Falk-Martin Drescher im Porträt

Stand: 24.08.2025 11:27 Uhr

In Braunschweig setzt sich ein ehrenamtlicher Verein für die unterschiedlichen Interessen im Ausgehviertel ein. Ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden Falk-Martin Drescher über Clubsterben, härter gewordene Auflagen und die „NIMBY“-Kultur.

Als ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft Friedrich-Wilhelm-Viertel e. V. – umgangssprachlich auch einfach Kultviertel genannt – setzt sich Falk-Martin Drescher gemeinsam mit mehr als 80 Mitgliedern für eine vielfältige Club-Kultur in Braunschweig ein. Der Verein möchte das Ausgehviertel nach vorne bringen und muss dafür viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen. Ein Gespräch mit dem Kulturmacher.

Wie groß ist das Thema Clubsterben in Braunschweig?

Falk-Martin Drescher: Das Clubsterben hält sich in Braunschweig tatsächlich noch in Grenzen. Trotzdem nehmen wir in den vergangenen Jahren wahr, dass sich das Nachtleben stark verändert hat. Man merkt, dass die Läden nicht mehr von Donnerstag bis Samstag so voll sind wie früher. Das hat Auswirkungen auf die Kalkulation der Clubbetreiber. Zum Beispiel welche DJs sie noch einsetzen können oder wieviele Sonderveranstaltungen sie organisieren.

Woran liegt das?

Drescher: Ich denke, das Ausgehverhalten hat sich einfach verändert und auch die Rahmenbedingungen für die Clubs haben sich verschärft. Die Kosten sind seit der Corona-Pandemie gestiegen. Die Auflagen werden härter, zum Beispiel was Brandschutz, Lärmschutz oder Fluchtwege betrifft. Ein Club musste beispielsweise schließen, weil ein Fluchtweg innen nicht mehr anerkannt wurde und man von außen eine weitere Fluchttreppe hätte anbauen müssen. Da kann man mal rechnen, wie viele Longdrinks man verkaufen muss, um eine Feuertreppe für 20.000 Euro zu refinanzieren. Da hat sich der Clubbetreiber dazu entschieden, den Laden zu schließen – und dann erlischt auch die Konzession.

Wir gehen dann davon aus, dass da nichts nachkommt, wenn ein Club erstmal schließt, weil es unfassbar schwer ist, für eine Neueröffnung die ganzen Auflagen zu erfüllen. Letztlich haben wir da die gleichen Herausforderungen, wie andere Städte auch. Braunschweig und Wolfsburg – das ist grundsätzlich eine sehr wohlhabende Region, aber der „Husten“ beim benachbarten Autobauer, der macht sich auch in den Konsumausgaben für Gastronomie, Kultur und Einzelhandel bemerkbar.

Was braucht es für den Erhalt der Clubkultur?

Tanzende Menschen in einem Club

Tanzen, feiern und Party machen – so wollen junge Menschen auch in Brausnschweig ihre Freizeit geniessen.

Drescher: Letztendlich entscheiden die Nutzerinnen und Nutzer durch ihr Konsumverhalten, ob es ihre Lieblingsläden in Zukunft noch gibt oder nicht. Wer die Läden nicht besucht, darf sich nicht beschweren, wenn es sie irgendwann nicht mehr gibt. Es geht aber auch darum, mal Dinge auszuhalten. Also ich verstehe es zum Beispiel nicht, wenn Menschen in eine Gegend mit vielen Cafés oder Clubs ziehen und sich dann beschweren, wenn es dort laut ist. Es ist auch ein Stück weit eine Debatte über Egoismus in der Stadtgesellschaft. Da spielt sicherlich auch die „NIMBY“-Kultur eine Rolle, das steht für „Not in my backyard“. Alle wollen etwa Windenergie und tolle Clubs, aber eben bitte nicht direkt bei mir vor der Haustür. Ein Teil der Lösung muss aber auch sein, ein bisschen mehr Mut an den Tag zu legen, was neue Ideen und Konzepte angeht und aus Bekanntem und Altbewährtem auszubrechen.

