeL steht für individuelle Gesundheitsleistungen, also Behandlungen, die keine Kassenleistungen sind, sondern von Patientinnen und Patienten privat bezahlt werden müssen. Zu den möglichen Schäden zählen laut der Auswertung Gelenkentzündungen oder Herzbeschwerden. Die Schmerzreduktion sei hingegen so minimal, „dass sie klinisch nicht von Bedeutung ist“, heißt es.

Auch zur Stoßwellentherapie bei Kalkschulter und Tennisarm liegen laut der Krankenkassen-Erhebung kaum aussagefähige Studien zur Therapie vor. Bei diesen Sehnenerkrankungen macht Betroffenen neben Schmerzen eine verringerte Bewegungsfähigkeit zu schaffen.

Welche Kritik gibt es daran?

Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) schreibt in einer Stellungnahme, der IGeL-Monitor gebe die oft komplexe und heterogene Studienlage zur Gabe von Hyaluronsäure verkürzt und einseitig wieder.

Es steht der Vorwurf im Raum, dass wir den Patienten mit Hyaluronspritzen bei Knie- oder Hüftarthrose schaden würden. Das ist nicht der Fall. Studien haben ergeben, dass es nicht mehr Nebenwirkungen gibt als bei Placebomitteln.

Adrianus den Hertog, Bremer Landesvorsitzender Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie

Den positiven Nutzen einer Behandlung zu beweisen sei wissenschaftlich deutlich aufwendiger, als zu zeigen, dass sie nicht schädlich ist. „Bei den Hyaluronspritzen bewegen wir uns in einer Grauzone, weil die Studienlage nicht hergibt, dass sie immer nützen. Bei Physiotherapie ist der wissenschaftliche Nachweis eines Nutzens übrigens auch nicht erbracht, trotzdem wird es verordnet“, sagt Adrianus den Hertog. „Unsere Erfahrung zeigt: Etwa der Hälfte unserer Patienten kann durch die Spritzen geholfen werden und eine Operation so verzögert werden.“

Welche Selbstzahlerleistungen lohnen sich?

In der Auswertung des Medizinischen Dienstes erhalten aber nicht alle Selbstzahlerleistungen eine negative Bewertung. „Es gibt IGel-Leistungen, wie zum Beispiel die Lichttherapie zur Behandlung von Symptomen einer saisonalen depressiven Störung oder die Immunprophylaxe zur Vorbeugung wiederkehrender Blasenentzündungen, die wir als positiv bewerten“, schreibt Ulf Krause-Titz vom Medizinischen Dienst Bremen.

Was sollte man beachten, wenn Selbstzahlerleistungen angeboten werden?

Sich Bedenkzeit erbitten und die Leistung nicht am gleichen Tag in Anspruch nehmen, rät Edeltraud Paul-Bauer von der PatientInnenstelle im Gesundheitsladen Bremen. Und sich im Aufklärungsgespräch alles genau erklären lassen, inklusive möglicher Folgen. Aus Sicht der Patientenschützerin sollte im Idealfall ein Vertrag geschlossen werden, bei dem die Kosten und mögliche Folgekosten genau beziffert werden.

Sollte es gar keine Selbstzahlerleistungen mehr geben?

„Ärzte haben oft kein Interesse daran, dass etwas zur Kassenleistung wird“, sagt Edeltraud Paul-Bauer. Aus ihrer Sicht sollten Patienten ganz auf Selbstzahlerleistungen verzichten. „Es ist nicht ausreichend nachgewiesen, dass sie wirken“, sagt sie, von einzelnen Ausnahmen abgesehen. Diese würden dann aber in den Leistungskatalog der Krankenkassen übernommen.

Anders sieht es Holger Schelp, Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Bremen: „Eine Reiseimpfberatung für das Ausland beispielsweise finde ich sinnvoll und daran haben auch die Krankenkassen ein Interesse. Man kann sich die Kosten in vielen Fällen erstatten lassen.“ Was Ärzte manchmal auch hörten, seien gezielte Fragen nach IGeL-Leistungen. Wichtig sei aber: „Die Behandlung muss genau zum Patienten und seinen Beschwerden passen.“

Ulf Krause-Titz, leitender Arzt beim Medizinischen Dienst Bremen, teilt auf Anfrage schriftlich mit: „Das Gesundheitssystem in seiner derzeitigen Form steht unter erheblichem Kostendruck. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Selbstbeteiligung der Versicherten bei bestimmten Leistungen als unvermeidlich. Umso wichtiger bleibt jedoch ein kritischer Blick auf individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL).“ Der Medizinische Dienst setze sich dafür ein, dass Versicherte nicht unnötig Geld für Verfahren ausgeben, deren Nutzen fraglich oder gar nicht belegt ist.

Quellen:
buten un binnen und dpa.

Dieses Thema im Programm:
Bremen Eins, Rundschau, 19. August 2025, 12 Uhr