Und wieder heißt die Siegerin “Biotherm”. Paul Meilhat und seine Crew haben sich nach Siegen auf Etappe eins und zwei sowie bei jeder bisherigen Zwischenwertung auf dem Kurs von Cartagena nach Nizza auch das dritte Etappengold geholt. Daran konnten die sehenswerten Attacken und die zwischenzeitliche Führung von “Holcim-PRB” nichts ändern. Und lag “Biotherm” einmal nicht vorne, dauerte es meist nicht lange, bis die Crew eine neue Chance nutzte und den angestammten Platz wieder einnahm.
Erfolg im Ocean Race: Wie Team Biotherm tickt
“Ich habe es in Kiel schon gesagt: Dieses Rennen ist unser Jahreshöhepunkt. Ich glaube, es ist sehr wichtig, das auch auszusprechen. Ich habe für den Erfolg in diesem Rennen alles reingegeben, was ich konnte. Und es funktioniert”, sagte Paul Meilhat im Gespräch mit der YACHT in Nizza. Und auch dies: “Wir haben alle Kästchen mit den Aufgaben für dieses Rennen abgehakt. Und natürlich ist es toll, wenn du im Sport gewinnst.”
Es ist eine ganze Weile her, dass ich ein Rennen gewonnen habe. Wenn du lange auf einen Sieg warten musst, macht es ihn noch wertvoller.” Paul Meilhat
Nach wie vor sieht Meilhat sowohl sein Boot als auch seine Crew als wichtigste Faktoren für die bisherigen Erfolge, sagte: “Klar, das Boot ist schnell in diesen Bedingungen. Und die Crew ist stark, jeder hat inzwischen seinen Platz gefunden. Und die Plätze sind gut verteilt, was wirklich wichtig ist. Die Strukturen sind klar.”
Es ist einfacher, wenn du weißt, was du willst.” Paul Meilhat
“Biotherm”-Co-Skipperin Amélie Grassi fasste das Erfolgsrezept der Mannschaft so zusammen: “Die erste Zutat ist das Boot. Wir haben ein ziemlich gutes Boot für dieses Rennen. Wir sind wirklich schnell in leichten Winden, am Wind und Downwind-VMG. Wir sind eigentlich die ganze Zeit ziemlich schnell.”
Die Zutaten für Erfolg im Ocean Race Europe
Dazu käme, dass die Crew ihr Boot sehr, sehr gut kenne. Grassi sagte: “Wir verbringen nicht so viel Zeit mit der Suche nach Speed. Wir wissen nach jedem Manöver, wie wir das Boot managen müssen, um es so schnell wie möglich wieder schnell zu machen. Und die zweite Zutat ist das Team. Wir haben ein starkes Team an Land, fast das gleiche wie im Ocean Race 2023. Sie kennen sich gut. Und sie kennen das Boot gut.”
Zur Segel-Equipe sagte Amélie Grassi: “Und dann haben wir auch ein starkes Team an Bord mit sehr gutem Teamgeist. Wir arbeiten gut zusammen. Paul gibt uns gute Energie. Sam macht einen tollen Strategie-Job. Wir haben viel Spaß zusammen auf dem Boot, aber auch an Land. Vielleicht ist das die dritte Zutat.”
Wir verbringen auf dem Wasser und an Land gerne Zeit zusammen. Diese Energie ist wie Kraftstoff für unsere Leistung.” Amélie Grassi
Ob die souveräne Führung im Ocean Race nun eher Luxus oder auch Last für Team Biotherm sind? Skipper Paul Meilhat sagt: “Nein, ich bin sehr glücklich, diesen Vorteil jetzt zu haben. Aber es ist Offshore-Segeln. Es kann immer etwas passieren. Es ist noch nicht geschafft.” Team Biotherm führt das Klassement mit 34 Punkten souverän vor den punktgleichen Teams Holcim-PRB und Paprec Arkéa (23 Punkte) und Team Malizia (16 Punkte) an. Immer noch maximal 25 Punkte sind auf den verbliebenen zwei Etappen mit zwei Bonuspunkt-Wertungen und im finalen Küstenrennen im besten Fall zu holen.
Rosalin Kuiper bläst zum Angriff
Im Kampf um diese Punkte ist der Crahs- und Comeback-Crew auf “Holcim-PRB” einiges zuzutrauen. Keiner der Skipper oder Segler im Ocean Race Europe war nach dem Finale von Etappe drei in Nizza so adrenalingeladen wie Rosalin Kuiper. Die “Holcim-PRB”-Dirigentin reckte oft ihre Faust in den knackblauen Himmel über Nizzas Vieux Port, schwärmte vom “intensiven Kampf mit “Biotherm”.
Die niederländische “Holcim-PRB”-Skipperin berichtete, wie sie die Gegner im Rennen permanent habe “förmlich riechen können”, freute sich über den “schönen zweiten Platz”, beschrieb mit sehr aktiver Mimik und Gestik die Herausforderungen der häufig “komplett unvorhersehbaren Winde” dieser dritten Etappe. Vor allem ließ Rosalin Kuiper ihrer Freude über das Erreichte 19 Tage nach dem dramatischen Crash mit Allagrande Mapei Racing in Kiel freien Lauf.
Am Ende der dritten Etappe hieß aber trotz der formidablen “Holcim-PRB”-Leistung die Siegerin einmal mehr “Biotherm”, deren Crew sich im Duell mit Rosalin Kuiper, Franck Cammas, Carolijn Brouwer und Navigator Nico Lunven durchsetzte. “Die Schlüsselszene fand an der Spitze von Mallorca statt. Wir lagen vorne, sind ohne Wind hängengeblieben. Sie haben das gesehen und clever reagiert”, beschrieb Ocean-Race-Siegerin Carolin Brouwer die entscheidende Phase im Duell der beiden Top-Teams auf dem Abschnitt zwischen Cartagena und Nizza.
Duell zwischen “Biotherm” und “Holcim-PRB”
Danach konnte die Crew auf “Holcim-PRB” die Führung nicht mehr zurückerobern. Über die oft gar nicht mehr berechenbaren Windensagte “Holcim-PRB”-Navigator Nico Lunven lächelnd: “In dem Moment, in dem du die Windprognosen angeschaut hast, gab es manchmal Unterschiede von 180 Grad in den Windwinkeln. Damit kann man kein Wetter-Routing machen – damit spielt man vielleicht Karten oder Schach, aber man macht damit kein Routing.”
Zur Dominanz von Team Biotherm sagte Nico Lunven lachend: “Wir mögen diese Crew, aber langsam reicht es.” Eine Kampfansage schickte der meist zurückhaltende Franzose in Richtung Paul Meilhat und Crew aber auch: “Sie haben sich insgesamt einen recht komfortablen Vorsprung erarbeitet, aber solange wir Montenegro noch nicht erreicht haben, kann noch alles passieren!”
Die Karten sind zur Halbzeit schon recht deutlich verteilt: “Biotherm” führt das Klassement mit strahlend weißer Weste und den maximal möglichen 34 Punkten an. Es müsste einiges passieren, um dieses Boot noch vom Europa-Thron zu schubsen.
Team Malizia verliert im finalen Mittelmeer-Poker
Team Malizia (16 Punkte) hat mit Rang fünf auf dieser dritten Etappe seine Top-Drei-Platzierung im Zwischenklassement vorerst verloren. In der Nacht vor dem Nizza-Finale hatte “Malizia – Seaexplorer” im Dreikampf mit Ambrogio Beccarias Team Allagrande Mapei Racing und mit “Paprec Arkéa” ohne den aussetzenden Yoann Richomme, aber mit Pascal Bidégorry, Yann Eliès, Corentin Horeau and Mariana Lobato, noch einmal bis auf Rang drei vorstoßen können. Die Freude darüber währte nicht lange.
“Sie konnten am Ende etwas schärfer reachen, als wir eine halbe Stunde über dem Gate rausgekommen sind”, räumte Boris Herrmann eine Schlüsselszene im Dreikampf um Platz vier ein. Eine Layline über 35, 40 Seemeilen, die dann binnen 30 Minuten ein paar Male so hin- und hergehe, sei schwer zu sehen, erklärte Herrmann. Da spiele auch der Zufall eine Rolle.
Die beiden Gegner seien im nächtlichen Endspurt im sich ständig ändernden Windroulette “etwas unter dieser Layline” rausgekommen und haben mit 38 Knoten reinfahren können. “Und du kommst dann mit 20 Knoten. Dann bist du dahinter”, gab Herrmann Einblicke in die sich schnell verändernden Bedingungen im Mittelmeer-Poker, den Team Malizia auf dieser dritten Etappe im Dreikampf-Finale verloren hat.
Speedvermögen macht den Unterschied
Einer der Gründe dafür sind die unterschiedlich ausgeprägten Speed-Talente der Imocas. Boris Herrmann sagte: “Wir haben vielleicht ein kleines Edge auf sie in leichten Amwindbedingungen, aber wenn es dann ein bisschen schnelleres Reaching gab, waren sie letzte Nacht doch sehr, sehr schnell.”
Boris Herrmann und sein Team beendeten die Etappe trotz der Verluste am Ende in positiver Stimmung. Der Skipper sagte: “Ich bin sehr stolz auf mein Team. Sie haben sehr hart gearbeitet.” Das Ocean Race Europe bleibt für ihn ein spannendes Rennen “mit toller Route”. Einen Vorschlag hat Boris Herrmann zur Wertung: “Es wäre vielleicht interessanter, die Zeiten der Etappen zu addieren und nicht die Punkte. Dann wären wir jetzt vermutlich im Match. Das würde es offener machen und könnte interessant sein.”
Der Startschuss zur vierten Etappe im Ocean Race Europe fällt nach sonnigem Wochenende in Nizza bereits am Sonntag um 16.55 Uhr. Viel Zeit bleibt den Crews bei der atemlosen Europa-Hatz nicht zum Ausruhen. Im Team Malizia ist ab Sonntag erstmals bei diesem Rennen Team-Gründer Pierre Casiraghi im Einsatz. Der Monegasse greift an der Seite von Boris Herrmann, Cole Brauer und Francesca Clapcich an. Hier geht es zum Tracking, sobald Etappe vier läuft.
Wir haben die Etappe nach Genua im Ocean Race um die Welt gewonnen. Eine gute Erinnerung…” Boris Herrmann
“Biotherm” setzt ihren Triumphzug im Ocean Race Europe fort: