Unweit des Friedrichstadtpalasts in Berlin-Mitte ist am Donnerstag ein Haus wegen akuter Einsturzgefahr des Dachstuhls geräumt worden. Bis kurz vor Mitternacht haben Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) den einsturzgefährdeten Dachstuhl abgesichert. „Das THW konnte seinen Einsatz erfolgreich beenden“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel am Freitagmorgen.
Es handelt sich um ein fünfstöckiges Wohn- und Geschäftsgebäude in der Reinhardtstraße 6 nahe der Ecke zur Friedrichstraße. Seit Donnerstagmorgen ist die Reinhardtstraße zwischen der Friedrichstraße und der Albrechtstraße für den Verkehr komplett gesperrt. Wie die Verkehrsinformationszentrale Berlin am Freitagmorgen mitteilt, bleibt die Straße auch am Freitag bis auf Weiteres gesperrt.
Bezirke-Newsletter: Mitte
Mehr Neuigkeiten zum Bezirk gibt es in unserem Newsletter — jede Woche per E-Mail.
Gegen 23 Uhr überprüfte ein Statiker vor Ort die Sicherungsvorkehrungen und gab dann bekannt: Die Lage ist stabil. „Das Haus kann an den Eigentümer übergeben werden, damit Fachkräfte aus der freien Wirtschaft weitere Maßnahmen vornehmen können“, sagte die Sprecherin. Das THW habe seinen Teil erfüllt und die Notlage stabilisiert. Der Einsatz sei einwandfrei und erfolgreich verlaufen. „Nun muss sich der Eigentümer kümmern“, hieß es. Ob die Straße noch gesperrt ist, konnte das THW nicht mitteilen.
Laut THW hatten 50 Einsatzkräfte den Dachstuhl von innen mit Greifzangen und Stahlseilen gesichert. Von außen brachte das THW zudem eine Barriere an, damit Teile nicht herabstürzen konnten. Gegen 20 Uhr starteten die Sicherungsmaßnahmen. Anders als zu Beginn angenommen mussten keine Teile des Daches abgetragen werden. Der Einsatz sei der Feuerwehr zufolge technisch und personell sehr aufwendig gewesen.
Gefährliche Wölbung: Das Dach hat die Fassade des Gebäudes nach vorne gedrückt.
© Jule Damaske
Am Freitagnachmittag sollen die Bewohner ihr Haus wieder betreten können. Allerdings müsse das Gebäude erst durch einen Baustatiker und die Bauaufsicht des Bezirks freigegeben werden, sagte ein Feuerwehrsprecher am Donnerstag.
Nach Angaben der Feuerwehr hatte sich der Dachstuhl des Gebäudes nach vorne geschoben und ein Stück der Fassade in Richtung Straße gedrückt. Bereits vom Gehweg war erkennbar, dass sich die Fassade und das Dach wölben. Ein Drohnenfoto aus der Luft zeigte, dass sich das Dach selbst auch nach innen wölbt. Das Dach des Gebäudes galt zunächst laut Feuerwehrsprecher als akut einsturzgefährdet.
Melanie Probandt / Jule Damaske
Das THW rückte am Donnerstagnachmittag mit Spezialgeräten an, um den Dachstuhl abzusichern. Da befürchtet wurde, dass Teile des Dachs auf den Gehweg stürzen könnten, wurden die Geschäfte im Erdgeschoss der angrenzenden Gebäude gesperrt – mehrere Restaurants, eine Apotheke und eine Bäckerei mussten schließen, ebenso die Bundesgeschäftsstelle der FDP.
In dem Straßenabschnitt mussten auch alle parkenden Autos weggefahren oder abgeschleppt werden, damit das THW genug Platz für seinen Einsatz hatte. Wer abgeschleppt werde, müsse dafür aber nicht zahlen, sagte ein Polizist vor Ort. Soweit möglich, sollten die abgeschleppten Autos in Nebenstraßen umgesetzt werden.
Die Reinhardtstraße wurde gesperrt. Geparkte Autos mussten umgesetzt werden.
© Jule Damaske
Die Feuerwehr rückte mit einem Kran an.
© Jule Damaske
Im Vordergrund des Einsatzes stand zunächst, den Dachstuhl provisorisch zu sichern, damit keine Gebäudeteile abbrechen und Menschen verletzen können. Es gehe um die akute Gefahrenabwehr, hieß es. Am späten Nachmittag betraten drei Statiker vom THW und vom Bezirk Mitte den Dachstuhl, um zu prüfen, wie weiter vorgegangen werden soll.
