Kiel. Der Kettenunfall in der Kieler Waschstraße Palace Car Wash vor drei Monaten beschäftigt nun die Staatsanwaltschaft Kiel. Sie ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung gegen den Unfallverursacher, wie Oberstaatsanwalt Michael Bimler mitteilte.
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Wie berichtet, war bei dem Unfall der Autowäscher Ferhat Akkus (36) von einem E-Volvo getroffen und schwer am Kopf verletzt worden. Nach seiner Hirnoperation und der anschließenden Reha in Damp leidet er immer noch unter Kopfschmerzen, Gedächtnis- und Gleichgewichtsstörungen. „Ich habe auch Albträume und wache nachts manchmal schweißgebadet auf“, berichtet er. Mit einer heftigen Panikattacke sei er ins Krankenhaus gefahren worden, er befürchtete eine erneute Hirnblutung, aber die Ärzte konnten ihn beruhigen.
Autowäscher Akkus darf noch nicht arbeiten und nicht Auto fahren
„Ich kann immer noch nicht wieder arbeiten, darf nicht Auto fahren und bin ständig in Therapien“, beschreibt Ferhat Akkus seinen Alltag. Seine Mutter leidet mit ihm. Bei der Frage, wie sich ihr Sohn seit dem Unfall verändert habe, kommen ihr die Tränen. Er sei nicht mehr derselbe. „Er ist nicht fröhlich wie sonst und hat keine Energie mehr“, sagt sie mit stockender Stimme.
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Nach dem Unfall hatte die Polizei versucht zu klären, warum der 84 Jahre alte Fahrer des Volvos gegen einen vor ihm stehenden VW fuhr. In der Halle der Waschstraße in der Eckernförder Straße beschleunigte das Elektro-Fahrzeug plötzlich aus dem Stand und stieß gegen einen weißen VW-Bus. Autowäscher Akkus, der gerade mit dem Absprühen der Autos beschäftigt war, stand seitlich zwischen den Fahrzeugen und wurde zu Boden gerissen. Die Szene ist auf einem Überwachungsvideo deutlich erkennbar. Durch die Wucht des Aufpralls schob sich der VW in vier weitere Fahrzeuge. Insgesamt wurden laut Polizei sechs Autos beschädigt.
Kommt es zur Anklage? Wenn ja, droht dem Volvo-Fahrer Geld- oder sogar Haftstrafe
Der 84-jährige Volvo-Fahrer, der das E-Auto gerade neu hatte, wies in dieser Zeitung alle Vorwürfe zurück. Er sagte, er wisse nicht, warum sein Fahrzeug plötzlich beschleunigte. Und sprach von einem schicksalhaften Ereignis. Sein Anwalt habe Akteneinsicht gefordert, sich aber gegenüber der Staatsanwaltschaft noch nicht geäußert, berichtet Bimler. Sollte es zur Anklage kommen, wird der Fall vor dem Amtsgericht verhandelt und könnte für den Beschuldigten mit einer Geldstrafe enden oder sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
„Der Unfallverursacher hat sich bei mir bis heute nicht gemeldet“, ist Akkus fassungslos. Er habe ihm auch sonst keine Genesungswünsche übermittelt. Der Verletzte bekam nach dem Zeitungsbericht aber von anderen Seiten viel Zuspruch. Der Waschstraßenchef Dirk Lorenz hatte eine Sammelbox aufgestellt, Kunden spendeten für Akkus. Mit einem mulmigen Gefühl kam Akkus an den Unfallort zurück und holte sich die 350 Euro ab. Ob er jemals wieder als Autowäscher arbeitet, bezweifelt er allerdings.
Autowäscher arbeitet hauptberuflich als Koch in der Fischküche Laboe
Im Hauptberuf ist Akkus Koch in der Fischküche Laboe. Dort machen sich seine Kollegen Sorgen um ihn: „Er soll sich für die Genesung alle Zeit nehmen, die er braucht“, sagte der Geschäftsführer des Restaurants, Agron Salihu. Das ganze Team stehe hinter ihm. „Dennoch fehlt er als fleißige und kompetente Kraft“, betont Chefin Swantje Salihu. „Auch wir als Hauptarbeitgeber haben einen finanziellen Schaden durch den Unfall.“
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Der belaufe sich auf eine Summe zwischen 10.000 und 20.000 Euro, denn zur sechswöchigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall müsse seine Arbeitskraft in der Hauptsaison kompensiert werden. Zurzeit leisten die anderen elf Köche der Fischküche Überstunden, denn ein neuer Koch sei auf dem Arbeitsmarkt quasi nicht zu bekommen, berichtet Agron Salihu. Die Schadensforderungen der Fischküche gegen die Versicherung des Unfallverursachers seien abgelehnt worden. Daher wollen die Salihus gegen die Versicherung klagen.
Neben dem Strafprozess kommt es in der Folge des Unfalls damit voraussichtlich auch zu zivilrechtlichen Verfahren. Auch Akkus will Klage erheben. Denn nach seinen Worten hat die Versicherung des Unfallverursachers bisher nicht auf die Schmerzensgeldforderung reagiert.
Der Fahrer des VW-Busses hat ebenfalls Probleme mit dem Versicherer. Der Volvo rammte das Familienfahrzeug so heftig, dass es einen Totalschaden erlitt. „Zum Glück saß mein Mann allein und nicht mit unseren beiden kleinen Kindern in dem Bus“, meint die Ehefrau des Fahrers. Der Volvo habe den VW-Bus etwa zehn Meter vor sich hergeschoben. Zwar wurde er direkt nach dem Unfall auch ins Krankenhaus gebracht, blieb aber unverletzt.
Laut Gutachten beträgt der Wiederbeschaffungswert des Busses 17.700 Euro, wie die Besitzerin berichtet. Dennoch habe die Versicherung des Unfallverursachers nur 11.700 Euro überwiesen. „Insgesamt zahlte die Versicherung knapp 7000 Euro zu wenig“, sagt sie. Denn auch die Kindersitze wurden nicht erstattet und die Kompensation für Tage ohne Auto nicht gezahlt. Nun will das Ehepaar ebenfalls Klage erheben.
KN