Was können andere Städte sich bei Euch abschauen?

Drescher: In unserem Quartiersverein vereinen wir sehr unterschiedliche Perspektiven: von den Anwohner*innen über die Ladenbetreiber*innen bis hin zu den Gastronom*innen. Wir haben über 80 Mitglieder, die sich für das Viertel interessieren und ehrenamtlich Quartiersarbeit betreiben. Das beinhaltet zum Beispiel auch Kommunikation nach außen, wenn ein neuer Laden aufmacht. Wir sagen auch gerne, dass wir immer versuchen, gemeinsam das „kleinste gemeinsame Vielfache“ zu finden. Denn bei uns im Kultviertel stoßen auf sehr kleinem Raum sehr viele Interessen aufeinander. Wenn die einen nachts schlafen und die anderen grölend durch die Straßen laufen wollen, bedingt das auch Nutzungskonflikte. Wir versuchen ein verbindendes Element zu sein und auf die Nachtkultur hinzuweisen. Denn Kultur: das ist nicht nur das Staatstheater, das Museum oder die Galerie, das ist eben auch Clubkultur.

Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen den Behörden, zur Polizei, zu Verbänden, zur Stadt und heben dabei auch immer wieder die speziellen Interessen des Ausgehviertels hervor. Wir versuchen auch immer wieder Aktionen im Viertel zu organisieren oder zu unterstützen und dafür möglichst viele Verbündete zu finden. Zum Beispiel haben wir die Einrichtung einer öffentlichen Toilette bekräftigt und sind auch im Dialog hinsichtlich der Nutzung des öffentlichen Raumes für Gastronomie und Veranstaltungen. Bei uns klappt außerdem der Zusammenhalt unter den Clubbetreibern besonders gut, also wenn einem mal das Crushed Ice ausgeht hilft auf jeden Fall ein anderer Club aus. Allgemein ist der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Viertel sehr groß – das macht das Kultviertel definitiv auch aus.

Welche Bedeutung hat die Clubkultur in deinen Augen?

Band spielt auf dem Dach eines Hauses in Braunschweig

„The Roof Is On“ ist ein Format der Kulturszene in Braunschweig.

Drescher: Ich glaube, für viele junge Menschen ist die Clubkultur der erste Berührungspunkt mit Kultur überhaupt. Wenn sie mit 18 Jahren anfangen in die Gastronomien und auf die Tanzflächen auszugehen. Ich glaube auch, dass die Clubkultur wichtig ist, wenn junge Menschen ihren Studienstandort auswählen. Da zählt eben nicht nur der Ruf der Universität oder Fachhochschule, sondern schlichtweg die Frage: Kann ich in der Stadt gut feiern gehen? Und: wenn Kommunen das Nachtleben für ihre Imagebroschüren nutzen, dann müssen sie andererseits eben auch aufrichtig etwas für jene Szene tun.

Mal ganz abgesehen davon geht es um viele sozialversicherungspflichtige Jobs, die da dran hängen. Dafür setzen wir uns auf jeden Fall auch ein, wenn man darüber redet, eine vitale Kultur haben zu wollen, dass man die Clubs dann ganz selbstverständlich mitdenkt. Die sind nämlich auch sehr wichtig für eine gute Stimmung in der Stadt. Und wenn es gar keine Clubs mehr gibt, dann treffen sich die Leute eben woanders – auf Parkplätzen, Grünanlagen oder anderswo. Also wenn die Städte coole Clubs haben wollen, um attraktiv zu sein, dann müssen sie auch etwas dafür tun. Das ist wesentlich.

Das Interview führte Anina Pommerenke.

Ein Plattenspieler. Im Hintergrund tanzende Menschen.

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