Nach Untersuchungen des CVUA enthält Bioware deutlich weniger Rückstände von Pflanzenschutzmitteln als konventionelles Obst und Gemüse. Einige Sorten sind sogar stark belastet.
Es sind zwei unscheinbare Kunststoffdosen, die Ellen Scherbaum in den Händen hält. Eine davon ist fast zur Hälfte mit einem hellen Granulat gefüllt, in der anderen sind nur wenige Körnchen zu sehen. Sie stellen das Verhältnis der Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in konventionell erzeugten und in biologisch produzierten Obst– und Gemüsearten dar. „In Bioprodukten ist es etwa um den Faktor 200 weniger“, sagt die Leiterin der Abteilung Rückstände und Kontaminanten am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart, das seinen Sitz in der Fellbacher Schaflandstraße hat.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Auch konventionell erzeugtes Obst und Gemüse ist in aller Regel ein sicheres Lebensmittel. Von den 939 Proben von frischem Gemüse, die das CVUA im vergangenen Jahr auf die stattliche Zahl von rund 830 Wirkstoffen untersucht hat, lagen lediglich drei Prozent über der zulässigen Höchstmenge an Pestiziden. Bei den 856 Obstproben waren es fünf Prozent.
Konventionell erzeugtes Obst aus Deutschland schneidet am besten ab
Betrachtet man die Herkunftsländer, dann hat konventionell erzeugtes Obst aus Deutschland mit einer Beanstandungsquote von 1,3 Prozent am besten abgeschnitten. Bei Gemüse lagen die Niederlande mit 1,4 Prozent Beanstandungen an der Spitze. Geringere Gehalte wiesen nur Bioprodukte auf, die entgegen vielfach geäußerter Ansichten im Regelfall den Vorgaben der EU-Bioverordnung entsprechen.
Dass pflanzliche Lebensmittel aus Deutschland und der Europäischen Union 2024 am geringsten belastet waren, deckt sich mit langfristigen Beobachtungen der Mitarbeitenden am CVUA. Deutlich schlechter schneiden traditionell Proben aus Drittländern ab, die nicht in der EU liegen. „Sie sind am häufigsten auffällig“, sagt Ellen Scherbaum, die Proben aus allen Stufen des Handels, also aus Großmärkten ebenso wie aus Supermärkten und Discountern, durch die Lebensmittelkontrolleure der Stadt- und Landkreise erheben lässt.
Die Gründe, warum pflanzliche Lebensmittel aus Drittländern tendenziell höher belastet sind, stellen sich vielfältig dar. Während innerhalb der EU einheitliche Vorschriften zu Höchstmengen an Pflanzenschutzmittelrückständen existieren, decken sich diese Vorgaben oft nicht mit denen von Drittländern.
„Dadurch kann Ware in die EU kommen, die den Vorgaben der EU nicht entspricht. Die Grenzwerte gelten aber für das Produkt, das auf dem Markt ist – egal woher es kommt“, sagt Leonie Moser, die als Lebensmittelchemikerin seit einem halben Jahrzehnt Leiterin des Pestizidlabors im CVUA ist.
Leonie Moser leitet das Pestizidlabor im CVUA. Foto: Michael Käfer
Auswirkungen können auch die bäuerlichen Strukturen im jeweiligen Erzeugerstaat haben. Ellen Scherbaum nennt als Beispiel Birnen aus Südamerika. Sie werden oft von gut organisierten Kooperativen speziell für den europäischen Markt erzeugt. Vor Ort gibt es deswegen Spezialisten, die sich mit den Vorschriften in der EU bestens auskennen und deren Einhaltung überwachen. Andererseits sind die – ohnehin in 15 Prozent aller Fälle auffälligen – Tafeltrauben besonders stark belastet, wenn sie aus der Türkei stammen. Proben von Tafeltrauben aus der Türkei schöpften zuletzt mehrfach die akute Referenzdosis zu mehr als 200 Prozent aus und gelten damit als gesundheitsschädlich.
Ein Grund dafür könnten möglicherweise die kleinbäuerlichen Strukturen in der Türkei sein. Landwirte mit nur geringer Anbaufläche haben möglicherweise nicht die notwendigen Detailkenntnisse über die in der EU geltenden Grenzwerte von Pestizidrückständen. Zudem werden ihre Erzeugnisse mit denen anderer Bauern gemischt. Einfluss auf den Pestizidgehalt kann auch das wärmere Klima haben, das bestimmte, in Deutschland nicht vorkommende Schädlinge oder Krankheiten begünstigen kann und deren Bekämpfung zur Folge hat.
Beeren benötigen mehr Pestizide als Weißkohl
Unabhängig von der Herkunft gilt, dass kompakte, robuste Gemüsearten wie etwa Weißkohl weniger Pestizide benötigen als beispielsweise empfindliche Beeren. Blattgemüse und Salate sind aufgrund ihrer großen Oberfläche tendenziell höher belastet als die unterirdischen Teile von Wurzelgemüse. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine aktuelle Untersuchung von Karottenblättern, wie sie zunehmend in Smoothies, Pestos oder Salaten verwendet werden: Die Rückstände in den Karotten waren rund 25fach geringer als die in den Blättern der Karottenpflanze.
Ein ungelöstes Problem sind die sogenannten Mehrfachrückstände. In einer Pflanzenprobe werden meist mehrere Wirkstoffe nachgewiesen, teilweise mehrere Dutzend. Ihre gegenseitige Wirkung ist nach wie vor unzureichend erforscht. Durch die Verwendung unterschiedlicher Wirkstoffe werden einerseits unterschiedliche Schädlinge und Krankheiten bekämpft – teilweise in Form von Tankmischungen in einem Arbeitsgang.
Zudem werden für einen Schädling oft unterschiedliche Wirkstoffe verwendet. Das kann sinnvoll sein, um die Entstehung von Resistenzen zu verhindern. Gleichzeitig ist es so leichter möglich, die Höchstmenge jedes Wirkstoffs einzuhalten. Und das machen verantwortungsbewusste Landwirte auch. „Deutsche Bauern halten sich an die Vorschriften“, sagt Ellen Scherbaum aus jahrzehntelanger Erfahrung.