Streit um Busverkehr: Esslinger Sparkurs gefährdet zwei Stuttgarter Expresslinien Landesverkehrsminister Winfried Hermann (l.) beim Start der Schnellbuslinie X4 in Filderstadt. Foto: Horst Rudel

Stuttgart könnte im Oktober zwei Expressbuslinien verlieren, was nicht am Bedarf liegt, sondern an der komplizierten Finanzierung.

Von der Stadtmitte, Degerloch oder der Universität per Bus direkt und schnell ins Umland? Vier regionale Expressbuslinien X2, X4, X7 und X60 halten zurzeit im Stuttgarter Stadtgebiet. Sie sind seit ihrer Einführung 2019 beziehungsweise 2016 zu einem beliebten Zusatzangebot geworden, das langsamere Busse und die S-Bahn ergänzt.

Bisher keine Proteste aus Stuttgart

Doch warum stehen mit der X4 und der X7 nun gleich zwei der genannten vier Linien auf der Kippe? An der Nachfrage liegt es nicht. Laut Zahlen des Landesverkehrsministeriums werden sie jährlich von einer Million Menschen genutzt. Im betroffenen Kreis Esslingen, insbesondere in Filderstadt, sorgt das zurzeit für Proteste. In Stuttgart bisher nicht.

Dass die Linien wackeln, hat nichts mit dem Bedarf zu tun, sondern mit ihrer speziellen Entstehungsgeschichte. Die erwähnten blauen Busse der Linie X 60 sind hier außen vor: Diese und drei weitere, regionale Expresslinien, die Stuttgart nicht berühren, liegen in der Verantwortung des Regionalverbands und werden anders finanziert.

Busse für bessere Luft

X2, X4 und X7 sind hingegen vor sechs Jahren als Beitrag zum Stuttgarter Luftreinhalteplan entstanden, wozu auch das gescheiterte Projekt der innerstädtischen Expresslinie X1 gehörte. Streng genommen sind sie also kein normaler Nahverkehr.

Das Land Baden-Württemberg hat sie anfangs mit 75 Prozent bezuschusst. Seit Ende 2024 ist es nur noch die Hälfte. Stuttgart hat deshalb die von den Linien bedienten Umlandkreise aufgefordert, die Lücke auszugleichen. Die Kreise Ludwigsburg und Böblingen haben sich im Juli bei der Linie X2 dazu bereit erklärt.

Verkorkste Kommunikation?

Doch der Kreistag Esslingen lehnt einen Zuschuss ab. Verkorkste Kommunikation stehe dahinter, klagt nun der Filderstädter Oberbürgermeister Christoph Traub: Stuttgart habe die Buslinien mit Landeshilfe über die Köpfe der Nachbarkreise hinweg eingeführt, um schnell eine Maßnahme gegen die Feinstaubbelastung vorweisen zu können.

Warnungen, dass die Fördergelder des Landes bald auslaufen würden, seien ignoriert worden. Er habe seit Jahren darum geworben, die Buslinien als normalen Nahverkehr zu finanzieren und damit zu sichern. Andernfalls sei die Landeshauptstadt weiterhin voll dafür verantwortlich, um das als Umwelt- und Feinstaubmaßnahme zu finanzieren. Die Stadt Stuttgart nahm zu dem Brief zunächst keine Stellung.

Politisches Schwarze-Peter-Spiel

Politisch gibt es ein Schwarzer-Peter-Spiel. Während die FDP-Vertreter im Esslinger Kreistag gegen einen Zuschuss stimmten, will die Landtags-FDP die Linien retten – und gibt die Schuld dem grünen Verkehrsminister. „Als Landesregierung kann man nicht erwarten, dass man die Kosten für ein neugeschaffenes ÖPNV-Angebot nach erfolgreicher Bewährungsphase einfach auf die kommunale Ebene abwälzen kann“, sagt der Nürtinger Abgeordnete Dennis Birnstock.

Die Grünen im Kreis Esslingen verweisen hingegen auf das Abstimmungsverhalten der Liberalen im Kreistag und werfen ihnen Doppelzüngigkeit vor: „Dass nun die Freien Wähler und die FDP auf den Fildern die Buslinien erhalten wollen, ehrt sie, allerdings wäre eine Zustimmung im Ausschuss zu unserem Antrag der richtige Weg gewesen.“

Land will 2027 komplett aussteigen

2027 will das Land sogar komplett aus der Finanzierung aussteigen – und spätestens dann wird die einst willkommene Begründung, dass einige Expressbuslinien vor allem die Stuttgarter Luft verbessern sollten, zum Bumerang. Denn so fallen sie bei der üblichen Landesförderung für regionale Schnellbuslinien durch den Rost.

Der blaue „Relex“-Bus X60, der die Uni Stuttgart bedient und den es schon seit 2016 gibt, hat erst Ende 2024 die Fördergelder vom Land in Höhe von 50 Prozent verlängert bekommen.