Rund 180 Euro pro Tonne für Qualitätsweizen, das sei zu wenig, beklagte Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied bei der Vorstellung der Erntebilanz 2025: „Wirtschaftlicher Getreideanbau ist bei diesen Preisen schlichtweg nicht mehr möglich.“ Manche Landwirte sehen einen Schuldigen: die Ukraine. Die sozialen Medien sind voll von Kommentaren: „Billiger Weizen kommt aus der Ukraine, deutscher Qualitätsweizen landet in der Biogasanlage.“ Oder: „Wir importieren vergiftetes ukrainisches Getreide!“

Getreidepreise sind Weltmarktpreise

Tatsache ist, so Bauernverband, Bundeslandwirtschaftsministerium, Mühlenverband oder der Agrarhändler BayWa: Getreidepreise sind Weltmarktpreise und orientieren sich an den großen Börsen in Paris und Chicago. „Ist die Versorgung mit Getreide weltweit gut – wie aktuell der Fall – ist der Preis niedrig. Egal woher das Getreide stammt“, so Anne-Kristin Barth vom Verband der Getreide- und Mühlenwirtschaft.

„Russland geht mit Kampfpreisen auf den Weltmarkt“

Die Ukraine sei schon immer ein großer Player auf dem Weltmarkt gewesen, die größten Weizenexporteure aber seien Russland und die USA, bestätigen alle Marktexperten. Bauernverbandspräsident Rukwied beschuldigt Russland, mit „Kampfpreisen“ auf den Weltmarkt zu gehen und den Weizenpreis als „politische Waffe“ einzusetzen: „Russland hat zwei große Ernten eingefahren. Die platzieren sie am Weltmarkt und den Märkten, die ursprünglich auch die Ukraine traditionell beliefert hat, wie Nordafrika oder der Nahe Osten.“

Ministerium: Keine „Überschwemmung“ des Marktes

Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums gibt es keinen Zusammenhang zwischen ukrainischen Getreideimporten und niedrigen Preisen in Deutschland. Bereits vor Beginn des Krieges war die EU der größte Importeur ukrainischer Agrarwaren. Die Hauptabnehmer hätten sich in den letzten fünf Jahren nicht geändert und seien weiterhin Spanien, die Niederlande, Polen und Italien. Die Ukraine exportiere zudem wieder vermehrt in Drittstaaten. „In Deutschland macht ukrainischer Weizen nur einen Anteil von 1,8 Prozent an den Gesamtimporten aus. Von einer ‚Überschwemmung‘ unseres Marktes kann nicht die Rede sein“, so ein Ministeriumssprecher.

Ukrainischer Weizen für Mühlen nicht geeignet

Auch Anne-Kristin Barth vom Verband der Getreide- und Mühlenwirtschaft sagt: „Solche Behauptungen hören wir immer wieder, sie sind aus unserer Sicht Fake News.“ 95 Prozent des Getreides in den deutschen Mühlen stammten aus Deutschland. Der Rest aus Frankreich, Österreich, Polen und Tschechien – Ländern, die grenznahe deutsche Mühlen regional versorgen könnten. „Für deutsche Mühlen spielt ukrainisches Getreide keine Rolle. Es ist weder günstiger noch bezüglich der Qualitätsstandards (zum Beispiel durch Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die in der EU nicht erlaubt sind) für die Müllerei geeignet“, so Barth.

Nicht alle Zahlen werden erfasst

Dennoch sei das ganze Thema schwierig zu fassen, erklärt Petra Kubitza von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. 2024 wurden in Bayern 3,3 Millionen Tonnen Getreide geerntet, rund 10.000 Tonnen Weizen wurden direkt aus der Ukraine eingeführt. Es werde aber nicht erfasst, wie viel ukrainisches Getreide aus anderen Bundesländern nach Bayern käme oder in Importen beispielsweise aus Polen enthalten sei. Gegen eine „Überflutung“ heimischer Märkte sprächen aber hohe Transportkosten, fehlende Infrastruktur und oft ungewisse Qualitäten.

EU hat wieder Zölle eingeführt

Seit 6. Juni 2025 gelten wieder Zölle für ukrainische Agrarimporte in die EU. Die waren nach dem Angriff Russlands im Juni 2022 ausgesetzt worden, um die Ukraine zu unterstützen, nachdem Russland die traditionellen Schwarzmeer-Schiffswege blockiert hatte. Seit Juni verhandelt nun die EU mit der Ukraine über ein Freihandelsabkommen, mit Hinblick auf einen möglichen EU-Beitritt. Die Ukraine will sich in diesem Abkommen verpflichten, schrittweise EU-Produktionsstandards zu übernehmen. Wann das Abkommen in Kraft tritt, ist noch unklar. „Es wird intensiv an einer Einigung gearbeitet“, so eine Sprecherin der EU-Kommission.