Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) haben einen neuen Abschnitt der Autobahn 100 in Berlin feierlich eingeweiht. „Die Stadtautobahn zieht den Verkehr aus den Wohngebieten raus“, sagte
Wegner vor der Eröffnung im RBB-Inforadio. „Damit entlasten wir auch die
Wohngebiete – und das ist mein Ziel. Deshalb freue ich mich heute.“ Verkehrsminister Schnieder sagte, insbesondere Menschen, die auf das Auto angewiesen seien, würden ab sofort Verbesserungen spüren – schließlich habe nicht jeder das Glück, direkt neben einer U- oder S-Bahn-Station zu leben. 

Der 16. Abschnitt ist rund 3,2 Kilometer lang und liegt im Südosten
der Hauptstadt zwischen dem Dreieck Neukölln und der Anschlussstelle
Treptower Park. Ein Großteil der Trasse verläuft in einem bis zu sieben
Meter tiefen
Trog. Die Bauzeit des Abschnitts betrug rund zwölf Jahre, die Kosten
belaufen sich auf mehr als 720 Millionen Euro.

Wegner bekräftigte erneut das Vorhaben, auch den nächsten Abschnitt der Autobahn über die Spree Richtung Friedrichshain und Lichtenberg zu bauen. Es handle sich bei der A 100 nicht um ein Projekt des Landes Berlin, sondern um eines des Bundes, mit dem der Ostteil Berlins stärker und besser erschlossen werde. „Wir brauchen diese leistungsfähige Infrastruktur in Berlin, damit sich die Verkehre nicht durch die Wohngebiete ziehen“, sagte der Regierende Bürgermeister. Die Autobahngesellschaft teilte zudem mit, durch die Verlängerung seien
der Flughafen BER sowie Städte wie Dresden, Cottbus und
Frankfurt (Oder) besser erreichbar.

„Ein klimapolitischer und wirtschaftlicher Totalschaden“

Kritiker hingegen warnen vor mehr Autoverkehr in den Kiezen sowie einer zunehmenden Belastung für Anwohnerinnen und Anwohner. Das Bauprojekt gilt als eines der umstrittensten in der Hauptstadt – nicht nur, weil die Autobahn 100 die teuerste Straße Deutschlands ist. Für den Tag der Eröffnung kündigten mehrere Bündnisse und Gruppierungen Protest an.

Durch den Weiterbau der A 100 würden Umwelt und Klima zusätzlich belastet, sagte Verena Graichen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Das Projekt sei aus der Zeit gefallen – in vielen anderen Städten würden Autobahnen abgerissen statt ausgebaut. „Wir können es uns nicht leisten, Gelder für das Betonieren neuer Autobahnen zu verpulvern“, sagte Graichen.

„Angesichts der eskalierenden Klimakrise sollten Autobahnprojekte wie die A 100 als klimapolitischer und wirtschaftlicher Totalschaden der Vergangenheit angehören“, sagte Aktivist Sylvester Karben von der Umwelt- und Naturschutzorganisation Robin Wood. Stattdessen müsse in Infrastruktur für den Radverkehr und den ÖPNV investiert werden.

Kritik aus der Opposition im Abgeordnetenhaus

Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, forderte im Vorfeld der Eröffnung, Menschen Vorrang vor Autos zu geben. „Jeder weitere Meter bedeutet mehr Lärm, Abgase und zusätzlichen Verkehr für die Menschen“, sagte Kapek. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Tobias Schulze, sprach von „Beton gewordener Ideologie von vorgestern“. Andere europäische Großstädte würden gesünder und grüner, der private Autoverkehr werde aus den Innenstädten herausgeholt, und die Lebensqualität steige. Berlin unterdessen mache das Gegenteil davon, sagte Schulze.

Auch wissenschaftlich ist das Berliner Autobahnprojekt umstritten. „Die verlängerte A 100 wirkt wie ein Staubsauger; die Autobahn zieht den Verkehr an, bündelt ihn und spuckt ihn einfach in Treptow und Lichtenberg wieder aus“, sagte etwa der Verkehrs- und Sozialforscher Andreas Knie. „Statt den Verkehr zu beruhigen, spitzt die Autobahn die Verkehrslage künstlich weiter zu.“

Besonders viel Kritik gibt es für den nächsten geplanten Bauabschnitt: Mit dem 17. Abschnitt soll die Autobahn noch weiter durch den Ostteil der Stadt verlängert werden, wofür auch mehrere Clubs und Kultureinrichtungen weichen müssten. Protest dagegen kommt von Bürgerinitiativen, Umweltgruppen und Anwohnern, die den Bau verhindern wollen. Umfragen zufolge ist ein erheblicher Teil der Stadtbevölkerung gegen den weiteren Ausbau.

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