80 Jahre Evangelische Kirche in Deutschland, genauer: nach dem Zweiten Weltkrieg – dazu kann man schon mal gratulieren. Was die katholischen Bischöfe auch tun, mehr als pflichtschuldig. Und dennoch bleiben sie den christlichen Geschwistern etwas schuldig: Anerkennung.
Der Vorsitzende der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, findet, es sei ein gutes Zeichen fürs Land, wenn die Kirchen zusammen unterwegs seien. Da hat er wohl recht. Die Wirksamkeit wird immer dann groß, wenn sie beispielsweise zu politischen Fragen gemeinsam Stellung beziehen.
Stephan-Andreas Casdorff ist Editor-at-Large des Tagesspiegels. Als engagierter evangelischer Christ wünscht er sich mehr Ökumene und dafür ein Zeichen der Katholiken.
Wie etwa zur Migration. Dass sie gemeinsam den damaligen Oppositionsführer Friedrich Merz vor jedweder Annäherung im Bundestag an die AfD warnten – das hat dem Christdemokraten weh getan und seine Haltung geändert. Wenigstens im Nachhinein. Das war Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes.
Zu gering ist allerdings noch immer das ökumenische Miteinander. Hier geht noch was, über ökumenische Kirchentage hinaus. Hier hat die Katholische Kirche in Deutschland eine große Verantwortung, gerade im Land der Reformation die Ökumene weltweit voranzutreiben. Unter dem neuen Papst kann das mit dem „synodalen Weg“, der schon ziemlich evangelisch klingt, sogar gelingen. Das beiden gemeine Zeugnis fürs Evangelium, die gemeinsame Orientierung an Jesus Christus fördert Gemeinschaft wie von selbst.
Die Öffentlichkeit mit sichtbaren Zeichen beeindrucken
Noch mehr Gottesdienste, die zusammen gefeiert werden, noch mehr Interkulturelles, das in Kooperation veranstaltet wird, noch mehr übergreifendes Engagement der Sozialwerke Caritas und Diakonie, noch mehr gemeinsame Nutzung von Pfarrzentren – das kann als sichtbare Zeichen die Öffentlichkeit beeindrucken. Jedenfalls so, dass der Rückgang der Zahl der Glaubenden aufgehalten wird. Fusionen von Krankenhäusern und Seniorenheimen reichen nicht aus.
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Der Rückgang ist dramatisch: Die EKD, bei einer Konferenz evangelischer Kirchenführer bis Ende August 1945 als Zusammenschluss lutherischer, reformierter und unierter Landeskirchen gegründet, liegt längst unter 20 Millionen Mitglieder. Es sind noch 18,5 Millionen, Tendenz stark fallend. Die Katholiken sind unwesentlich mehr.
Mit gelebter Einheit gegen den Trend
Deshalb wird ein Zeichen wechselseitiger Anerkennung umso wichtiger. Gelebte Einheit kann diesen Trend vielleicht umkehren. Die vielen konfessionsverbindenden Ehen taugen als Beleg.
Da sind die Katholiken am Zug. Noch immer gilt eine Erklärung des Vatikans von vor 25 Jahren, vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger formuliert, von Papst Johannes Paul II. bestätigt. Die empfanden und empfinden Protestanten als Affront.
Jetzt wäre es wirklich eine Gelegenheit, der Ökumene einen Schub zu geben.
Stephan-Andreas Casdorff
Der Text fasst Aussagen zum Kern des Glaubens zusammen. Sie sind für die Ökumene von Bedeutung. Darin heißt es, dass die katholische Kirche „die einzige Kirche Christi“ sei und die protestantischen Kirchen Gemeinschaften, „nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“.
Der frühere „Ökumeneminister“ der katholischen Kirche: Walter Kasper.
© ddp
Gegen Kritik von evangelischen und anglikanischen Bischöfen, von den Weltbünden der Lutheraner und Reformierten verteidigte sich Ratzinger seinerzeit: „So beleidigen wir doch niemanden, wenn wir sagen, dass die faktischen evangelischen Kirchtümer nicht im gleichen Sinn Kirche sind, wie die katholische es selbst sein will; sie selber wollen das doch gar nicht.“ Unter Ratzinger als Papst Benedikt XVI. wurde es aber sogar noch schärfer: Norm für die einzige vollständige und einzigartige Kirche sei die katholische.
Beschwichtigungen hat es schon gegeben. Die Stellungnahme aus Rom sei knapp und wirke deshalb möglicherweise hart, meinte der – inzwischen verstorbene – Mainzer Kardinal Karl Lehmann, aber sie lasse Raum, die anderen Kirchen auch theologisch als Kirchen zu achten. Und Kardinal Walter Kasper aus dem Vatikan erklärte: Evangelische Kirchen seien durchaus Kirchen, nur halt „anderen Typs“.
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Wirklich versöhnt in Verschiedenheit bedeutete aber, sich über alle Enttäuschungen und Querschüsse hinweg die Hand zu reichen und die nicht mehr loszulassen. Hat Kardinal Kasper schon 2009 erkannt. Jetzt wäre es wirklich eine Gelegenheit, der Ökumene einen Schub zu geben. Fromme Gratulationsgrüße helfen auf dem Weg zur Einheit, schaffen sie aber noch nicht. Katholiken in Deutschland, die Rom zu neuen Worten drängen – das wäre ein Zeichen der Zeit, wie es in der Bibel heißt.