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Ökonom Marcel Fratzscher kritisiert in seinem neuen Buch die Generation der Babyboomer. Sie tragen „erhebliche Verantwortung“ für die aktuellen globalen Krisen.

Berlin – Babyboomer weigern sich, die aktuellen Probleme anzuerkennen. Sie „schieben die Last der Lösung auf die Jungen“. Mit deutlichen Worten kritisiert der Ökonom Marcel Fratzscher eine der älteren Generationen in der WirtschaftsWoche. Als mögliche Maßnahme schlägt er ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentner vor. Seine Kritik trifft – nach Definition des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung – Personen, die „etwa von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre geboren wurden“. Das sind die Babyboomer. Fratzscher zog dabei umgehend Kritik auf sich.

DIW-Chef Fratzscher schlägt verpflichtendes soziales Jahr für Rentner vor

Fratzscher geht dabei noch einen Schritt weiter und wirft den „Boomern“ vor, für viele der heutigen Krisen verantwortlich zu sein. „Junge Menschen sorgen sich vor Klima– und Umweltzerstörung, dem Verfall der Demokratie, geopolitischen Konflikten, Armut und unsicherer Daseinsvorsorge. Vor hohen Wohnkosten, dem Verlust des Jobs und den Folgen der technologischen Umbrüche“, sagt er der WiWo. Dafür trügen die Babyboomer eine „erhebliche Verantwortung“. Ihr Verhalten der letzten 35 Jahre habe „uns in die Krisen geführt“. In einem aktuellen Buch habe er darum einen neuen Generationenvertrag gefordert.

Babyboomer auf der Bank sitzend: Ökonomen fordern mehr Verantwortung. (Symbolbild)Babyboomer auf der Bank sitzend: Ökonomen fordern mehr Verantwortung. (Symbolbild) © IMAGO / Sven Simon

Im Spiegel hat der DIW-Präsident Fratzscher ebenfalls Details dazu genannt. Die Lösung von Problemen wie Personalmangel in Bereichen wie Pflege, Gesundheit oder Verteidigung würden häufig den Jungen aufgebürdet. Eine fairere Verteilung der Lasten sei notwendig. „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, sagte Fratzscher.

„Wir sollten ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner einführen. Gesundheitlich werden das manche nicht können, aber dafür gibt es auch bei jungen Leuten Regelungen“, schlug der 54-Jährige vor. Mit Blick auf den Verteidigungsbereich erläuterte Fratzscher, benötigt würden technische Fähigkeiten. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?“

Gewerkschaft und Sozialverbände kritisieren Fratzscher-Aussagen

Damit zog Fratzscher von mehreren Seiten Kritik auf sich. Zudem lösten kontroverse Aussagen des Ökonomen über die ältere Generation Widerspruch aus. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) wies Vorwürfe des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus einem Spiegel-Interview zurück. Demnach habe die Boomer-Generation zu wenig Kinder bekommen. „Wieso sollten ausschließlich die Jungen für diese Lebensentscheidungen der Babyboomer geradestehen?“, hatte Fratzscher gefragt.

„Die Lebensentscheidung, keine vier Kinder zu bekommen, erfolgte bei Millionen Menschen auch aus finanziellen Gründen“, sagte SoVD-Chefin Michaela Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur und verwies auf eine gestiegene Notwendigkeit zur Erwerbsarbeit für beide Partner wegen steigender Kosten. „Ihnen nun daraus einen Strick zu drehen, dass man sich zur Strafe gefälligst im Rentenalter engagieren müsse, empfinden wir als respektlos“, fügte Engelmeier hinzu.

Kritik kommt auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): „Ein Pflichtjahr für Rentner lehnen wir ab. Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, hat seinen Ruhestand unbedingt verdient. Wir warnen davor, mit solchen Vorschlägen Generationen gegeneinander auszuspielen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. „Die Frage, wer tatsächlich auf wessen Kosten lebt, ist in allererster Linie eine Frage zwischen Reich und Arm, also zwischen Kapital und Arbeit, und nicht etwa zwischen den Generationen.“

DIW-Ökonom schlägt Boomer-Soli vor

Der Vorschlag für einen Rentner-Dienst ist nicht der einzige kontroverse Vorstoß aus Fratzschers DIW. Mitte Juli hatte das Institut sich bereits für einen „Boomer-Soli“ starkgemacht – eine Solidaritäts-Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte. Dies könne ein wichtiger Baustein zur Stabilisierung des Rentensystems in Deutschland sein.

Der Soli würde fällig auf alle Alterseinkünfte von Senioren, deren Einkommenshöhe zu den obersten 20 Prozent gehört, erläuterte Fratzscher im Spiegel. Beamte und Selbstständige und „auch Vermögende mit fünf Immobilien“ würden einzahlen. „Zugutekäme das den 40 Prozent Rentnern mit den geringsten Einkommen.“ (mit Material der dpa)