Hannover – Zwei Polizisten sollen bei Kontrollen über Monate die Taschen albanischer Straßendealer geleert und sich so bereichert haben. Dafür sollen sie nun für mehrere Jahre hinter Gitter!
Am Mittwoch verurteilte das Landgericht Hannover den früheren Oberkommissar Michael M. (34) zu vier Jahren Haft – unter anderem wegen Diebstahls mit Waffen (beim Ankassieren trugen sie ihre Dienstpistolen) und Strafvereitelung. Sein Kollege Marc H. (50, Hauptkommissar) erhielt zwei Jahre und neun Monate Haft.
Der suspendierte Hauptkommissar Marc H. (links, 50) mit Verteidiger Björn Nordmann. Er bestritt, an der Dealer-Abzocke beteiligt gewesen zu sein
Foto: Mirko Voltmer
Richterin sieht Gefahr für den Rechtsstaat
In der Urteilsbegründung mahnte die Vorsitzende Richterin Britta Schlingmann: „Auf die Polizei muss man sich verlassen können. Das ist die unabdingbare Voraussetzung für den Rechtsstaat. Wenn das nicht gegeben ist, hat das Auswirkungen auf uns alle. Das bringt den Rechtsstaat zum Erodieren.“
Die Vorsitzende Richterin Britta Schlingmann (Mitte)
Foto: Mirko Voltmer
Die beiden Beamten des Polizeikommissariats Mitte hatten nach Auffassung des Gerichts gezielt Dealer ins Visier genommen, um sich ein Stück vom Kuchen der Kokainhändler zu sichern. Beschlagnahmtes Geld wurde nicht wie vorgeschrieben protokolliert, sondern wanderte in die eigene Tasche. „Michael M. hat das Geld federführend eingesammelt, später halbe-halbe gemacht mit Marc H.“, führte die Richterin aus, wobei sie den aktiveren Part des Jüngeren betonte. Ihr illegaler Zusatzverdienst soll annähernd 6000 Euro betragen haben.
Drogenszene am Stellwerk hinter dem Hauptbahnhof Hannover. Auch hier soll Ex-Polizist Michael M. einen Dealer abkassiert haben
Foto: MIRKO VOLTMER
Polizist inszenierte sich als „Robin Hood“
Schließlich beschwerten sich die Dealer über die kriminellen Cops – und lösten damit interne Ermittlungen aus. Anfang Januar wurde der stämmige 34-Jährige, in der Szene als „Boli“ (albanisch für: Dickerchen) bekannt, festgenommen und in U-Haft gesteckt. Sein Kollege als mutmaßlicher Helfer blieb zunächst auf freiem Fuß. Bei einer Durchsuchung des Wagens von Michael M. entdeckten die Ermittler mehr als 3500 Euro in bar unter der Fußmatte am Fahrersitz.
Unter der Fußmatte am Fahrersitz hatte Michael M. mehr als 3500 Euro versteckt
Foto: Polizei
Während der Hauptkommissar Marc H. – zuletzt als „Twitch-Cop“ im Social-Media-Team der Polizei aktiv – von den Machenschaften seines Kollegen nichts bemerkt haben will, legte Michael M. schon zu Prozessbeginn ein Geständnis ab. Er zeichnete von sich das Bild eines frustrierten Polizisten, der das Drogenelend rund um den Hauptbahnhof nicht mehr ertrug und als eine Art „Robin Hood“ den Dealern das Geld abnahm, um unter anderem Junkies mit Sachspenden zu unterstützen. Die Kammer nimmt dagegen an, dass er 90 Prozent des Geldes für sich behielt.
Der verurteilte Ex-Beamte Michael M. auf einem Kreuzfahrtschiff. Er besitzt ein hohes Privatvermögen
Foto: Privat
Ex-Cop ist beinahe Millionär
Außergewöhnlich: Am vorletzten Prozesstag belastete Michael M. seinen früheren Partner: Er sei eingeweiht und dabei gewesen. Ein Schock für Marc H., der bei seiner Verurteilung säuerlich lächelte. Es gilt als sicher, dass er gegen das Urteil Revision einlegen wird.
Michael M. quittierte inzwischen freiwillig seinen Dienst. Im Gegensatz zu Marc H. fällt er nach der Haftzeit weich: Wie die Ermittler feststellten, besitzt er – völlig legal – ein vornehmlich aus Kryptowährung bestehendes Aktiendepot im Wert von mehr als 852.000 Euro. Wie er dieses Vermögen erwirtschaftete, konnten sie nicht klären.
Urteil noch nicht rechtskräftig.