Team Holcim-PRBs Skipperin Rosalin Kuiper berichtet in ihrem Race Blog für YACHT online vom Ocean Race Europe. Nach dem Kiel-Crash, der Reparatur und dem gelungenen Comeback mit Team Holcim-PRB hat die Niederländerin nicht nur sportlichen Erfolg auf Etappe zwei zu vermelden, sondern auch eine heiter-ernste Botschaft für Mädchen und Frauen.
Von Rosalin Kuiper
Platz zwei auf Etappe zwei fühlt sich wie ein Sieg an. Es überhaupt zum Etappenstart geschafft zu haben, das war schon wie ein Sieg für unser Team. Es war ein Sieg, nach der Reparatur dieses massiven, bei der Kollision mit Allagrande Mapei Racing in Kiel entstandenen Schadens, die Startlinie vor Portsmouth zu überqueren. Wir haben mit dem Start gezeigt, dass unser Shore Team einen exzellenten Job abgeliefert hat. Wir haben als Team gezeigt, dass wir stark sind. Mit Platz zwei auf dieser Etappe haben wir der Welt nun auch gezeigt, dass wir ein sehr starkes Segelteam haben. Das ist wie ein Doppelsieg – so cool!
Das Boot ist ohne jede technische Probleme in Folge der Kollision durch diese „Doppel-Etappe“ im Ocean Race Europe gekommen. Wir haben auf dieser Etappe einiges erfahren und gelernt. Zum Beispiel beim Portsmouth-Start, als „Paprec Arkéa“, „Biotherm“ und „Malizia – Seaexplorer“, “Allagrande Mapei Racing” und wir in unterschiedlichen Konfiguartionen ins Rennen gegangen. “Paprec Arkéa”, “Biotherm” und “Malizia” hatten den Kite oben. Wir sind mit Masthead Code Zero gesegelt.
Ein Start, drei Vorsegel-Setups im Ocean Race Europe
Man konnte am Ende die Unterschiede erleben. Bei uns war es nicht das optimale Segel für die Downwind-Bedingungen im Solent. Es waren die Kite-Boote, die dort gewonnen haben. Ich glaube, daraus kann man sehr viel lernen: Schon, wenn du die Halsenwinkel siehst. Wenn du siehst, wie hoch oder wie tief die Crews mit diesen Segeln fahren können.
Viele kleine Dinge haben diese Etappe im Ocean Race Europe mitgeprägt. Bei uns an Bord hatten wir sehr, sehr gute Segelwechsel. Beispielsweise, als wir die Tonne auf dem Weg nach Matosinhos gerundet haben. Da gab es noch eine Extra-Tonne im Westen. Danach ging es in den Downwind-Endspurt. Da kam „Arkéa Paprec“ stark auf. Wir haben drei verschiedene Vorsegel gesetzt. Wir haben gewechselt, gewechselt und gewechselt, weil sich die Bedingungen immer wieder geändert haben. Da hat man natürlich im Vergleich zum Konkurrenten auch vieles gesehen, etwa die Bootsgeschwindigkeiten in den Bedingungen. Auch daraus ließen sich viele Schlüsse ziehen.
Normalerweise übernimmt auf Imocas meist der Autopilot das Steuern. Aber wir haben auf dieser Etappe ziemlich viel handgesteuert. Wir haben auch neue Helme, die es uns erlauben, bei bis zu 30 Knoten Wind draußen zu sein. Sie schützen uns mit Brille zum Runterschieben vor dem bei hohen Geschwindigkeiten übers Deck schießenden Spritzwasser. Beim Handsteuern lernst Du viel über die Sensibilität und das Reaktionsvermögen des Autopiloten, zum Beispiel im Supervision-Modus. Du lernst über Windwinkel, Neigewinkel oder Speedmodi.
Ocean Race Europe: Überholmanöver im Mittelmeer
„Paprec Arkéa“ konnten wir nach der Straße von Gibraltar im Mittelmeer überholen. Sie waren weiter im Süden, wir weiter im Norden. Wir haben einfach den Wind früher erreicht. “Biotherm“ war schnell. Am ersten Tag waren wir sehr nahe beieinander, haben uns die ganze Zeit gesehen. Sie vorne, wir vorne, sie vorne, wir vorne.
Der Tracker zeigt gut die entscheidende Szene am Freitagmorgen mit „Paprec Arkéa“ im Süden, uns in der Mitte und „Biotherm“ im Norden. Um 7 Uhr morgens war „Biotherm“ nur zwei Seemeilen von uns weg. Sie haben einfach den Wind zuerst erwischt. Als der Wind kam, sind sie losgerauscht. Wir hatten weniger Wind aus einer anderen Richtung. Und so schnell teilt sich das Feld dann.
Während „Arkéa Paprec“ fast den ganzen Tag steckenblieb, hat „Biotherm“ von einer ziemlich starken Seebrise profitiert. Der Wind war mehr rechts. Auch wir hatten die Seebrise, später drehte der Wind dann nach Norden. Für uns wurde es mehr zum Amwind-Kurs. Wir haben in diesem Szenario am Freitag rund eineinhalb Stunden verloren.
