Das Maskottchen der bayerischen Landeshauptstadt, das Münchner Kindl, tanzt in der Regel munter und gut gelaunt durch die Öffentlichkeit. Gehüllt in seine schwarz-gelbe Kutte und mit blondem, schulterlangem Haar, sitzt es bei Trachtenumzügen bierkrugschwenkend auf den Wägen oder weist in den U-Bahnen und Bussen darauf hin, wie man sicher und sauber durch die Landeshauptstadt rollt.

Wer in diesen Tagen aber am Isarufer entlangläuft, sieht überall ein weinendes Münchner Kindl. Eines, das leidet unter der Last olympischer Medaillen, erdrückt wird vom bösen Internationalen Olympischen Komitee (IOC). „Olympia erstickt München“, steht auf den pinkfarbenen Plakaten der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), die in der ganzen Stadt aufgestellt sind. Und darunter: „NÖlympia“.

Olympia-Gegner bei einer Demonstration auf dem Münchener Marienplatz © Leonie Asendorpf/​dpa

Übermacht der Olympia-Gegner

Die Olympia-Gegner drücken in München auf die Tränendrüse. Und mit ihrer NOlympia-Kampagne (die ÖDP ist Teil davon), haben sie die Führung übernommen im Rennen um die Münchner Olympiabewerbung – zumindest im Stadtbild. In zwei Monaten, am 26. Oktober, stimmen die Bürger bei einem Referendum darüber ab, ob die bayerische Landeshauptstadt gegen die nationalen Konkurrenten Berlin, Hamburg und die Region Rhein-Ruhr ins Rennen um die Olympischen Sommerspiele 2036, 2040 und 2044 geht.

Die Übermacht der Gegner in der öffentlichen Wahrnehmung der drittgrößten deutschen Stadt ist verwunderlich. Schließlich sind doch in der bayerischen (und der Münchner) Politik praktisch alle für die Bewerbung: Ministerpräsident Markus Söder, Oberbürgermeister Dieter Reiter, die Landtagsfraktionen von Freien Wählern und Grünen, auch die SPD.

Und auch in der Bevölkerung gibt es einen durchaus breiten Zuspruch zur Olympiabewerbung. Zweimal hat die Landeshauptstadt im vergangenen Jahr Stimmungsbilder erhoben. Im Winter 2024 waren 65 Prozent der Befragten (PDF) für eine Münchner Olympiabewerbung, im Frühling 2025 waren es 66 Prozent (PDF).

© Lea Dohle

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Die Zahlen hat die Stadt München selbst erheben lassen. Und ja, befragt wurden jeweils nur knapp unter 500 Menschen. Aber die Erhebungen sind die eindrücklichsten Daten, die zur Stimmung in München bisher vorliegen. Sie sprechen dafür, dass es wohl eher keine eindeutige Ablehnung gegenüber Olympia gibt. Sondern, im Gegenteil, durchaus Unterstützung für die Idee und Vorfreude auf ein internationales Sportereignis. 

Das wäre ein Geschenk für die Olympia-Befürworter. Ein Vorsprung, von dem sie gewillt sein müssten, ihn über die nächsten zwei Monate zu verteidigen – oder sogar auszubauen. Die Pro-Olympia-Fraktion könnte jetzt schon Stimmung machen, präsent sein in der Öffentlichkeit. Warum wirken Söder, Reiter und Co. nicht längst und stärker auf ihre potenziellen Wähler ein? 

Von prominenten Unterstützern keine Spur

Womöglich verlässt sich das Rathaus darauf, dass das „Ja“ zur Bewerbung ein Selbstläufer wird. Dominik Krause (B90/Die Grünen), Münchens Zweiter Bürgermeister und selbst Unterstützer der Bewerbung, sagte vergangene Woche der Süddeutschen Zeitung, der Oberbürgermeister Dieter Reiter verantworte die Kampagne seitens der Stadt. Wie die Kampagne aussehe und wann sie starte – alles in den Händen von Dieter Reiter. Dieser sei momentan allerdings … im Urlaub.

Ganz abgesehen davon, dass die Münchner Pro-Olympia-Fraktion über die Politik hinaus noch keine prominenten Unterstützer präsentiert hat (man könnte zum Beispiel ins Feld führen: Sportlerinnen oder Sportler), überlässt sie das öffentliche Feld bisher auch kampflos der Gegenseite. Das könnte sich rächen.

Denn ganz unabhängig davon, auf welcher Seite der Ja-oder-Nein-zu-Olympia-Debatte man steht oder was man von den Pro- und Contra-Argumenten hält: Wenn die vergangenen deutschen Olympiabemühungen eines gezeigt haben, dann dass die Referenden knapp sind – und nicht besonders viele Menschen abstimmen.

Als Hamburg sich im Jahr 2015 um die Sommerspiele 2024 bewarb, stimmten
51,6 Prozent der Abstimmenden dagegen. Die Wahlbeteiligung lag damals bei 50,2 Prozent. Als München 2013 seine Bürgerinnen und Bürger wegen der Winterspiele 2022 befragte, stimmten noch weniger Leute ab, gerade mal 28,9 Prozent. Am Ende waren 52,1 Prozent der Menschen, die eine Stimme abgaben, dagegen.

Das bedeutet, dass selbst die Mobilmachung von
verhältnismäßig wenigen Menschen großen Einfluss auf das Endergebnis
haben kann. Bei Wahlresultaten, die zuletzt immer knapp an der 50-Prozent-Marke lagen, heißt das: Wer besser mobilisiert, gewinnt. 

Und wer mobilisiert? Wer sichtbar, laut und präsent ist. In München sind das – bisher – nur die Olympia-Gegner.