Mehr als sechs Wochen nach der Besetzung eines leerstehenden Ladenlokals im Frankfurter Stadtteil Gallus hat Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) am Dienstag doch noch Strafantrag gestellt. Das bestätigte die für die städtischen Immobilien zuständige Stadträtin am Dienstagabend. Zuvor hatte sie die Besetzer mehrfach aufgefordert, die Räume an der Lahnstraße freiwillig zu verlassen, und eine Frist bis Dienstag gesetzt.
Die Gruppe, die dort unter der Bezeichnung „Internationalistisches Zentrum“ gegen Israel gerichtete Propaganda betreibt und deshalb von der Jüdischen Gemeinde scharf kritisiert wird, will sich jedoch nicht fügen. Sie rechnet damit, dass es zu einer Räumung durch die Polizei kommt. „Wir werden uns diesen Raum nicht so einfach nehmen lassen“, teilten die Besetzer mit. Eine für Montagabend im Grüneburgpark angekündigte Demonstration gegen die Räumung hatte das Ordnungsamt der Stadt kurzfristig untersagt. Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Römer, Dominike Pauli, kritisierte das als „undemokratisch“. Es handle sich um einen „massiven Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit“.
Weber hatte die Besetzung lange Zeit geduldet. Am Dienstagabend hieß es aus ihrem Büro dann aber, dass die städtische Ordnungsbehörde jetzt ein sofortiges Einschreiten prüfen oder gegebenenfalls einen Gerichtsbeschluss erwirken werde. Sobald die rechtlichen Voraussetzungen vorlägen, werde geräumt. Darauf, wann das geschehe, habe die Stadt keinen Einfluss mehr.
CDU und FDP für schnelle Konsequenzen
Die Fraktionen von CDU und FDP im Frankfurter Stadtparlament forderten am Mittwoch eine schnelle Räumung. „Es darf nicht sein, dass geltendes Recht ignoriert und die Autorität der Stadtverwaltung infrage gestellt wird“, teilte der FDP-Fraktionsvorsitzende Yanki Pürsün mit. „Wer widerrechtlich ein Gebäude besetzt, muss mit klaren und schnellen Konsequenzen rechnen.“ Die FDP stelle sich klar an die Seite von Eigentumsschutz und Rechtssicherheit. „Es geht nicht allein um eine einzelne Immobilie, sondern um die Frage, ob die Stadt ihre eigenen Regeln ernst nimmt. Ansonsten wird der Rechtsstaat schrittweise ausgehöhlt.“ Nach Ansicht des sicherheitspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion, Martin-Benedikt Schäfer, dürfen sich wochenlange Hausbesetzungen nicht mehr wiederholen. „Wir fordern die Stadtregierung auf, leer stehende städtische Gebäude schnellstmöglich zu sanieren und so dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.“
Am Freitagabend war es an einem Eingang zu den besetzten Räumen zu einem Brand mit geringem Sachschaden gekommen, dessen Hintergründe ungeklärt sind. Die Besetzer werten den Vorfall als „Brandanschlag mit einem klar antipalästinensischen Motiv“ und kritisieren, dass sich die Stadt dazu nicht geäußert habe.
Die Stadt hatte das Haus an der Lahnstraße 2019 über ein Vorkaufsrecht erworben. Es befindet sich in einem schlechten baulichen Zustand, weshalb die zuletzt von einem Café genutzten Räume im Erdgeschoss nach dessen Auszug leer standen. In der vergangenen Woche hatten Oberbürgermeister Mike Josef und Baudezernentin Sylvia Weber (beide SPD) angekündigt, dass das Ladenlokal zügig saniert und anschließend für ein Stadtteilangebot genutzt werden soll. Sie sehen dies als Teil einer neuen Strategie zur Bekämpfung von Leerstand in städtischen Immobilien.
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Nach Ansicht der Besetzer ist diese Strategieänderung im Fall des Gebäudes Lahnstraße 1 nicht nötig. „Der Leerstand ist schon lange behoben, das Gebäude wird seit einem Monat für den Stadtteil und sogar darüber hinaus genutzt“, heißt es auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Die Gründe für die Räumung seien vorgeschoben. „Der Stadt ist nur das internationalistische und palästinasolidarische Programm des Kollektivs ein Dorn im Auge.“
Die Jüdische Gemeinde hatte die Stadt schon kurz nach der Besetzung Mitte Juli aufgefordert, „Gruppierungen, die Hass und Hetze verbreiten, keinen Raum zu geben“. Er sehe es mit Sorge, „wenn etwas geduldet wird, das auf so offensichtliche Art und Weise Hetze gegen Israel und jüdisches Leben propagiert“, sagte der Vorstandsvorsitzende Benjamin Graumann.