In unserer mehrteiligen Sommerserie fragen wir inspirierende Persönlichkeiten nach Geheimtipps für eines ihrer liebsten Reiseziele. Wo es in Berlin die besten Kinos und interessantesten Museen gibt, verrät diese Woche die Regisseurin Petra Volpe.
Was verbindet Sie mit Berlin?
1997 bin ich nach Berlin gezogen, um dort an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf Film zu studieren. Die Stadt wurde zu meiner Wahlheimat, obwohl es nicht Liebe auf den ersten Blick war. Trotzdem habe ich über zwanzig Jahre lang hier gelebt – meist in Kreuzberg und Neukölln. Dort habe ich auch immer noch meine Mietwohnung. Viele meiner liebsten Menschen leben dort, und das verbindet mich mit Berlin emotional.
Wie startet man in Berlin am besten in den Tag?
Ich liebe es, am Morgen im Bett meinen ersten Kaffee zu trinken und den Lindenbaum vor meinem Fenster und die Vögel, die sich dort tummeln, anzuschauen. Es fasziniert mich, wie in jeder Stadt diese Parallelwelt von Pflanzen und Tieren existiert. Danach mache ich meist einen Spaziergang am Landwehrkanal. Ich brauche Bewegung am Morgen.
Welches ist Ihr liebstes Café in Berlin?
Mein Morgenspaziergang endet meist beim «La Maison». Inzwischen ist das Café so bekannt, dass es sogar einen Artikel in der «New York Times» darüber gab. Deswegen ist es jetzt auch immer voll und superlaut. Ich muss wohl bald ausweichen. Die Alternative ist das «Katie’s Blue Cat»-Café, dort ist es ruhiger und schattig, und es ist ideal zum Leutegucken.
Berliner und Berlinerinnen vor dem Café «La Maison».
PD
Zur Person Petra Volpe
Die Drehbuchautorin und Regisseurin wurde 1970 in der Aargauer Gemeinde Suhr geboren. Heute lebt und arbeitet die 55-Jährige in den Metropolen New York und Berlin. 1997 zog es Volpe in die deutsche Hauptstadt, um an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf Dramaturgie und Drehbuch zu studieren. Seit ihrem Abschluss im Jahr 2001 ist sie als freie Autorin und Regisseurin tätig und zählt inzwischen zu den erfolgreichsten Filmemacherinnen der Schweiz.
Im Zentrum ihrer Arbeiten stehen stets Frauenfiguren – so auch in ihrem neuesten Film, «Heldin», der im Frühjahr dieses Jahres erschienen ist. Er erzählt die Geschichte der Pflegefachfrau Floria, die in einem stark unterbesetzten Team eine Nachtschicht bewältigen muss. «Heldin» ist der Beitrag, der bei den Oscars 2026 in der Kategorie «International Feature Film» für die Schweiz ins Rennen geht.
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Wo kann man sich an einem heissen Tag in Berlin am besten abkühlen?
An heissen Tagen gehe ich am liebsten zu meinen Freundinnen nach Kladow. Sie haben dort ein Stück Garten mit Wohnwagen. Wir baden im Wannsee, lümmeln im Garten rum, lesen und kochen Pasta oder grillieren. Rund um Berlin gibt es viele Seen. Man ist recht schnell in der Natur draussen.
Welches ist Ihr Lieblingsrestaurant?
Bei mir gegenüber ist ein sensationelles kleines Restaurant, das «Fame». Der Besitzer ist sehr freundlich und innovativ. Es ist ein unprätentiöser Ort mit viel Charme und wirklich toller Küche sowie Cocktails. Meine Kamerafrau und ich gehen gerne ins «Namsan», ein koreanisches Restaurant. Die Frauen dort sind sehr warmherzig, und das Essen macht glücklich.
Was bestellen Sie dort von der Karte?
Im «Namsam» esse ich immer das vegetarische Bimbimbap und trinke einen Reistee dazu. Im «Fame» gibt es eine Art Gratin dauphinois, für den alleine sich schon ein Besuch lohnt.
In welchem Klub darf es auch einmal später werden?
Ich gehe gerne um 22 Uhr ins Bett und lese. Und wenn Party, dann würde ich dahin gehen, wo meine Freundin DJ Ipek auflegt. Aber meist kann ich nicht bis dann wach bleiben und schlafe vorher ein.
Welches ist Ihre liebste Unterkunft in Berlin?
Wenn ich in Berlin bin, wohne ich in meiner Wohnung in Neukölln. Ich hab vor kurzem Fotos gesehen vom Hotel Telegraphenamt. Da würde ich gerne mal übernachten. Ich hab eine Schwäche für Hotels mit gutem Design und gutem Service.
Die Lobby des Hotels Telegraphenamt.
PD
Was sollte man in Berlin unbedingt gesehen haben?
Berlin ist extrem reich an Geschichte. Alle Museen und Orte, an denen man sich mit der Historie dieses Ortes beschäftigen kann, sind sehenswert und inspirierend. Zum Beispiel das Stasimuseum, Topographie des Terrors, das Jüdische Museum, Friedhöfe oder der Tempelhofer Flughafen.
An welchem Ort kann man dem Grossstadttrubel entkommen?
Auf den Friedhöfen, von denen es einige sehr schöne gibt. Zum Beispiel der Jüdische Friedhof in Weissensee oder der Dreifaltigkeitskirchhof. Ich laufe gerne zwischen den Gräbern durch und lese alle Namen und Jahreszahlen und denke über diese Menschen nach, wer sie wohl waren, was sie wohl für Leben hatten, wer wohl die Blumen gebracht hat.
Von wo hat man die beste Aussicht?
Früher, als man am Flughafen Tegel ankam, mochte ich den Landeanflug am Alex vorbei.
Welches ist das beste Viertel für Shopping?
Ich persönlich liebe Buchläden. In meinem Kiez gibt es den feministischen Buchladen «She said» mit einer guten Auswahl an Literatur. In Mitte mag ich «Ocelot» sehr gerne.
An welchem Geschäft können Sie nie vorbeigehen?
Jeden Dienstag und Freitag ist grosser Markttag am Maybachufer. Da geh ich gerne hin, um Oliven, Käse, türkische Pasten und Gemüse zu kaufen. Es ist oft brechend voll und laut von den Marktschreiern. Ich mag diese Atmosphäre – und dass sich dort allerlei Menschen über den Weg laufen.
Was sollte man in Berlin unbedingt kaufen?
Karten fürs Theater oder die Oper. Inzwischen ist die Welt so globalisiert, dass man überall alles immer kaufen und bestellen kann. Aber die reiche Kultur- und Kunstszene von Berlin kann man nicht überall haben.
Welches ist Ihre liebste Galerie in Berlin?
Ich hatte während der Berlinale die Gelegenheit, die Boros Collection anzuschauen. Es ist eine Privatsammlung von zeitgenössischer Kunst. Man kann eine Führung buchen. Das Gebäude an sich ist interessant, es ist ein alter Bunker, und die Kunstwerke darin sind sorgfältig ausgewählt. Ich mag aber auch die Gemäldegalerie, es beruhigt mich, durch die Räume zu flanieren.
Die Boros Collection befindet sich in einem ehemaligen Reichsbahnbunker.
Boros Collection, Berlin © NOSHE
Und welches Ihr liebstes Kino?
Ich mag alle meine Kiez-Kinos. Das Wolf, von einer Freundin geführt, tolles Programm! Il Kino, bei mir ums Eck. Das Movimento, gleich die Strasse runter, das FSK, das Neue Off. Ein Kriterium für meine Wohnung war, dass sie in der Nähe von vielen Kinos sein musste.
Welcher Ort in Berlin inspiriert Ihre Arbeit?
Es gibt nicht diesen einen Ort, der mich inspiriert, grosse Städte generell haben mich immer angezogen, schon als Kind träumte ich davon, einmal in einer grossen Metropole zu leben. Ich mag es, im öffentlichen Verkehr Menschen zu beobachten. Man kann viel erfahren über einen Ort in der U-Bahn oder im Bus. Vor allem in der U7, U8 und dem M29.
Was würden Sie jemandem raten, der Berlin zum ersten Mal besucht – worauf sollte man sich einlassen und was lieber meiden?
Einlassen: das reiche kulinarische Angebot, das es inzwischen gibt. Meiden: Alexanderplatz und andere Touristen-Hotspots.
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