Am Donnerstagnachmittag hatte die Feuerwehr die Einsatzstelle größtenteils an das THW übergeben, sagte ein Feuerwehrsprecher, und unterstütze die Kräfte bei den Arbeiten am Dach mit einer Drehleiter und einem Führungsdienst. Von Innen wurde die Holzkonstruktion des Dachstuhls von der Feuerwehr bereits provisorisch mit Gurten gesichert, dies wurde vom THW noch mit Stahlseilen verstärkt.
Alle Mitglieder vom THW, die am Donnerstag und Freitag im Einsatz waren, arbeiten ehrenamtlich. Wie die Sprecherin dem Tagesspiegel mitteilte, gibt es bundesweit 88.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Nur 2000 Menschen sind hauptamtlich tätlich. Dementsprechend arbeiten 98 Prozent des THWs ehrenamtlich.
Auch das Technische Hilfswerk rückte an.
© Jule Damaske
Der Dachstuhl sollte von innen und außen gesichert werden.
© Jule Damaske
Ein Sensorsystem des THW sollte weitere statische Veränderungen am Haus scannen. Laser überwachen dabei den Dachstuhl und registrieren jede Bewegung – so werden die Einsatzkräfte im Notfall gewarnt, dass sie das Haus verlassen müssen.
Das Technische Hilfswerk rückte mit Spezialgeräten an. Von der Sperrung betroffen war auch die Geschäftsstelle der FDP.
© Jule Damaske
Die Feuerwehr setzte zur Sichtung des Hauses eine Drohne ein. (Foto aktuell)
© Jule Damaske
13 Hausbewohner waren von der Räumung betroffen. Wie ein Feuerwehrsprecher sagte, wohnten noch mehr Menschen in dem Haus, waren aber am Morgen nicht anwesend und zum Beispiel im Urlaub. Von der Feuerwehr hieß es am Abend, dass alle Anwohner Ersatzunterkünfte bei Bekannten gefunden hätten, das Bezirksamt habe keine Anwohner unterbringen müssen.
„Die Feuerwehr hat mich geweckt, sonst hätten sie den Schlüsseldienst geholt“, sagte ein junger Bewohner des Hauses der Nachrichtenagentur DPA, als er seine Wohnung verlassen musste. „Ich habe ein paar Anziehsachen eingepackt, Zahnbürste. Was man halt so braucht.“ Den folgenreichen Schaden am Dach habe er nicht kommen sehen.
Anwohner und Miteigentümer beauftragten Statiker
Nach Auskunft eines Miteigentümers sind sowohl er als auch weitere Anwohnende des Hauses vor einigen Tagen auf dem Dach gewesen und hätten dort zufällig einen Schaden entdeckt. Sie hätten daraufhin einen Statiker zur Einschätzung der Folgen beauftragt. „Es ist nicht irgendjemand Drittes gekommen und hat das festgestellt, sondern wir haben das veranlasst. Sonst wäre wahrscheinlich nichts passiert.“
„Weil weitere Veränderungen nicht ausgeschlossen werden konnten, wurde heute auch die Feuerwehr mit hinzugezogen“, sagte ein Feuerwehrsprecher am Donnerstag.
Bilder auf der Plattform Google Streetview zeigen, dass bereits seit 2022 eine Verschiebung des Dachs erkennbar ist. Auch Oktay Rude kann das bestätigen. Er besitzt einen Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite und sagt, dass die Wölbung seit knapp fünf Jahren sichtbar sei.
Oktay Rude vor seinem Kiosk in der Reinhardtstraße.
© Jule Damaske / Tagesspiegel
Das Haus wurde nach Auskunft eines Anwohners vor 20 Jahren saniert. Er wohnt in der ersten Etage und hofft, dass er nicht in ein Hotel ziehen muss. Von dem Großeinsatz erfuhr er durch einen Nachbarn. Dieser hatte ihn auf der Arbeit angerufen und gefragt, ob er schon Bescheid wüsste. Zwei weitere Anwohner wurden in das Haus begleitet, um Sachen für die Nacht zu holen.
Mehr aus Berlin: Milliarden vom Bund Wofür der Berliner Senat das Sondervermögen ausgeben will 32 Jahre für 3,2 Kilometer Wie Berlin mit der A100-Verlängerung Geschichte schrieb Zehn Jahre nach „Wir schaffen das“ Wie gut gelingt Berlins Schulen die Integration von Geflüchteten?
Der Vorfall erinnert an ein Haus in Berlin-Schöneberg, das im April ebenfalls wegen Einsturzgefahr evakuiert werden musste. Damals waren Risse in dem Gebäude an der Ecke Goltz-/Grunewaldstraße entdeckt worden. Die neun Mieterinnen und Mieter durften rund einen Monat lang nicht in ihre Wohnungen zurück, bis ein Prüfstatiker eine Stahlkonstruktion zur Stützung eines Erkers freigab. (mit dpa)