Kiel. Im Sommer vergangenen Jahres, sagt Simon Müller, habe er eines gewusst: „Ich muss was mit den Händen machen und am Ende des Tages sehen, was ich geschafft habe.“ Doch Handwerk, so viel war dem 18-Jährigen schon damals klar, ist nicht gleich Handwerk. Deshalb kam für ihn das neue Freiwillige Handwerksjahr (FHJ), ein bundesweit bislang einzigartiges Projekt, genau richtig.
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Innerhalb eines Jahres können Jugendliche in Schleswig-Holstein in bis zu vier Handwerksbetrieben mitarbeiten. Am Donnerstag, ein Jahr nach dem Start, zogen nun alle Beteiligten in Kiel Bilanz – neben den Initiatoren, auch Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU) sowie die Betriebe und Teilnehmer.
Freiwilliges Handwerksjahr in Schleswig-Holstein: 74 Jugendliche nahmen teil
Simon Müller legte sich schnell fest – schon der erste Betrieb überzeugte ihn. Nach drei Monaten beim Bau- und Fliesenbetrieb Herzberg im Kieler Süden hätte der junge Mann aus Felm eigentlich weiterziehen sollen. Doch schon nach wenigen Wochen sei ihm klar gewesen: „Das ist er, der Betrieb.“ Müller blieb also dort und beginnt zum 1. September nun seine Maurer-Ausbildung.
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Wir haben gesagt, wir laufen einfach mal los – und die Probleme lösen wir auf dem Weg.
Christian Maack
stellvertretender Hauptgeschäftsführer der HWK Lübeck
Nach Angaben der Handwerkskammer (HWK) Lübeck, die das Projekt verantwortet, geht es vielen der insgesamt 74 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie Müller: Rund die Hälfte der Jugendlichen hätten sich schon während des ersten oder zweiten Praktikums zu einer Ausbildung im Handwerk entschlossen.
„Ganz Deutschland schaut auf Schleswig-Holstein“, sagt Christian Maack, stellvertretender Hauptgeschäftsführer von der HWK Lübeck, zufrieden. „Wir haben gesagt, wir laufen einfach mal los – und die Probleme lösen wir auf dem Weg.“
Mehr als 200 Unternehmen machten beim FHJ mit
Um sich ein Bild von dem Konzept zu machen, besuchte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Dorit Stenke den Betrieb der Familie Herzberg, der wie mehr als 200 weitere Unternehmen an dem Projekt teilnimmt.
Die CDU-Politikerin kam unter anderem mit der 16-jährigen Celine Köster ins Gespräch. Die Kielerin habe während des Freiwilligen Handwerksjahrs ebenfalls im Betrieb der Herzbergs gearbeitet und so viel Spaß gehabt, dass sie sich für eine Ausbildung zur Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin entschieden habe.
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Ob sie das FHJ anderen Interessenten empfehlen würde? Celine Köster: „Es ist auf jeden Fall eine gute Idee, weil man einfach ausprobieren kann, ob Handwerk einem liegt – und welcher Beruf dann genau.“
Betrieb aus Kiel: „Wir haben schon lange auf so ein Projekt gewartet“
Habib Herzberg (54), der seinen Betrieb in Kiel seit 2001 leitet, pflichtet seiner Auszubildenden bei. Ein Freiwilliges Handwerksjahr sei auf jeden Fall besser als einfach irgendeine Ausbildung anzufangen: „Die Jugendlichen haben in diesem Langzeit-Schnupperkurs die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen, die zu ihnen passt und bei der sie dann auch bleiben.“
Wie groß der Bedarf an jungen, frischen Kräften im Handwerk war, berichtet Uta Herzberg. „Wir haben schon lange auf so ein Projekt gewartet und dachten, es müsste doch ein Pendant zum FSJ geben“, so die 50-Jährige. „Als die Handwerkskammer uns im vergangenen Sommer angeschrieben hat, habe ich zu Habib gesagt: Das machen wir!“
Mit Simon und Celine seien Habib und Uta Herzberg dann sehr zufrieden gewesen – und nun sind alle vier glücklich, dass die beiden dem Betrieb erhalten bleiben.
FHJ als Win-win-Situation: Zukunft ist aber noch offen
Das Freiwillige Handwerksjahr, da sind sich beide Seiten einig, ist eine Win-win-Situation. Doch noch bleibt unklar, wie es langfristig mit dem Projekt weitergeht. Die Förderung durch das Schleswig-Holsteinische Institut für Berufsbildung läuft 2027 aus. „Das FHJ ist ein gutes Modell“, sagt Ministerin Stenke. „Wir müssen darüber sprechen, ob und wie wir das weiter ausbauen.“
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Christian Maack von der Handwerkskammer wird da deutlicher: Die Möglichkeit, ein FHJ anzubieten und zu absolvieren, spreche sich unter Betrieben und Jugendlichen herum. Je mehr Menschen davon erführen, desto mehr werde das Projekt sich verselbständigen und der Aufwand in der Organisation sinken. „Wir werden definitiv weitermachen.“
KN