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Zwei Hände schreiben mit einem Füllfederhalter an einer jüdischen Thora-RolleEine Thora, das Herzstück des Judentums, werde öffentlich geschrieben, für alle sichtbar, in der Mitte der Stadt. „Wir laden ein, zuzuschauen, zu fragen und zu lernen.“ © Liesa Johannssen/KNA

Ein seltenes Ritual wird sichtbar: In Dresden entsteht eine Thora im Schaufenster. Bis sie fertig ist, dauert es Monate.

Dresden (KNA) Die Jüdische Kultusgemeinde in Dresden lässt sich eine Thora-Rolle schreiben – und alle können dabei zuschauen. Die ersten Buchstaben setzten Rabbiner Akiva Weingarten und Yehoshua Diaz, ein speziell geschulter Schreiber (Sofer), am Donnerstag im Dresdner Rathaus auf das Pergamentband. In den nächsten etwa 18 Monaten schreibt der Sofer mit Tinte und Gänsefeder in einem Pavillon vor dem Stadtmuseum. Durch ein Schaufenster kann man ihn beobachten.

Normalerweise ziehen sich Thora-Schreiber zurück in einen stillen Raum, weil ihnen diese streng geregelte rituelle Zeremonie Präzision und tiefe geistige Konzentration abverlangt. In Dresden beginne jedoch etwas ganz Besonderes, erklärte Rabbiner Weingarten. Eine Thora, das Herzstück des Judentums, werde öffentlich geschrieben, für alle sichtbar, in der Mitte der Stadt. „Wir laden ein, zuzuschauen, zu fragen und zu lernen.“ Zu diesem öffentlichen Bildungsprogramm gehörten auch Live-Übertragung im Internet, Führungen und Gespräche.

Verschiedene Seiten des Judentums

Begleitend sind Ausstellungen, Vorträge und Workshops geplant, wie Kai Lautenschläger, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Dresden, ankündigte. Gezeigt würden damit verschiedene Seiten gelebten Judentums: neben religiösen Traditionen auch Teilhabe an Kultur und Politik. Menschen könnten so jüdisches Leben von heute kennenlernen. Das könne helfen, Vorurteile abzubauen und sorge für Anerkennung. Außerdem binde es die Rolle der Kultusgemeinde noch mehr in die Stadtgesellschaft ein. Gefördert wird das Projekt unter anderen von der Stadt, einer Stiftung und der Technischen Universität Dresden.

Dave Panetti, Vizekonsul der USA in Leipzig, bezeichnete das Thora-Projekt als starkes Zeichen für Dialog. In der Öffentlichkeit zeige es, wie eine alte Tradition auf kreative Weise mit der Moderne verbunden werden könne. Das schaffe Verständnis füreinander. Die Thora als heilige Schrift der Juden umfasst die fünf Bücher Mose. Das Pergament ist auf zwei Holzrollen gewickelt. Während des Gottesdienstes am jüdischen Ruhetag Schabbat wird sie auf einem erhöhten Tisch (Bima) entrollt und ein Abschnitt daraus gelesen.

Artikel der KNA

Dieser Beitrag stammt von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)

Kleinste jüdische Gemeinde in Dresden

Die Kultusgemeinde, 2021 von Rabbiner Akiva Weingarten gegründet, ist die kleinste und jüngste von drei Jüdischen Gemeinden in Dresden. Sie bezeichnet sich als egalitäre, liberal-chassidische Gemeinde. Die größte und älteste ist die Jüdische Gemeinde zu Dresden mit rund 700 Mitgliedern. Daneben gibt es eine orthodoxe von der Gruppierung Chabad Lubawitsch. (von Tomas Gärtner)