Es gibt Orte in München, an denen wohl die meisten Menschen schon gewesen sind, die hier leben: am Marienplatz und am Hauptbahnhof, im Englischen Garten und im Glockenbachviertel, vielleicht auch auf dem Olympiagelände und im Nymphenburger Schlosspark. Es sind Orte, die entweder sehr zentral liegen, besonders schön sind oder einfach sehr fürs Münchnerische stehen.
In andere Stadtteile verirrt sich hingegen nur, wer dort wohnt, arbeitet oder Konkretes zu tun hat. So war ein Moosacher womöglich noch nie in Ramersdorf. Und die Bewohnerin von Berg am Laim hat Hadern allenfalls beim Vorbeifahren von der Autobahn Richtung Lindau erblickt. Wer das ändern mag und zugleich gern in die Pedale tritt, für den ist die Rundtour über den „Äußeren Münchner Radlring“ das Richtige, um den persönlichen Stadthorizont zu erweitern. Der führt auf einer knapp 50 Kilometer langen, ausgeschilderten Route durch die Außenbezirke der Stadt (Achtung: nicht zu verwechseln mit dem „Münchner Radlring“, der außerhalb der Stadtgrenzen durch die Landkreise führt).
Der Charakter der Tour
Eine Rundtour durch die Münchner Peripherie – ja, lohnt sich denn das? Wer verkehrsreiche Ausfallstraßen und fade Wohnviertel vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen sieht, der hat nicht völlig unrecht. Doch die überwiegende Zeit führt der Weg entlang deutlich schönerer Strecken. Es geht durch Parkanlagen oder auf Radwegen und den inzwischen erstaunlich oft ausgewiesenen Fahrradstraßen durch begrünte Straßenzüge entspannt dahin. Die einzig nennenswerte Steigung müssen die Radlerinnen und Radler beim Wechsel auf die Ostseite der Isar bewältigen.
Einer der großen Vorteile der Tour besteht schon in der stressfreien Anreise. Der Run auf den letzten Stellplatz im Regionalzug? Verkeilte Räder und E-Bikes in der S-Bahn? Diesmal nicht. Die Entspannung beginnt gewissermaßen vor der Haustür – denn ein Punkt auf der Strecke ist sicher nah oder selbst vom Zentrum aus gut zu erreichen. Die führt über Schwabing, Milbertshofen, Moosach, Obermenzing, Pasing, Hadern, Obersendling, Thalkirchen, Harlaching, Giesing und Ramersdorf bis nach Berg am Laim und Bogenhausen – und kann natürlich auch andersherum befahren werden.
Sie ist überwiegend gut ausgeschildert, es kann aber nicht schaden, den Verlauf selbst ein wenig im Blick zu haben. Wir haben unsere Tour übrigens im Münchner Osten vor dem SZ-Hochhaus gestartet, wo die Route direkt vorbeiführt, und sind von dort Richtung Norden gegen den Uhrzeigersinn gefahren.
Die gpx-Datei zur Route können Sie sich hier herunterladen.
Ruhe und Grün
Zwei längere Abschnitte erweisen sich als sehr beschaulich: der Nordosten und der Westen des Rundwegs. Vom kleinen Zamilapark im östlichen Bogenhausen, der Mitte der 1990er-Jahre mal zur schönsten Grünanlage Bayerns gekürt wurde und der neben einem geologischen Garten und einem See auch einen kleinen Biergarten zu bieten hat, geht es durch eine ruhige Fahrradstraße gen Norden, dann scharf links abwärts zur Isar. Dort führt der Weg nach dem Oberföhringer Stauwehr zeitweise durch den nördlichen Englischen Garten. Auf dem Weg kann man vielleicht noch in die Münchner Geschichte eintauchen, beim Industriedenkmal Alte Ziegelei in Oberföhring, wo der Verein Nordostkultur München nach Anmeldung immer wieder Führungen anbietet.
Am Stauwehr Oberföhring gelangt man im Norden des Radlrings über die Isar. (Foto: Barbara Galaktionow)
Im Westen der Stadt beginnt ein besonders idyllischer und grüner Abschnitt in der zu Moosach gehörenden Siedlung Hartmannshofen nördlich des Nymphenburger Schlossparks. Die machte in den vergangenen Jahren vorwiegend dadurch von sich reden, dass der Freistaat dort zahlreiche Gebäude über Jahre leer stehen ließ. Der Weg führt weiter Richtung Südwesten durch Obermenzing zum Schloss Blutenburg und dann in Pasing auf etwas gewundenen, aber sehr gut beschilderten Wegen entlang der Würm Richtung Süden.
Das frühere Jagdschlösschen Blutenburg, in dem 1848 auch Lola Montez, die Geliebte Ludwigs I., die Nacht vor ihrer Abschiebung aus Bayern verbrachte, lohnt auf alle Fälle ein Päuschen. Dort ist heute die Internationale Jugendbibliothek untergebracht, das Michael-Ende-Museum und andere Dauer- und Wechselausstellungen zu Kinderliteratur. Und nicht zuletzt eine Schlossschänke, in der man sich mit Blick auf den See oder im malerischen Innenhof stärken kann.
