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Deutsche Start-ups testen revolutionäres Drohnen-System in der Ukraine. Von Aufklärung bis Angriff in wenigen Minuten. Ethik-Experten warnen vor den Folgen.

Berlin – Das Berliner Rüstungsunternehmen Stark hat gemeinsam mit dem bayerischen Unternehmen Quantum Systems ein wegweisendes deutsches System entwickelt, das Aufklärungs- und Kampfdrohnen direkt miteinander vernetzt. Laut Informationen des Tagesspiegel wurde die neue Technologie bereits an der Front in der Ukraine erprobt und soll die Zeit zwischen Erkennung und Bekämpfung eines Ziels von Stunden auf Minuten reduzieren.

Berliner Unternehmen revolutioniert Kriegsführung: So funktioniert das Recce-Strike-System

Die Funktionsweise des Systems ist hocheffizient: Erkennt die Aufklärungsdrohne Vector von Quantum Systems ein Ziel, beispielsweise einen gegnerischen Kampfpanzer, kann die bewaffnete Drohne Virtus von Stark dieses Ziel unmittelbar bekämpfen. Beide Systeme greifen auf dieselben Daten zu und werden über eine gemeinsame Plattform gesteuert, berichtet der Tagesspiegel.

Die Kampfdrohne Virtus gehört zur sogenannten Loitering Munition – Drohnen, die mit einer Sprengladung im Kampfgebiet kreisen, um sich dann ins Ziel zu stürzen. Eine Kriegsstrategie, die bereits seit einigen Monaten beim aktuellen Ukraine-Konflikt täglich zum Einsatz kommt. Diese Verbindung von Aufklärung und Schlag wird im Militär als „Recce-Strike“ bezeichnet.

„Die Möglichkeit, innerhalb von Minuten aufzuklären und wirken zu können, kann den Ausgang eines Kampfes entscheiden“, sagte Oleksandr Berezhny, Geschäftsführer Quantum Systems in der Ukraine, gegenüber dem Tagesspiegel. „Für die Ukraine ist der Recce-Strike nicht nur Theorie, er bewährt sich bereits im Gefecht“, so Berezhny weiter. Laut Aeronaut Media fand die Demonstration in der ukrainischen Region Saporischschja statt. Die Unternehmen veröffentlichten ein Video des Tests, in dem die Vector-Drohne ein Ziel erkannte und identifizierte, das anschließend schnell durch das Virtus-System zerstört wurde.

Ein bemannter Kampfjet wird von Drohnen flankiert.Die Vision des Future Combat Air System: Ein bemannter Kampfjet wird von Drohnen flankiert. © IMAGO / DepositphotosEuropa rüstet massiv auf: Deutsche Technologie trifft auf militärische Realität

Johannes Schaback, Mitgründer und Technikchef von Stark, erklärt gegenüberTagesspiegel: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat klar gezeigt, wie entscheidend es ist, die Lücke zwischen Aufklärung und Wirkung zu schließen. Die Systeme beider Firmen wurden mit und für moderne Streitkräfte entwickelt.“ Statt auf verschiedene Softwareplattformen zurückzugreifen, werden beide Systeme über eine gemeinsame Oberfläche gesteuert – von einem Team. Dadurch lassen sich Aufklärung, Zielerfassung, Wirkung und Schadensbewertung innerhalb weniger Minuten abwickeln.

Die Recce-Strike-Lösung von Stark und Quantum Systems sei fertig entwickelt und bereits in der Ukraine unter Gefechtsbedingungen getestet worden, sagte eine Stark-Sprecherin dem Tagesspiegel: „Wir können ab morgen liefern.“ Dazu müsste das Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAAINBw) allerdings erst bestellen. Der Ukrainekrieg hat die Drohnenentwicklung extrem beschleunigt. Beide Konfliktparteien entwickeln ihre Waffensysteme ständig weiter und gehen dabei zum Teil hohe Risiken ein. Westliche Militärs tun sich schwer, mitzuhalten. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut des Royal United Services Institute sind ukrainische taktische Drohnen für etwa zwei Drittel der russischen Verluste verantwortlich, wie Forbes berichtet. Die Drohnenattacken der ukrainischen Streitkräfte sind damit doppelt so effektiv wie alle anderen Waffensysteme zusammen – wie auch die kürzlich durchgeführte Spezial-Operation „Spider-Web“, bei der mithilfe von 117 Drohnen mehr als 41 strategische russische Bomber zerstört wurden, zeigt.

Future Combat Air System als Zukunftsvision: KI und autonome Waffensysteme als Unterstützung

Das deutsche System fügt sich in größere europäische Entwicklungen ein. Mit dem im März 2025 vorgestellten „ReArm Europe Plan“ will die EU-Kommission mittels einer eigens gegründeten Bank – die Defence, Security and Resilience Bank (DSRB) – insgesamt 800 Milliarden Euro für Verteidigungsinvestitionen mobilisieren. Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und Spanien arbeiten am Future Combat Air System (FCAS) – einem laut Bundeswehr vollständig vernetzten Luftkampfsystem der sechsten Generation. Ab etwa 2040 soll FCAS bei der deutschen Luftwaffe den Eurofighter Typhoon ablösen. Das FCAS-Konzept basiert auf einem bemannten Kampfjet, der von Drohnenschwärmen flankiert und über eine digitale „Combat Cloud“ vernetzt wird. Laut Bundeswehr handelt es sich um ein „System-of-Systems“, das verschiedene bemannte und unbemannte Plattformen miteinander verbindet.

Ein zentraler Aspekt der Entwicklung ist die Schwarmintelligenz von Drohnen. Je größer der Schwarm, desto autonomer ist er unterwegs – ein Prinzip, das sowohl militärische Vorteile als auch ethische Bedenken aufwirft. Die sogenannten „Remote Carrier“ sollen in Echtzeit mit bemannten Kampfjets kommunizieren und Missionen übernehmen. Airbus präsentierte bereits ein erstes Modell auf der ILA: den „Wingman“. Mit 16 Metern Spannweite erreicht die Drohne die Größe eines Eurofighters und soll ähnlich bewaffnet werden. Der Wingman fliegt autonom, kommuniziert mit dem Piloten – und kann bei Bedarf geopfert werden.

Während die militärischen Vorteile offensichtlich sind, warnen Ethik-Experten vor den Folgen bei Verlust von Moral und Skrupel. Die Entwicklung autonomer Waffensysteme wirft fundamentale Fragen auf: Wer trägt die Verantwortung, wenn eine Maschine eigenständig über Leben und Tod entscheidet? Ein Artikel des evangelischen Sonntagsblatt kritisierte bereits 2024 den mangelnden Diskus in der Gesellschaft. Demnach sei die ethische Debatte über bewaffnete Drohnen und autonome Waffensysteme weitgehend verstummt, obwohl diese Systeme heute allgegenwärtig sind. Manche der in der Ukraine eingesetzten bewaffneten Drohnentypen suchen ihre Ziele bereits ohne menschliches Zutun. Das deutsche Drohnensystem steht daher exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen technologischer Souveränität und ethischen Grundsätzen. In der Bundeswehr gilt derzeit noch: Keine Künstliche Intelligenz darf eigenständig über Leben und Tod entscheiden. Doch die Realität des Ukraine-Kriegs zeigt, dass diese Grenzen zunehmend verschwimmen. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie schnell sich die Kriegsführung durch KI-gesteuerte Systeme fundamental verändern wird. (ls)