Vor der Jury-Anhörung: “Vertraue meinem Team total”
Es ist richtig, dass „Biotherm“ bislang jede Wertung gewonnen hat. Sie haben das gut gemacht. Sie haben ein sehr starkes Boot. Ich glaube, dass Paul Meilhat sein Boot am besten von allen in der Flotte kennt. Ich glaube, dass Jack Bouttell jetzt nach dieser Etappe von Bord geht und bin gespannt, wie es in neuer Konstellation bei ihnen weitergeht. Ob „Holcim-PRB“ immer noch das Ocean Race Europe gewinnen kann? Ja!
Die Jury-Anhörung zur Kollision in Kiel findet heute Nachmittag statt. Wir werden sehen, was sie ergibt. Beide Teams – Allagrande Mapei Racing und Holcim-PRB – haben Proteste eingereicht. Wir haben dafür eine eigene Abteilung im Team, die das vorbereitet hat. Ich vertraue meinem Team total. Wir werden sehen, ob sich darüber noch eine Punktgutschrift ergibt.
Wer steht in Cartagena wo? Hier geht es zu den Gesamtständen nach zwei von fünf Etappen.
Die Etappe selbst war sehr fordernd. Das haben wir alle zu spüren bekommen. Besonders stark in der letzten Nacht, in den letzten Stunden vor der Halbzeit-Wertung und dem Fly-by in Matosinhos-Porto, als wir um die letzte Tonne gegangen sind. So viele Segelwechsel in ruppigem Wellengang. Es war nass und sehr intensiv. Da passierte viel in sich schnell ändernden Bedingungen.
Die “Frosie-Wache”: harte Arbeit mit viel Spaß
Zu dem Zeitpunkt steckten uns schon seit Gibraltar eine Halse nach der anderen in den Knochen. Halse, Halse, Halse, dann diese leichten Winde. Du musst so schnell adaptieren! Foil runter, Foil rauf, Foil runter, Foil wieder rauf. Mit jeder Windänderung volles Programm. Mein Körper tut weh, meine Muskeln sind müde. Diese Etappe hatte insgesamt starke Auswirkungen auf den Körper.
Aber ich habe sie geliebt! Es hat so viel Spaß gemacht mit allen an Bord. Franck und ich sind eng zusammengewachsen. Wir verstehen uns sehr, sehr gut. Wir bilden eine Wache: die „Frosie-Wache“. Das macht einfach Spaß. Wir arbeiten hart und wir lachen viel. Wir singen Lieder zusammen und teilen unser Essen. Wir teilen uns jeden Morgen eine Orange. An den ersten Tagen habe ich mein Frühstück mit ihm geteilt. Mit frisch abgepumpter Muttermilch.
Ich fragte ihn: „Franck, willst Du noch was von meinen Überbleibseln?“ Er sagte: „Klar.“ Ich sagte: „Da ist frische Milch drin.“ Er fragte: „Deine Milch?“ Ich sagte: „Ja.“ Er dann so: „Okay, warum nicht?“ Er probierte und lächelte, sagte: „Gar nicht so übel.“ Es ist einfach lustig, dass es solche Dinge gibt. Wir bereiten füreinander Essen, Kaffee und Tee zu. Wir unterstützen uns. Und das ist cool.
Franck pusht er hart. In guter Weise. Ich pushe auch gerne hart!” Rosalin Kuiper
Ich habe beispielsweise beim Steuern viel von ihm gelernt. Er hat es drauf. Wenn er eine, eineinhalb oder auch zwei Stunden steuert, sitze ich meist vor ihm in der hinteren Luke des Bootes. Er zeigt mir die Zahlen, erklärt mir, was er fühlt und warum er tut, was er tut. Ich bin jemand, die Abläufe studieren und sehr leicht kopieren kann Weil ich zuhöre und es dann einfach mache. Dann steuere ich eineinhalb Stunde, er schaut und sagt: “Hey, nicht so schlecht. Die Leistungsdaten des Schiffes liegen bei über 100 Prozent. Du hast auf ‘Biotherm” gewonnen. Wirklich nicht schlecht.” Das ist schön zu hören und zu teilen.
Wir haben bei allem viel Spaß. Ich habe mich manchmal kaputtgelacht. Auch mit unserer Bordreporterin Anne Beaugé. Und dann ist das Ocean Race Europe auch ein Naturerlebnis. Wir haben einen Wal und eine große Gruppe jagender Delfine gesehen, die neben dem Boot schwammen. In der letzten Nacht vor dem Zieldurchgang habe ich Hunderte Quallen gesehen. Zweimal haben mich in der Nacht vor dem Cartagena-Ziel Fliegende Fische mitten im Gesicht getroffen. Es ist schön, all dieses Leben zu sehen.
Ich muss und möchte aber auch sagen, dass wir am letzten Morgen von der spanischen Küste verrückt viel Plastik im Wasser gesichtet haben. Alle 200 Meter schwimmt da Plastik herum. In der Häufung habe ich das noch nicht erlebt.
