Die Grande Place mit der Alten Börse bildet das Herz der Stadt Lille. Foto: Pixabay
Stefanie Bisping 28.08.2025 – 17:07 Uhr 3 min
Nordfrankreich ist arm, rückständig und seine Bewohner reden in einem kaum verständlichen Idiom gegen den ständig rauschenden Regen an – so stellte es einst der Kult-Film „Willkommen bei den Sch’ti“ dar, der alle Klischees über die Region bündelte (und sie zum Glück auch wieder auflöste).
Dabei wurde das an der Grenze zu Belgien gelegene Lille schon 2004 zur Europäischen Kulturhauptstadt gekürt – womöglich auch, um dem übrigen Frankreich dabei zu helfen, sich über den flandrischen Teil des Landes fortzubilden.
Die Position in der Region Hauts-de-France liegt abseits der Hauptrouten der meisten Frenkreich-Reisenden. Sie wurde 2016 aus der Picardie und Nord-Pas-de-Calais zusammengelegt, ist die nach Einwohnern drittgrößte Region Frankreichs und befindet sich zwischen Belgien und der Küste des Ärmelkanals mit ihren breiten Stränden. Lille ist ihre größte Stadt.
Universitätsstadt mit dekorativem Zentrum
Bergbau und Textilindustrie hatten eher zum Auskommen als zur Attraktivität der 238.000-Einwohner-Stadt und ihres Umlands beigetragen. Doch Lille ging den Strukturwandel entschieden an, setzte auf Kultur und Bildung, polierte die eleganten Fassaden seiner Altstadt mit prachtvoller Kathedrale und schönem Opernhaus und bietet heute nicht nur seinen mehr als 100.000 Studenten eine ansehnliche Kulisse zum Schlendern, Shoppen und Schauen.
Auch Besucher lernen Lilles Vorzüge schnell schätzen. Schon die Infrastruktur ist alles, nur nicht hinterwäldlerisch: Lille ist von Paris, London, Brüssel, Amsterdam und Köln flott mit Superschnellzügen zu erreichen.
Regen fällt zuverlässiger als im Süden
Nur ein Klischee ist nicht wegzudiskutieren: Regen fällt hier tatsächlich zuverlässiger als im Süden Frankreichs. Doch Lille besitzt mit seiner Museumslandschaft reichlich Fluchtorte, in denen sich Schlechtwettertage so angenehm wie instruktiv verbringen lassen.
Das bemerkenswerte Palais des Beaux Arts zeigt auf 22.000 Quadratmetern Werke von Goya bis Picasso und Monet bis Rodin. Bildschön ist das in einem Art Déco-Schwimmbad aus den 1920-er Jahren untergebrachte Museum für Kunst und Gewerbe (Musée d’Art et d’Industrie) im Nachbarstädtchen Roubaix.
Zweigstelle des Louvre und Strände der Opalküste
Wer noch immer nicht genug hat, kann 35 Kilometer von hier in der auf einem einstigen Zechengelände entstandenen Filiale des Pariser Louvre in Lens die Augen auf Kunst von der Antike bis zum 19. Jahrhundert ruhen lassen.
Wenn die Sonne sich dann doch wieder zeigt, füllen sich die schönen Cafés und Brasserien an der Place Charles de Gaulle. Hier bestellen die Gäste Miesmuscheln von der nahen Opalküste und genehmigen sich dazu ein Bier. Denn in Lille lebt und trinkt man so flandrisch, dass man – wie jenseits der Grenze – Bier vor Wein den Vorzug gibt.

