Im spanischen Etappenhafen Cartagena hat am Sonntagnachmittag eine vom Weltseglerverband World Sailing ernannte Internationale Jury die beiden Proteste gehört, die sich aus der Kollision zwischen Allagrande Mapei und Holcim PRB zu Beginn der ersten Etappe der Ocean Race Europe ergeben hatten. Es gibt Wiedergutmachung für Team Holcim-PRB, aber keine weiteren Bestrafungen. Die genaue Urteilsbegründung der Jury lag am Abend zunächst nicht vor.
Kieler Crash, Comeback, Anhörung und Entscheidung
Beide Boote waren weniger als zwei Minuten nach dem Startschuss zum Ocean Race Europe vor Kiel beschädigt worden. Sie mussten in den Hafen zurück und kämpften mit ihren Teams und viel wertvoller Hilfe in Kiel wie auf der Werft Knierim Yachtbau um die schnellstmögliche Reparatur. Es war für beide Teams ein fordernder Wettlauf gegen die Zeit, denn schon eine Woche später sollte der Startschuss zur zweiten Etappe von Portsmouth nach Cartagena fallen.
Beiden am Crash beteiligten Teams gelang das Comeback rechtzeitig. Beide konnten die zweite Etappe beenden. Beide hatten zuvor Proteste zur Kollision eingereicht, über die die Internationale Jury nun entschieden hat. Vor der Anhörung waren auch die anderen am Ocean Race Europe teilnehmenden Teams befragt worden. Die Jury hatte die Teams aufgefordert, Stellungnahmen dazu abzugeben, welche Wiedergutmachung sie für angemessen halten.
Nun die Jury-Entscheidung: Team Holcim-PRB erhält die erhoffte Wiedergutmachung. Das Ergebnis von Holcim-PRB für die nicht bestrittene erste Etappe wird am Ende der fünf Etappen (und vor dem letzten Küstenrennen in Montenegro) der Durchschnittspunkzahl der in den Etappen 2 bis 5 ersegelten Ergebnisse entsprechen. Diese sich mit den kommenden Etappen verändernde Punktzahl wird erstmals nach Ende der dritten Etappe in Nizza in die Zwischenstände einfließen. Weiter entschied die Internationale Jury, dass gegen keines der beiden Teams (über die Aufgabe der Eröffnungsetappe hinaus) bestraft wird.
Nach der Jury-Entscheidung: Holcim-PRB “zufrieden”
„Wir sind mit der Entscheidung der Jury zufrieden, die es uns ermöglicht, Punkte für die erste Etappe zu erhalten, die die Leistung des Teams während des gesamten Rennens fair widerspiegeln. Dies war eine wichtige Entscheidung, da wir uns nun für den Rest des Events ganz auf das Segeln und das Erreichen der besten Leistung auf dem Wasser konzentrieren können”, zog Alan Roberts für Team Holcim-PRB nach der Anhörung Bilanz. Der Brite hatte sein Team in der Anhörung vertreten.
Für die entgangene Chance auf die Bonuspunkte am ersten Wertungstor der ersten Etappe erhält Team Holcim-PRB keine Entschädigung. Auch die verbliebenden, bei den frühen Wertungstoren jeder Etappe erzielbaren Bonuspunkte werden keinen Einfluss auf die Wiedergutmachung haben. Hier geht es zu den Zwischenständen im Ocean Race Europe.
Die abschließenden Gedanken von Alan Roberts zum Crash- und Protest-Fall: „Der gesamte Prozess war für uns und sicherlich auch für Allagrande Mapei Racing sehr schwierig. Wir sind froh, dass wir nun aus dem Juryraum herauskommen und wieder aufs Wasser zurückkehren können.“ Beide Segler erklärten, dass sie sich nun ganz auf die bevorstehenden Etappen konzentrieren wollen.
