„Wir werden eine Ukraine schaffen, die genügend Kraft und Potenz hat, um in Sicherheit und Frieden zu leben“, versprach Selenskyj in seiner auf Telegram verbreiteten Ansprache. Und weiter: „Die Ukraine hat noch nicht vollständig gewonnen, aber sie wird sicherlich nicht verlieren.“
Auf dem Video ist er vor dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew zu sehen. Die mächtige Freiheitsstatue auf dem Maidan-Platz sei auch ein Symbol für die Unzerstörbarkeit der Ukraine, die dem Angriffskrieg Russlands seit dreieinhalb Jahren standgehalten habe, betonte er in dem Video.
Die Ukraine hatte am 24. August 1991 im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion ihre Unabhängigkeit erklärt. Am 24. Februar 2022 und damit ein halbes Jahr vor dem Unabhängigkeitstag begann Russland seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland.
AP/The Canadian Press/Sean Kilpatrick
Freiheitsstatue auf dem Maidan-Platz ist laut Selenskyj ein Symbol für die Unzerstörbarkeit der Ukraine
Selenskyj: Bereit, für Freiheit zu kämpfen
Der Krieg habe zu einem neuen Selbstwertgefühl der Ukrainer geführt, die sich nicht mehr auf den guten Willen anderer verließen, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand nähmen und bereit seien, für ihre Freiheit zu kämpfen, sagte der ukrainische Präsident.
Er erinnerte an die täglichen Luftschläge Russlands gegen zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen in der Ukraine. Die Ukraine antworte darauf mit Angriffen gegen Treibstoffdepots, aber auch Militärflugplätze tief in Russland. Das könne ihr niemand verbieten. Zu diesen Worten wurden die Bilder der vom ukrainischen Geheimdienst organisierten Drohnenattacke auf Flugzeuge der strategischen Bomberflotte Russlands Anfang Juli präsentiert.
Diese Passage in der Rede Selenskyjs kann auch als Antwort auf einen Medienbericht über ein US-Verbot für den Einsatz weitreichender Waffen gedeutet werden. So hatte das „Wall Street Journal“ am Vortag unter Berufung auf US-Beamte berichtet, das Pentagon blockiere seit Monaten den Einsatz von Raketen mit größerer Reichweite durch die Ukraine für Angriffe auf Ziele in Russland.
Kleine Geländegewinne vermeldet
Am Sonntag verkündeten die ukrainischen Streitkräfte auch erneut Geländegewinne im Donbass. Zunächst berichtete Armeechef Olexandr Syrskyj, dass in der Region Donezk drei von russischen Einheiten besetzte Ortschaften zurückerobert worden seien. Später meldete der ukrainische Militärgeheimdienst HUR die Rückeroberung der Ortschaft. Nowomychajlowka.
Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden. Die ukrainischen Streitkräfte haben in den vergangenen Tagen mehrere kleine Geländegewinne im Südosten des Landes erzielt. Bis dahin waren stets russische Truppen auf dem Vormarsch. Größter Brennpunkt bleibt die Umgebung der inzwischen zerstörten Stadt Pokrowsk. „Dort ist die Lage am schwierigsten“, sagte Syrskyj.
Kellogg und Carney in Kiew
Selenskyj empfing zudem den US-Sondergesandten Keith Kellogg in Kiew und überreichte ihm den Verdienstorden erster Klasse. Kellogg gilt als derjenige Politiker in der US-Regierung, der am meisten mit Kiew im Abwehrkampf gegen die russische Invasion sympathisiert. Daneben reiste auch Kanadas Premierminister Mark Carney nach Kiew. Kanada gehört der „Koalition der Willigen“ an, die sich an Sicherheitsgarantien für die Ukraine für die Zeit nach einem möglichen Friedensabkommen beteiligen will.
Der Stabschef des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, Andrij Jermak schrieb dazu auf Telegram: „An diesem besonderen Tag – dem Unabhängigkeitstag der Ukraine – ist es für uns besonders wichtig, die Unterstützung unserer Freunde zu spüren.“ Und Kanada sei der Ukraine immer zur Seite gestanden.
Brief von Trump an Selenskyj
Laut einem Bericht von CNN übermittelte auch der US-Präsident Donald Trump einen Brief an Selenskyj. In dem Brief habe Trump geschrieben: „Das ukrainische Volk hat einen unzerbrechlichen Geist, und der Mut Ihres Landes inspiriert viele. An diesem wichtigen Tag möchten wir Ihnen versichern, dass die Vereinigten Staaten Ihren Kampf respektieren, Ihre Opfer würdigen und an Ihre Zukunft als unabhängige Nation glauben.“
Und weiter: „Jetzt ist es an der Zeit, dem sinnlosen Töten ein Ende zu setzen. Die Vereinigten Staaten unterstützen eine Verhandlungslösung, die zu einem dauerhaften, nachhaltigen Frieden führt, der das Blutvergießen beendet und die Souveränität und Würde der Ukraine schützt.“
AP/Nicolas Tucat
Europa stehe der Ukraine zur Seite, „solange es nötig ist“, so Ursula von der Leyen
„Eine freie Ukraine bedeutet ein freies Europa“
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterstrich zum Unabhängigkeitstag unterdessen die Bedeutung des Abwehrkampfes der Ukraine für die Sicherheit Europas. „Wir stehen Ihnen zur Seite, solange es nötig ist. Denn eine freie Ukraine bedeutet ein freies Europa“, teilte von der Leyen dazu mit.
Auch Österreich werde weiterhin an der Seite der Ukraine stehen, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der zum Unabhängigkeitstag weiter mitteilte: „Wir unterstützen einen echten Friedensprozess, der einen umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden für Ihr Land bringt, sowie eine freie, erfolgreiche und sichere Zukunft in Europa.“
Das Außenministerium betonte ebenso, Österreich stehe „solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine. Dazu gehört auch die fortgesetzte Unterstützung in Bereichen wie der humanitären Minenräumung“, schrieb das Außenministerium auf der Plattform X. „Lassen Sie uns die aktuelle Dynamik nutzen, um den Krieg zu beenden und eine umfassende, gerechte und dauerhafte Lösung zu erreichen.“
Papst rief zu Frieden auf
Papst Leo XIV. äußerte in einem am Sonntag veröffentlichten Brief an Selenskyj den Wunsch, dass es bald zu Frieden im Land komme. Er bitte Gott darum, „jene zu trösten, die unter den Folgen des Konflikts leiden, den Verwundeten Kraft zu schenken und den Verstorbenen die ewige Ruhe zu gewähren“, schrieb der Papst.
Reuters/Sofiia Gatilova
Angesichts anhaltender Kämpfe und verhärteter diplomatischer Fronten scheint der Frieden noch in weiter Ferne
Vorwürfe aus Russland
Doch auch nach mehr als drei Jahren sind die Perspektiven für einen schnellen Frieden trübe, die Hoffnungen auf ein von Trump in Aussicht gestelltes baldiges Treffen von Selenskyj und Kreml-Chef Wladimir Putin gedämpft. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte erklärt, dass solch ein Treffen gut vorbereitet sein müsse, und wiederholte bekannte Forderungen, die Fachleute eher als Bedingungen für eine Kapitulation der Ukraine als ein echtes Friedensangebot sehen.
Lawrow warf den westlichen Verbündeten der Ukraine unterdessen am Sonntag vor, Friedensgespräche zur Beendigung des Konfliktes zu verhindern. „Sie suchen nur nach einem Vorwand, um Verhandlungen zu blockieren“, sagte Lawrow in einem im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Interview mit dem staatlichen TV-Sender Rossija.