Dieser Roman aus Neuseeland von Becky Manawatu, gestartet in einem Kleinverlag mit 500 Exemplaren, war zwei Jahre lang das bestverkaufte Buch der Inseln und gewann den höchstdotierten Buchpreis des Landes. Unwahrscheinlich, aber wahr ist, dass die Handlung auf einer prägenden Erfahrung der Autorin als elfjähriges Mädchen beruht.
Becky Manawatu: „Auē“, 464 Seiten, 27 Euro, Kröner Verlag. Becky Manawatu: „Auē“, 464 Seiten, 27 Euro, Kröner. Foto: Kröner Verlag
Neuseeland, Südinsel: Der 17-jährige Maori Tauk bringt seinen achtjährigen Bruder Ari aufs Land zur Tante, um ihn mitsamt Auto, Gitarre und Surfbrett auf dem Dach Richtung Nordinsel zu verlassen. Tauk, der Teenager auf Suche, kommt bei Strand-Partys und als Straßenmusiker gut an. Er ist immer knapp bei Kasse, wie sein junger Bruder gilt er als Waise.
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Im zweiten Erzählstrang lebt Ari auf dem Hof seiner Maori-Tante Kat und Onkel Stu, der dem Achtjährigen mit unverhohlener Abneigung begegnet. Es entwickelt sich die Freundschaft Aris zur gleichaltrigen Beth, die in der Nachbarschaft wohnt und seiner Sehnsucht nach dem verlorenen Bruder und dem Gefühl, unerwünscht zu sein, etwas entgegensetzt.
In einem dritten Erzählstrang wird in Rückschau das Leben der Cousinen Sav und Jade geschildert, die zu einer Maori-Gang gehören, die vor Abgründen mit Drogen und Gewalt nicht zurückschreckt. Die Cousinen versuchen, dem zu entkommen. Hier erfahren wir schließlich, was es mit Tauks und Aris Eltern auf sich hat.
Allmählich fügen sich die in Episoden abwechselnd erzählten Handlungsstränge zum Bild einer Maori-Familie. Es gelingt der Autorin meisterhaft, die Lesenden beim Geschehen zu halten und die Spannung bis zum dramatischen Höhepunkt zu steigern. Wie nebenbei tauchen sie tief ein in die neuseeländische Maori-Gegenwart, erfahren mehr über die Sprache „Te Reo“ und „Whakama“, ein nicht einfach zu übersetzendes Gefühl der Schüchternheit, das besonders unter Jugendlichen verbreitet ist.
Fazit: Wer die erzählerische Herausforderung annimmt, wird mit einer Geschichte belohnt, die an Spannung nichts zu wünschen übrig lässt. Kaum zu glauben, dass es sich um den ersten Roman der Autorin handelt.