Allagrande Mapei Racing “respektiert” Entscheidung
„Die Jury hat entschieden, uns keine Wiedergutmachung zu gewähren. Wir respektieren ihre Entscheidung, auch wenn sie nicht das Ergebnis ist, das wir uns erhofft hatten. Das gehört zu unserem Sport, und wir akzeptieren es“, sagte Ambrogio Beccaria, Skipper von Allagrande Mapei Racing. „Das war eine schwierige Situation für beide Teams. Jetzt konzentrieren wir unsere Energie wieder auf das Rennen. Es liegen noch drei wichtige Etappen auf dem Weg nach Montenegro vor uns.“
Höchst aufmerksam haben auch die anderen Teams den Fall beobachtet. Team Malizias Etappenskipper Will Harris sagte am Sonntagabend nach der Entscheidung: “Es ist ein interessantes Thema. Natürlich sind wir daran interessiert, dass sie weniger Wiedergutmachung erhalten, weil wir auf dem Wasser Konkurrenten sind. Genauso aber wollen wir faires Racing. Ich denke, es gibt mehrere Aspekte. Ich würde nicht sagen, dass ich stark gegen die Wiedergutmachung bin.”
Es ist aber schon interessant, dass sie den Wert einer ganzen Etappe an Punkten bekommen. Das ist ziemlich viel.” Will Harris
Weiter erklärte der als Fairplayer bekannte Will Harris: “Ich denke das, weil keines der Crew-Mitglieder danach selbst nach Portsmouth gesegelt ist. Das haben sie ihrer Shore Crew überlassen. Sie sind dadurch besser ausgeruht als die anderen Crews. Ich glaube, das gibt ihnen einen kleinen Vorteil. Und ich glaube auch, dass wir alle Segler sind und gute Seemannschaft wichtig ist.”
Jede Kollision, die sich ereignet, hat immer mit schwacher Seemannschaft von beiden Seiten zu tun, weil eine Seite bei der Kollision nicht im Recht ist – in diesem Fall Mapei –, aber Holcim auch die Pflicht hatte, jegliche Kollision zu vermeiden.” Will Harris
An dieser Stelle geht Will Harris noch etwas weiter ins Detail: “Der Grund, weshalb sie diese Kollision nicht vermeiden konnten, ist, dass sie außer Kontrolle waren. Sie haben die Kontrolle über ihr Boot verloren, weil der Kiel auf die falsche Seite ging. Ich denke, dass sie sich selbst in diese Situation gebracht haben. Das ist der Grund, warum ich glaube, dass Wiedergutmachungspunkte im Wert einer ganzen Etappe in Höhe der Durchschnittspunktzahl aller Etappenergebnisse ziemlich viel ist.”
Aber es ist auch gut, dass sie im Rennen zurück sind und kämpfen können.” Will Harris
Die Anhörung der Jury hatte am Sonntagnachmittag um 15.30 Uhr Ortszeit in Cartagena begonnen, wo die Teams gerade am Ende der zweiten Etappe des Ocean Race Europe angekommen sind und es am Dienstag bereits weitergeht. Team Holcim-PRB holte Rang zwei, Allagrande Mapei Racing kam als viertes Boot ins Ziel.
Ocean Race Europe: mehr als die Hälfte der Punkte warten noch
Die Jury hatte für Sonntagnachmittag in Cartagena noch eine zweite Anhörung zu einem technischen Protest zwischen den Vermessern der Imoca-Klasse und Holcim PRB angesetzt, nachdem das Team selbst gemeldet hatte, dass es auf Etappe zwei versehentlich das Siegel an seinem Motor gebrochen hatte. In einem solchen Fall ist der Vermesser verpflichtet, den Vorfall vor die Jury zu bringen, die dann entscheidet, ob eine Strafe verhängt wird. Auch hier gab es keine Bestrafung.
Nach der wichtigen Protest-Entscheidung im Crash-Fall ist nun vor dem nächsten Rennen, in dem trotz der bisherigen “Biotherm”-Dominanz noch alles möglich ist. “Paprec Arkéa”-Skipper Yoann Richomme hat es in Cartagena auf den Punkt gebracht: “Wir spielen noch um mehr als die Hälfte der Punkte – 25 sind verteilt, aber 35 sind noch zu haben.”
Der Kieler Start ins Ocean Race Europe. Die Kollision hatte sich keine zwei Minuten danach ereignet: