Hessen will bis 2045 klimaneutral werden und setzt dafür auch auf Solarenergie. Vom Solarboom der vergangenen Jahre haben etliche hessische Firmen profitiert, doch mittlerweile klagen viele über mangelnde Nachfrage und zunehmende Konkurrenz.

Mehrere Reihen Photovoltaik Modulen bei tief stehender Sonne

Auch mit Solarenergie will Hessen klimaneutral werden.
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Lange war SMA Solar aus Nordhessen ein Vorzeigeunternehmen. Doch mittlerweile steckt der Solartechnikhersteller in der Krise und muss sparen. 1.100 Jobs sollen weltweit wegfallen, stark betroffen ist die Unternehmenszentrale in Niestetal (Kassel). Das Unternehmen setzt auf ein Freiwilligenprogramm und auf die normale Fluktuation samt Renteneintritte. Dazu lässt es befristete Stellen auslaufen.

SMA Solar stellt für Photovoltaikanlagen Wechselrichter her. Die seien weniger gefragt als zu Zeiten der Energiekrise, berichtet der Vorstandsvorsitzende Jürgen Reinert. Damals hätten sich viele von Gas und Öl unabhängig machen wollen und auf erneuerbare Energien gesetzt. „Aber als die Angst verflogen ist, sind die Aufträge ausgeblieben, der Markt ist abgekühlt“, meint Reinert.

Ware aus China gibt es zu Dumping-Preisen

Auch die weltweiten Handelsstreitigkeiten und neuen Zölle setzen SMA Solar unter Druck. Weil asiatische Anbieter auf dem US-amerikanischen Markt unerwünscht seien, kämen sie mit ihren Produkten verstärkt nach Europa, erklärt Reinert: „Die bieten sie hier zu sehr niedrigen Preisen an, das bringt uns zusätzliche Probleme.“

Die Billigkonkurrenz aus Asien macht auch anderen Firmen zu schaffen. Solarnative aus Kriftel, ebenfalls ein Hersteller von Wechselrichtern, musste deshalb im vergangenen Jahr sogar den Geschäftsbetrieb aufgeben und Insolvenz anmelden.  

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03:14 Min.|27.08.25|Ursula Mayer

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Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Wiesbaden hatten zuletzt 2022 in Hessen 73 Firmen mit Solarenergie zu tun. Entweder stellten sie Bauteile für die Anlagen her oder sie installierten und warteten sie. Zusammen erzielten sie einen Umsatz von knapp 1,3 Milliarden Euro. Drei Jahre zuvor gab es dagegen noch 80 Unternehmen.

Den Solarboom nutzen auch Kriminelle aus

Unter Wettbewerbsdruck leiden auch viele Installateure. Dazu zählt die Franchise-Firma Enerix Frankfurt. Die habe sich lange vor Aufträgen kaum retten können, berichtet Geschäftsführer Matthias Kögel. Im vergangenen Jahr habe sich das geändert, wegen der wachsenden Konkurrenz. So würden etwa bundesweit tätige Firmen wie Enpal und 1Komma5Grad immer mehr Aufmerksamkeit gewinnen.

„Es hat ein regelrechter Unterbietungswettkampf angefangen“, erklärt Kögel. Und unter den Firmen habe es auch einige schwarze Schafe gegeben. „Da gab es viel Betrug und Pfusch“, berichtet der Geschäftsführer.

Enerix plant und installiert Photovoltaikanlagen im Rhein-Main-Gebiet und im Taunus für gewerbliche und private Kunden. Da spürt Kögel nach eigenen Aussagen eine gewisse Zurückhaltung, vor allem angesichts der aktuellen politischen Diskussion rund um die Förderung: „Die Ankündigung, die Einspeisevergütung für neue Anlagen abzuschaffen, ist schädlich für unser Geschäft.“ Die Kunden seien verunsichert, würden Projekte verschieben oder stornieren.

Braucht es überhaupt noch eine Förderung?

Deshalb hat sich Kögel mit einem Brief an Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) gewandt. Für ihn stehe die Existenz seines Unternehmens und die Zukunft seiner vier Mitarbeiter auf dem Spiel. Beim Ministerium heißt es, Förderungen zu überprüfen, sei ein normaler Vorgang. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Photovoltaik in den Vorjahren massiv ausgebaut worden sei.  

Ein Trend, der sich auch in Hessen klar erkennen lässt. Wie aus aktuellen Zahlen des Marktstammdatenregisters hervorgeht, gibt es in Hessen mittlerweile rund 333.000 Anlagen auf Feldern, Dächern und an Balkonen. Dabei sind Balkonkraftwerke noch nicht so verbreitet, weil die Gesetze dafür erst 2024 in Kraft getreten sind.

Solarstrom am besten selbst verbrauchen

Darauf hat sich die Frankfurter Firma Balkono spezialisiert. Vor zwei Jahren hat Joschua Bauer sie gegründet. Er bringt die Module mit dem Rad und Anhänger zu den Kunden. Balkonkraftwerke würden ihn faszinieren, sagt Bauer: „Man hängt sie auf und schon liefern sie jeden Tag Strom.“ Der wird nicht gefördert, Besitzer von Balkonkraftwerken sollten daher so viel wie möglich selbst verbrauchen.

Das empfiehlt Karsten McGovern, Geschäftsführer der Landesenergieagentur Hessen, auch mit Blick auf die größeren, geförderten Anlagen. „Die werden wie die Speicher günstiger, deswegen lohnt es sich immer mehr, sie für den Eigenbedarf zu nutzen“, sagt McGovern. „Kombiniert etwa mit einer Wärmepumpe oder einem Elektroauto rentieren sich die Anlagen auch ohne Förderung.“

Trotzdem könnte eine Streichung der Förderung laut Landesenergieagentur die Energiewende bremsen, die Nachfrage nach Anlagen könnte einbrechen.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Wiesbaden haben Photovoltaikanlagen zwar 2023 rund 2.280 Gigawattstunden in die Stromnetze eingespeist. Damit würden erneuerbare Energien für die Stromerzeugung immer wichtiger, sagt McGovern. Aber in den Bereichen Heizen und Verkehr gebe es viel Luft nach oben. Dabei will das Land Hessen bis 2045 klimaneutral werden.

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