Berlin – Deutschland diskutiert wieder über Kirchenasyl – ausgelöst durch einen brisanten Fall in der Hauptstadt: Der zum Christentum übergetretene Afghane Morteza H. (26) wurde vor wenigen Tagen direkt vor einer Kirche festgenommen und nach Schweden abgeschoben. Dort droht ihm die Weiterabschiebung an den Hindukusch.

Pastor Gottfried Martens (62) kennt den Mann gut. Er leitet das evangelisch-lutherische Kirchenasyl in Berlin-Steglitz und hat mehr als 1000 Muslime aus Afghanistan und dem Iran getauft.

Pastor Gottfried Martens kümmert sich um die Missionierung von Muslimen. Fromm empfangen die jungen Männer Sündenvergebung und Segen. Bei der Abendmesse am Freitag beteten 50 Afghanen und Iraner zum christlichen Gott

Pastor Gottfried Martens kümmert sich um die Missionierung von Muslimen. 50 Afghanen und Iraner nehmen an seiner Abendmesse teil, er predigt auch auf Persisch

Foto: Charles Yunck

Sie nennen ihn „Johannes, der Täufer“

Beim Bundesamt für Migration nennen sie ihn „Johannes, den Täufer“. Martens: „Den Spitznamen hatte ich schon in Zehlendorf, weil ich damals 400 Russlanddeutsche getauft habe.“ Er prüft streng: „Wer mich nicht überzeugen kann, der wird auch nicht getauft.“

Mehr als 90 Prozent der Anfragen auf Kirchenasyl lehnt Martens ab. „Nur wer Christ ist und in Afghanistan mit dem Tod bedroht wird, darf bei uns bleiben.“ Wer nur eine Taufurkunde will, geht leer aus. Sprüche wie „Ich habe eine Tante in Gelsenkirchen“ lässt Martens nicht gelten. „Das wäre ein Missbrauch des Kirchenasyls.“

Nach dem Abendgottesdienst sprach Martens mit BILD-Chefreporter Nikolaus Harbusch über Kirchenasyl.  Danach zeigte er das Heim unterhalb der Kirche und stellte seine Dublin-Flüchtlinge vor.

Nach dem Abendgottesdienst sprach Martens mit BILD-Chefreporter Nikolaus Harbusch. Danach zeigte er das Heim unterhalb der Kirche, stellte die zum Christentum konvertierten Flüchtlinge vor

Foto: Charles Yunck

Selbst bei mündlichen Prüfungen scheitern rund 30 Prozent. Zusätzlich gibt es Alkohol- und Drogentests. Martens ärgert sich über lockere Gemeinden: „Da müssen die nur einmal Halleluja rufen, und schon haben sie Wasser über dem Kopf.“

Seine Linie ist klar: „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, Mission unter Muslimen zu betreiben.“ Da unterscheidet sich der fromme Lutheraner deutlich von der Amtskirche.

Mehr zum Thema„Wir haben hier die Taliban in Berlin“

Pastor Gottfried Martens richtet einen eindringlichen Appell an die Politik: Hört den afghanischen Flüchtlingen zu! Denn diese hätten oft schlimme Erfahrungen mit Extremisten gemacht und wüssten, wovon sie sprechen: „Sie warnen uns vor der Gefahr des Islam.“

Viele Muslime, besonders Sunniten, hätten das Denken der Taliban übernommen. „Sie hassen Christen, Juden und Schiiten.“

Martens ist kein Gegner von Abschiebungen. Dass bestimmte afghanische Gruppen wie die Paschtunen nicht abgeschoben werden, kann er nicht nachvollziehen. „Der Großteil der Paschtunen denke wie die Taliban. Wir haben hier die Taliban bei uns in Berlin.“ Immer wieder würden sie christliche Afghanen in Unterkünften bedrohen. „Ich wüsste nicht, warum ich da kämpfen sollte, dass sie in Deutschland bleiben.“ Martens sagt: „Deutschland schiebt die Falschen ab.“

Abschiebung bedeutet „sicheren Tod“

Was Martens besonders ärgert: Die Asylanträge seiner getauften Schützlinge werden abgelehnt – mit fragwürdiger Begründung. Mal sei die „Sehnsucht nach den Sakramenten“ angeblich zu formelhaft, mal seien Berichte über Kindervergewaltigungen durch Mullahs „zu drastisch“.

Um Morteza H. macht er sich große Sorgen. Er fürchtet: Wird er in seine von den Taliban kontrollierte Heimat abgeschoben, droht ihm wegen seines Glaubenswechsels „der sichere Tod“.

Große Sorgen machen sich Amir O. und Reza R. um ihren Freund Morteza H. (Handy). Der wurde letzte Woche nach Stockholm abgeschoben.

Schützlinge von Pastor Martens: Amir O. und Reza R. machen sich große Sorgen um ihren Freund Morteza H., der vor wenigen Tagen nach Stockholm abgeschoben wurde

Foto: Charles Yunck

Was ist Kirchenasyl?

Kirchenasyl bedeutet die vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingen durch eine Kirchengemeinde. Im Falle einer Abschiebung muss eine Gefahr für Leib und Leben bestehen. Es bezweckt grundsätzlich eine staatliche Überprüfung des asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahrens.

2024 wurden 2386 Fälle von Kirchenasyl in Deutschland gemeldet – gut 300 Fälle mehr als im Vorjahr. Meistens wurden „Dublin-Fälle“ über die Halbjahresfrist verzögert und konnten so nicht an das zuständige europäische Land abgegeben werden. Dann fiel die Zuständigkeit an Deutschland.