Das Anti-Rechts-Festival „Jamel rockt den Förster“ brachte erneut Stars in die Provinz. Überschattet wurde das Konzert von politischen Streitigkeiten. Campino von den Toten Hosen, aber auch die Veranstalter kritisierten den CDU-Landrat – dieser erwägt nun rechtliche Schritte.
Erst spielten die Toten Hosen, einen Tag später betraten auch die Musiker von Kraftclub als Überraschungsgast die Bühne: Beim alljährlichen Polit-Musikfest „Jamel rockt den Förster“ feierten in diesem Jahr rund 3.500 Besucher gemeinsam.
„Jamel war uns ein Anliegen“, sagte Frontmann Felix Kummer von der Chemnitzer Combo Kraftclub am Samstag vor Publikum zur Begrüßung. Das Festival wird seit 2007 vom Künstlerehepaar Birgit und Horst Lohmeyer ausgerichtet, das sich damit gegen Anfeindungen von Rechtsextremisten im Dorf zur Wehr setzen will.
Eröffnet wurde die zweitägige Veranstaltung am Freitag von einem Chor der „Omas gegen Rechts“, wie auch der NDR berichtet. 25 Frauen im Alter von 60 bis 86 Jahren standen auf der Bühne, um sich, so schreibt der Sender in seinem Onlineauftritt, „klar gegen Rechtsextremismus zu positionieren und ein Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu setzen“.
Konzert erstmals „politische Veranstaltung“
Offiziell startete das Festival dann mit dem Auftritt der Toten Hosen. Die Band trat 2015 schon einmal in dem Dorf Jamel (knapp 35 Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern) auf und bekam auch dieses Mal Riesenapplaus. „Wir sind unheimlich gern zurückgekommen“, rief Frontmann Campino den tanzenden Fans zu.
Einmal im Jahr werde von Jamel aus ein „SOS-Zeichen“ in die Republik gesendet, dass es brenne, so der 63-Jährige in seinem Grußwort weiter. Zuvor hatte Campino (bürgerlich: Andreas Frege) auch offen Kritik an CDU-Landrat Tino Schomann geübt, in dessen Landkreis Jamel liegt. Die AfD sei der klare Gegner, allerdings würfen sich auch lokale Gruppierungen der CDU der Partei an den Hals, sagte der Alt-Punk sinngemäß.
Dem vorausgegangen war ein Streit um die diesjährige Durchführung der Veranstaltung, die bereits seit 2007 stattfindet. Landrat Schomann hatte laut Medienberichten versucht, bestimmte Auflagen gegen das Festival durchzusetzen, dass sich in diesem Jahr erstmals als „politische Versammlung“ angemeldet hatte.
Eine solche Einstufung hat auch finanzielle Folgen. Bei einer privaten oder kommerziellen Feier müssen die Veranstalter selbst für die Reinigung und die Sicherheit der Teilnehmer aufkommen, anders etwa als bei einer politischen Demonstration. Für den Konzertbesuch in Jamel wird ein Eintrittsgeld verlangt. Die Kartennachfrage ist dabei schon seit Jahren größer als die Platzkapazität.
CDU-Landrat sieht gezielte Diskreditierung
Gegen die Kritik des Toten-Hosen-Sängers verwahrte sich der CDU-Politiker denn auch. Die Aussagen seien eine gezielte Diskreditierung staatlichen Handelns, hieß es in einer Aussage, aus der die Nachrichtenagentur dpa zitiert. Die Veranstalter hätten sich schließlich selbst entschieden, ihr Festival erstmals als politische Versammlung anzumelden – damit trete dann auch das Versammlungsgesetz in Kraft, so Tino Schomann. „Die zuständige Behörde entscheidet nicht nach Sympathie, sondern nach Recht und Gesetz.“
Der aktuellen Auflage des Festivals gingen diesmal mehrere Gerichtsentscheidungen voraus. Der Konflikt geht auf eine Entscheidung der Gemeinde Gägelow zurück, zu der Jamel gehört. Nach jahrelanger kostenfreier Nutzung zweier gemeindeeigener Flächen als Parkplätze hatte die Gemeinde nun erstmals eine Pacht von knapp 8.000 Euro gefordert. Offenbar um diese zu umgehen, meldeten die Veranstalter eine länger andauernde Versammlung an.
Das wiederum hatte zur Folge, dass sich der für das Versammlungsrecht zuständige Landkreis einschaltete und zahlreiche Auflagen, unter anderem ein Alkoholverbot, in Erwägung zog. Bei den Streitigkeiten ging es dann auch um Gebühren und ein vom Landkreis gefordertes Verbot von Alkohol, was aber vom Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz kassiert wurde.
Dass man ihn nun in die Nähe von Neonazis rücke, sei eine Diffamierung und Diskreditierung rechtsstaatlichen Handelns, wird der CDU-Politiker im „Deutschlandfunk“ zitiert. Er prüfe nun auch rechtliche Schritte.
Neben Campino hatte nämlich auch Veranstalterin Birgit Lohmeyer den Vorwurf erhoben, eine – Zitat: „Deutschlandfunk“ – „böse Koalition der gesellschaftlichen Mitte in Form der CDU mit der AfD und weiteren rechten Kräften versuche auf allen möglichen Wegen“, ihre Veranstaltung „zu boykottieren“. Sie gab sich trotz der Streitigkeiten kämpferisch: „Wir machen Party das ganze Wochenende. Dafür sorgen unsere Anwälte und wir.“
Landesregierung stellt sich demonstrativ hinter die Veranstalter
Unterstützung bekamen die Veranstalter in dem Streit auch von der rot-roten Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns. In einem Posting bei Instagram wurde dem Ehepaar von Seiten der Berliner Landesvertretung ausdrücklich gedankt. Betont wird aber auch, dass diese sich gerade erst gegen „neue bürokratische Auflagen“ des Landkreises „zur Wehr hätten setzen müssen“. „Liebe Lohmeyers, euer Mut, eure Ausdauer und Leidenschaft für unsere Demokratie sind Vorbild für uns alle! DANKE“, hieß es weiter.
Für die Landes-CDU war diese offene Schuldzuweisung offenbar ein Unding. In einem Statement erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Generalsekretärin Katy Hoffmeister: „Es ist nicht akzeptabel, wenn die Vertretung des Landes MV in Berlin öffentlich wertende, politische Kritik an einem Landkreis übt“. Die Landkreise handelten „auf Grundlage geltender Gesetze und Vorschriften“, hieß es weiter. Und ob Maßnahmen vor Ort gerechtfertigt seien oder nicht, „entscheiden Gerichte – nicht die Social-Media-Kanäle einer Landesvertretung“, erklärt sie auf der Website der Partei.
Mittlerweile hat sich auch Innenminister Christian Pegel (SPD) eingeschaltet. Er kündigte im Interview mit dem „NDR“ an, das Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen, damit die nächste Runde von „Jamel rockt den Förster“ im kommenden Jahr im Konsens über die Bühne gehen könne.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Textes wurde Tino Schomann auch als Bürgermeister bezeichnet. Diesen Fehler haben wir korrigiert.
mit dpa