Wer gehört dazu? Darüber bestimmen Aufenthaltsgenehmigungen, Visa und Gesetze. Wer fühlt sich zugehörig: zu einer bestimmten Gemeinschaft etwa oder zu einer Stadt? Das ist eine zentrale Frage der Ausstellung im WKV. Oftmals werden Menschen als zugehörig zu bestimmten Herkunfts- oder Religionsgemeinschaften beschrieben. Aber Zugehörigkeit lässt sich auch ganz anders definieren: unabhängig von Herkunft und Religion als Verbundenheit mit einer Nachbarschaft.

Nejad und Fitui beschlossen, der Geschichte der Migration nachzugehen, ausgehend von einzelnen Quartieren in Stuttgart. Nejad gab ein Seminar am Institut für Städtebau. „Obwohl Stuttgart eine für die Stadt bedeutende Einwanderungsgeschichte auszeichnet“, hieß es in der Ankündigung, „steht die Auseinandersetzung damit, wie Migration die Stadt prägt und geprägt hat, noch in den Anfängen.“ Die Studierenden erarbeiteten Dossiers zu einzelnen Orten, die nun in der Ausstellung auf einem Tisch ausliegen.

Starre Zuschreibungen überwinden

Sie wollten zum Beispiel herausfinden, wie sich seit der Eröffnung des türkischen Konsulats am Kernerplatz 1978 das Quartier verändert hat. Wo es keine schriftlichen Unterlagen gab, befragten sie Zeitzeugen und zogen Adressbücher zu Rate. Damals entstanden viele kleine Büros und Läden: Übersetzungs- und Reisebüros, Anwaltskanzleien, bis hin zu Einzelhandel und Restaurants, die das Viertel bis heute prägen.

An der Mauserstraße in Stuttgart-Feuerbach, auf der vom Ortszentrum abgewandten Seite der Bahngleise, hat sich eine Art Parallelgesellschaft entwickelt, geprägt von der größten Moschee des Verbands Ditib und einer türkischen Großbäckerei. Der Besitzer verdient richtig viel Geld, erklärt Nejad. Er könnte sich auch Räume im Stadtzentrum leisten. Aber keiner will an ihn vermieten. So ist die Entstehung des sehr stark türkisch geprägten Viertels letztlich auf Ausgrenzung seitens der Mehrheitsgesellschaft zurückzuführen.

Zwischen den Studierendenarbeiten liegen in der Ausstellung Bücher aus, Titel wie: „Wozu Rassismus?“, „Das Integrationsparadox“ oder „Die postmigrantische Gesellschaft: Ein Versprechen der pluralen Demokratie“. Der Begriff postmigrantisch, geprägt durch das postmigrantische Theater der Berliner Intendantin Şermin Langhoff, bezeichnet eine Gesellschaft, die von Migration geprägt ist, vor allem aber von den Nachfahren der Migrant:innen: denjenigen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und zunehmend ihre Stimmen erheben.

Der Begriff „steht für das Überwinden starrer Zuschreibungen“, definiert der Ausstellungsflyer, „die Entwicklung neuer Formen von Zugehörigkeit, Erinnerung und Sichtbarkeit sowie die kritische Auseinandersetzung mit rassistischen und ausschließenden Strukturen“. Letztere hat der WKV immer wieder angesprochen: von den eigenen Beobachtungen im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste bis hin zu den Morden von Hanau. Solche negativen Erfahrungen haben Fitui und Nejad aber bewusst weggelassen, weil es ihnen auf die alltäglichen, positiven Erfahrungen der postmigrantischen Gesellschaft ankommt.