Es ist ein spezieller Mehrfrontenkrieg, den die Ukraine gegen russische Energielieferungen in einige EU-Staaten führt. Nach Osten hin wird er mit militärischer Gewalt ausgetragen – Ende vergangener Woche griffen ukrainische Drohnen zum dritten Mal binnen kurzer Zeit die russische Druschba-Pipeline an, über die trotz Russlands Krieg bislang weiter Rohöl in die Slowakei und nach Ungarn floss. Nach Westen, in Richtung der beiden EU-Staaten, wird mit Worten gekämpft, doch auch dort nahmen die Scharmützel an Heftigkeit zu.
Von Angriffen auf Ungarns Souveränität sprach Ungarns Außenminister Péter Szijjártó zuletzt und giftete in Richtung des ukrainischen Präsidenten: „Wir fordern Wolodymyr Selenskyj dringend auf, Ungarn nicht weiter zu bedrohen und aufzuhören, unsere Energiesicherheit zu riskieren.“
Der Streit um die Druschba tobt schon seit Jahren mehr oder weniger offen zwischen Kiew, Budapest und Bratislava (Pressburg). Das weit verzweigte Netz der Pipeline, die einst auf den Namen „Freundschaft“ (Druschba) getauft worden war, dient seit Sowjetzeiten dazu, Erdöl nach Mitteleuropa zu transportieren. Als Reaktion auf Russlands Vollinvasion in die Ukraine wurden die Lieferungen über den nördlichen Strang durch Polen nach Leuna und Schwedt sukzessive heruntergefahren. Deutschland bezieht seit 2023 gar kein Rohöl mehr aus Russland, allerdings wird die Druschba weiterhin genutzt, um Rohstoffe aus Kasachstan ins Land zu bringen.
Weiter zur Durchleitung des Öls verpflichtet?
Die Slowakei und Ungarn hatten sich innerhalb der EU allerdings immer gegen ein generelles Importverbot gestemmt und auf ihre geographisch bedingte Abhängigkeit von russischer Energie verwiesen. Diese Zwänge bilden allerdings nur einen Teil der Wahrheit ab, denn Ungarn und die Slowakei sind genau jene EU-Mitglieder, die weiterhin beste Beziehungen zum Kreml unterhalten und sich in Brüssel stets gegen jegliche Unterstützung für die Ukraine stemmen – zuletzt auch gegen den Plan der EU-Kommission, bis 2027 gar kein Öl mehr über Pipelines aus Russland zu kaufen.
F.A.Z.
Diesen Bezug hatte Selenskyj am Sonntag in aller Offenheit angesprochen: „Wir haben die Freundschaft zwischen der Ukraine und Ungarn immer unterstützt“, sagte der Präsident während einer Pressekonferenz zum ukrainischen Unabhängigkeitstag in Anspielung auf den Namen der Pipeline. Die Existenz der Druschba hänge aber „von Ungarns Position ab“, führte er weiter aus und ließ auch Ungarns Widerstand gegen einen EU-Beitritt der Ukraine nicht unerwähnt.
Kiew ist durch internationale Verträge zwar verpflichtet, trotz des Krieges russisches Öl quer durchs eigene Land zu leiten (auch wenn Selenskyj in der Vergangenheit mit dem Gedanken gespielt haben soll, die Pipeline auf ukrainischem Gebiet zu sprengen). Allerdings sieht man in Kiew das Völkerrecht auf seiner Seite, das es erlaubt, in einem bewaffneten Konflikt kriegsrelevante Infrastruktur auf gegnerischem Territorium anzugreifen – also auch eine Pipeline, die immense Einnahmen in die russische Kriegskasse spült. Der jüngste Angriff in der Nacht auf Freitag erfolgte an einer Pumpstation in Unetscha im westrussischen Gebiet Brjansk.
Orbán beschwert sich bei Trump über Kiew
Der ukrainische Außenminister Andryj Sybiha bekräftigte die Drohung seines Präsidenten auf der Plattform X: „Ungarns Energiesicherheit ist in Euren eigenen Händen“, schrieb er dort: „Diversifiziert und werdet unabhängig von Russland, wie der Rest Europas.“
Doch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat einen besonders mächtigen Freund: US-Präsident Donald Trump. Der hatte den ungarischen Ministerpräsidenten in einer Pressekonferenz kürzlich einen „sehr, sehr intelligenten Mann“ genannt und erkennen lassen, dass er Orbán in Fragen der Ukrainepolitik zu Rate ziehe. Schon in der vergangenen Woche, also vor dem dritten ukrainischen Angriff auf die Druschba, hatte sich Orbán in einem Brief an Trump gewandt. „Ungarn unterstützt die Ukraine mit Elektrizität und Treibstoff“, heißt es darin, im Gegenzug bombardiere Kiew eine Pipeline, die Ungarn unterstütze. „Sehr unfreundliches Verhalten.“
Am Wochenende veröffentlichte Orbáns Partei Fidesz auf Facebook Trumps Antwort: „Viktor“, heißt es da in Großbuchstaben, „ich höre das nicht gern – ich bin sehr wütend darüber.“
Doch wo genau der amerikanische Präsident steht, ist wie so oft nicht einfach festzustellen. In Kiew hatte man einer Aussage Trumps Beachtung geschenkt, die der am vergangenen Donnerstag auf seiner Plattform Truth Social veröffentlicht hatte. Dort schrieb der Präsident, es sei „sehr hart, wenn nicht unmöglich“, einen Krieg zu gewinnen, „ohne das Land des Invasors anzugreifen“. Trump garnierte seine Feststellung mit einer Beschimpfung seines Vorgängers: „Der korrupte und völlig inkompetente Joe Biden ließ die Ukraine nicht zurückschlagen, sondern nur verteidigen.“ Unter ihm selbst als Präsidenten wäre das nie passiert. Konkreter wurde Trump indes nicht. Er beließ es mit der Aussicht: „Es stehen interessante Zeiten bevor.“