Eine Umarmung für Team Malizia
Was ich zu Team Malizia auf dieser Etappe denke? Ich schicke ihnen eine große Umarmung! Ich glaube, sie hatten eine harte Etappe. Weil sie neue Foils haben, ist es schwer für mich zu sagen, ob das Boot in leichten Winden schwierig zu segeln ist. Aber was ich sagen kann, ist, dass die auch bei den Trainings mit dem Pôle Finisterre in sehr leichten Winden nicht so schnell waren.
Ihr Rumpf ist mehr für raue, unruhige und windige Bedingungen gemacht. „Malizia“ macht keine Nosedives, von denen wir auf der letzten Etappe so einige erlebt haben. Himmel, da hast du dir gerade einen Milchshake gemacht, dann ein Nosedive und rumms, fliegt der gesamte Milchshake durchs Boot.
Aber noch einmal zu „Malizia“: Ich denke, die neuen Foils sind besser als die alten. Ihr Boot ist schwerer, weniger für leichte Winde gemacht. Das ist es, was man sieht. Auf der anderen Seite haben wir uns auch in unterschiedlichen Windfenstern bewegt. Man kann schlecht Äpfel mit Birnen vergleichen.
Die Achterbahnfahrt im Ocean Race Europe
Ich bin gefragt worden, ob ich das Ocean Race Europe genieße? Ja, ich genieße es so sehr! Weil es cool ist, so viele Orte in so kurzer Zeit zu besuchen. Es war eine Achterbahnfahrt, seit wir in Kiel angekommen sind. Ich bin immer noch voller Adrenalin. Ich freue mich, dass das Team gut arbeitet. Wir haben so viele Dinge zusammen erreicht, inklusive die Reparatur nach dem Schaden.
Ich genieße, dass das Segelteam wächst, dass alle ihren Platz im Team gefunden haben. Am Anfang kostet es viel Energie, deinen Platz zu finden. Jetzt sind die Plätze und die Verantwortlichkeiten alle gut besetzt. Wir können uns auf die Leute verlassen. Das nimmt auch Unsicherheiten. Es läuft!
Ich genieße es auch sehr, dass meine Familie in jedem Etappenhafen ist. Für mich ist es ganz besonders. Ich war jetzt das erste Mal sechs Tage von meiner Tochter getrennt (Red.: Tochter Feis wurde im Dezember geboren). Ich hatte etwas Sorge davor. Ich dachte, ich kann doch nicht meine Tochter verlassen, sie ist meine ganze Welt. Dann sagte jemand zu mir, dass ich nicht dumm sein solle und es einfach probieren müsse, weil man es sonst gar nicht weiß.
Und dann habe ich es geliebt, auf See zu sein!” Rosalin Kuiper
Ich liebe es, den Wind auf dem Meer zu spüren, die dunkle Nacht, die Sterne. Die Meerestiere. Den Geruch. Ich liebe das Racing! Die Vibrationen auf dem Boot. Die Leute um mich herum und wie die Stimmung mit jeder Wetteränderung wechselt. Ich liebe das alles!
Ich liebe es, in die Segel zu schauen und dafür zu sorgen, dass sie das Boot noch schneller machen. Zu sehen, ob man nicht doch noch 0,1 Knoten aus dem Boot quetschen kann. Ich beobachte die Konkurrenz Tag und Nacht und liebe es, sie zu studieren. Und es macht mich wirklich glücklich, dass ich das immer noch alles liebe.
Ich fühle mich als Mutter nicht schuldig, dass ich segeln gehe. Es war einer der besten Momente in meinem Leben, als ich gestern morgen zurückkam und meine Tochter wiedersah. Es war 7 Uhr morgens. Sie wachte gerade auf und schaute mich so liebevoll an. Ich weiß sie in besten Händen. Coen (Red.: Kuipers Partner) macht das so gut. Sie ist so glücklich. Sie wächst, lacht, spielt, macht alles, was ein Baby tun sollte.
Vorbild als Segelprofi, Skipperin, Mutter
Ich fühle keinen Unterschied zwischen uns, wenn wir jetzt wieder zusammen sind. Nachdem die Presse eine halbe Stunde nach der Ankunft das Dock wieder verlassen hatte, konnte ich mein Baby stillen. Das hat mich zur glücklichsten Mutter der Welt gemacht. Es ist diese Kombination, die mich erfüllt und dieses Ocean Race Europe so speziell macht. Festzustellen, dass du eine Profiseglerin, Skipperin und eine Mum sein kannst. Das ist sehr lohnenswert.
Und ich hoffe, dass es Frauen im Segelsport ein Beispiel für die Zukunft sein kann. Es ist möglich! Und wisst ihr was: Wenn du es einfach machst, kannst du sogar deine frisch abgepumpte Milch im Frühstücksmüsli mit einem Franck Cammas teilen. Das ist so lustig. Und ich würde auch sagen: Es ist das neue Normal!
Wie ein Sieg: Team Holcim-PRB holt nach dem Kiel-Crash und dem geglückten Comeback Platz zwei auf Etappe zwei. Die Ankunft in Cartagena:
Die “Frosie-Wache” und Team Holcim-PRB im Einsatz auf Etappe 2: