In diesem nüchternen Nachkriegsbau empfing Ministerpräsident Daniel Günther meine Kollegin Ingrid Haese, unseren Fotografen Martin Rose und mich am vergangenen Montag zum Interview.

Das Gebäude passt gut zum Bild, das unser MP nach außen trägt und dessen Wirkung er gewiss für sich zu nutzen weiß: Er ist kein Mann der großen Gesten. Keiner, der wie Markus Söder mit großen Tönen seine Muskeln spielen lässt oder wie Friedrich Merz den ideologischen Florettkämpfer gibt. Günther ist ein Ministerpräsident, der lieber an stillen Hebeln zieht, als auf der Bühne ein Feuerwerk zu zünden. Doch genau dieser Stil sorgt für Misstrauen. Manche in der CDU sehen in ihm einen verkappten Sozi. Zu sanft, zu kompromissbereit, zu wenig kantig. Aber vielleicht liegt in diesem vermeintlichen Makel seine Stärke. Wer Günther zuhört, erkennt: Hier spricht einer, der Politik nicht als Kulturkampf versteht, sondern als mühselige Handarbeit.

Beim Prestigeprojekt Batteriefabrik bei Heide hält er an seiner Linie fest: Optimismus statt Alarmismus. Egal unter welchem Namen dort irgendwann Batterien gebaut werden. Egal, ob sie tatsächlich Elektroautos antreiben: Die Westküste soll zum Energie- und Industriestandort werden. „Hartnäckig bleiben“ lautet Günthers Botschaft. Und die klingt eher nach Ackerfurche in Dithmarschen als nach Hightech im Silicon-Valley. Doch genau das ist sein Rezept: beharrlich, geduldig, ohne große Schlagzeilen. Seine Antworten im Interview zeigen zugleich die Grenzen dieses Pragmatismus. Ob Strompreise, Marschbahn oder A 20: Günther spricht vom „Begleiten“, „Vorfinanzieren“, „Geduld haben“. Das ist ebenso ehrlich wie aber auch ernüchternd. Schleswig-Holstein bleibt ein Land der langen Wege, nicht nur geografisch.

Und doch: Während in Berlin SPD und Union sich im Dauerstreit zerfleischen, lebt Günther in seiner Koalition mit den Grünen das Gegenteil vor. Er redet von Gemeinsamkeit, Verantwortung, Zusammenhalt. Nicht als Floskel, sondern als Haltung. Vielleicht ist das spießig, vielleicht auch unspektakulär. Aber in Zeiten, in denen die AfD von Wut und Zynismus profitiert, wirkt Günthers Stil fast wie ein demokratisches Gegenmittel.

Nein, er ist kein verkappter Sozi. Er ist ein norddeutscher Pragmatiker. Einer, der lieber in Büsum Krabbenbrötchen isst als auf Parteitagen Parolen brüllt. Das mag manchen zu langweilig erscheinen. Aber vielleicht ist es genau die Politik, die ein Land wie Schleswig-Holstein braucht: nüchtern, beharrlich, unspektakulär. Wie der rote Backstein in Kiel.

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