Neben dem Eingang zum Michael-Ende-Museum im Schloss Blutenburg steht für die jungen Gäste ein beachtlicher Fuhrpark zur Verfügung. (Foto: Barbara Galaktionow)
Figuren aus seinen Werken zieren das Grab des Kinderliteraten Michael Ende auf dem Münchner Waldfriedhof. (Foto: Barbara Galaktionow)
Michael Ende kann man auf der Rundtour noch einmal begegnen, muss dafür allerdings weiter südlich in Hadern ein wenig davon abweichen: Wenn man dort über den sehr friedvollen, sehr großen Waldfriedhof zum Grab des Kinderbuchautors schlendert, kann man sich die Zeit von den Grauen Herren zurückholen, die in dessen Buch „Momo“ den Menschen die Zeit stehlen. Einem bronzenen Buch entsteigen dort Gestalten aus Endes Werk. Zuvor hat man vielleicht bereits Blumen auf einem Feld in der – logisch – Blumenau geschnitten oder ein Bio-Bier im Haderner Bräu getrunken, das ebenfalls unmittelbar auf der Strecke liegt.
Hohe Häuser und ein hoher Bunker
Auch auf weniger idyllischen Abschnitten des Radlrings gibt es einiges zu entdecken. So kann man von der Schwabinger Domagkstraße aus eine Stippvisite Richtung Süden unternehmen, wo die zwei „Highlight Towers“, also die Fassaden des weithin sichtbaren, markanten Doppelhochhauses, in bis zu 126 Metern Höhe am weiß-blauen Himmel kratzen, mehr, als manchem Münchner lieb ist. New York in München endet dann wenige Meter später auch an der CSU-Parteizentrale.
Für Münchner Verhältnisse ganz schön hoch: Die „Highlight Towers“ in der Parkstadt Schwabing lassen ein bisschen New-York-Gefühl aufkommen. (Foto: Barbara Galaktionow)
Die nicht sonderlich attraktive Strecke entlang der Moosacher Straße und Triebstraße im Norden des Radlrings, vorbei an Autohäusern, videoüberwachten Brachen und Hotels, kann vielleicht durch einen Abstecher in das südlich gelegene Olympische Dorf und den Olympiapark oder den nördlich gelegenen Lerchenauer See aufgehübscht werden. Wo sonst in der Stadt hat man schon das urbane Vergnügen, beim Schwimmen auf die Hochhäuser am Rande zu blicken.
Hochhäuser sind auch beim Weg durch die Zielstattstraße in Sendling zu sehen: und zwar die sogenannten Sternhäuser der früheren Siemens-Siedlung. Sie entstanden in den 1950er-Jahren und waren die ersten Hochhäuser in Bayern. Anfang der 2000er-Jahre wurde ihnen ein drittes an die Seite gestellt.
Den zwei ältesten Hochhäusern Bayerns in Obersendling wurde vor etwa 20 Jahren ein weiteres zur Seite gestellt. (Foto: Barbara Galaktionow)
Ebenfalls in Obersendling findet sich neben gesichtslosen Bürogebäuden, Bau- und Supermärkten in der Boschetsrieder Straße dann ein Hochbunker von 1941, wie sie an vielen Orten der Stadt damals errichtet wurden. Im Gegensatz zu anderen wurde dieser jedoch bislang nicht umgenutzt und ist deshalb weitgehend im Originalzustand erhalten.
Wer vom Radeln weiterhin nicht genug hat
In Thalkirchen kreuzt der Weg ein zweites Mal die Isar. Kurz vor der Thalkirchner Brücke kann man sich vielleicht auf dem Platz davor ein Eis genehmigen oder beim „Kiosk 1917“ stärken. Mit Kindern bietet sich ein Besuch im Tierpark an, bevor es die etwas beschwerliche Steigung nach Harlaching hinaufgeht. Dort lässt sich von der Parkanlage Am Hohen Weg vielleicht sogar ein Blick auf die Profis des FC Bayern erhaschen, wenn die ihr Training auf dem Sportplatz an der Säbener Straße nicht gerade hinter Sichtschutzwänden absolvieren.
Durch einen Zaun blickt man von einer Anhöhe in Harlaching hinab auf den Trainingsplatz des FC Bayern. Aber manchmal ist da nicht viel zu sehen. (Foto: Barbara Galaktionow)
Überhaupt wird es Kindern auf der Strecke nicht langweilig. Es gibt Spielplätze, Bolzplätze und Fitnessparcours. So zieht sich beispielsweise in Milbertshofen ein Grünstreifen mit allerhand Spielgeräten in Richtung Scheidplatz. Im Südpark oder Sendlinger Wald warten verschiedene Spiel- und Sportmöglichkeiten wie eine Calisthenics-Anlage und ein Trimm-dich-Pfad auf ambitionierte Nutzer. Der Giesinger Katzenbuckel-Spielplatz bietet auch eine Dirtbike-Anlage. Und in Ramersdorf können Kletterer neben dem Wilrampark und der dazugehörigen Mustersiedlung, die die Nationalsozialisten 1934 im Rahmen der „Deutschen Siedlungsausstellung“ bauen ließen, in eine etwa 75 Meter lange Unterführung unter der Rosenheimer Straße abtauchen, um sich dort an der Boulderwand „Riesige Rosi“ zu versuchen.
Auch Schwimmer und Planscher finden auf der Rundtour immer wieder Möglichkeiten, einzutauchen – nicht nur an der Isar, sondern unter anderem auch im Westbad, Maria-Einsiedel- oder Giesing-Harlaching-Bad. Was es sonst noch zu entdecken gibt? Das darf jeder selbst erradeln.