Der ewige Streit um Lärm

Berliner Wirte wollen abends länger öffnen

Sa 30.08.25 | 07:46 Uhr | Von Von Sylvia Tiegs

Ein Mann sitzt vor dem geöffneten Café "Schwarz Sauer" im Prenzlauer Berg (Quelle: picture alliance/Caro/Teich).

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Das Berliner Verwaltungsgericht hat einem Pankower Café vorläufig erlaubt, nach 22 Uhr draußen zu bewirten. Wirte in Mitte überlegen nun, ebenfalls eine längere Öffnung einzuklagen. Die Debatte um Kneipenlärm contra Anwohnerschutz entflammt erneut. Von Sylvia Tiegs

An lauen Sommerabenden ist Hochbetrieb vor den vielen Kneipen und Restaurants im Weinbergsweg in Berlin-Mitte. Alle wollen draußen sitzen. Beim Essen und Trinken wird gelacht und sich unterhalten – aber ab 22 Uhr ist auf der Straße Schluss. Dann müssen Wirte wie Claudius-Roman Schmidt ihre Gäste hineinbitten, damit es für die Anwohner nicht mehr so laut ist.

Die Wirte Claudius-Roman Schmidt und Giovanni Massaro sitzen abends draußen an einem Bartisch (Quelle: rbb).Claudius-Roman Schmidt und Giovanni Massaro wollen eine Regelung wie für das „Schwarz Sauer“ erwirken. | Bild: rbb

Schmidt betreibt die Bar „100 Gramm“ im Weinbergsweg und hadert mit dieser Auflage des Bezirkes: „Ich bin hier in der Gegend aufgewachsen und meine, das ist ein Ausgehviertel. Hier ist viel Leben. Da sollte es erlaubt sein, dass man auch nach 22 Uhr Betrieb hat.“

Schmidts Nachbar, Giovanni Massaro vom Restaurant „La Premiata“, musste nach eigenen Angaben 7.000 Euro Strafe zahlen, nachdem ihn das Ordnungsamt dabei erwischt hatte, wie er um 22:25 Uhr draußen noch Gäste bediente. „Wegen 25 Minuten Verspätung, das finde ich ein bisschen krass“, sagt Massaro.


Umsatzeinbruch am Abend

Schmidt, Massaro und ein paar weitere benachbarte Gastwirte überlegen nun, ob sie auf gerichtlichem Wege längere Öffnungszeiten für ihre Außenbereiche erreichen könnten. Denn wenn sie draußen um 22 Uhr schließen, breche das Geschäft „total ein“, klagt Barbetreiber Schmidt, weil die Leute im Sommer „einfach draußen in Ruhe sitzen möchten“. Bis Mitternacht auf der Straße bedienen zu dürfen, das würde ihnen völlig reichen, versichern Schmidt und seine Kollegen.

Die Gastronomen fühlen sich ermutigt von der vorläufigen Entscheidung, die das Berliner Verwaltungsgericht kürzlich für ein Café im Nachbarbezirk Pankow gefällt hatte.

Ein Anwohner der Kastanienallee hatte geklagt, weil das Café „Schwarz Sauer“ dort länger als 22 Uhr draußen bewirten darf – ganz legal, mit Erlaubnis des Bezirksamts Pankow. Per Eilbeschluss bestätigte das Verwaltungsgericht die längeren Öffnungszeiten draußen; unter anderem mit der Begründung, die Kastanienallee sei ein „etabliertes Ausgehviertel“. Ob das rechtlich so stehen bleibt, entscheidet sich Mitte Dezember in der Hauptverhandlung.


Hoffnung auf mehr Rechtssicherheit

Laut Pankows Ordnungsstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) gibt es in Pankow rund 1.600 Gastronomiebetriebe. Aber sie lösen weniger als zehn Prozent aller Lärmbeschwerden im Bezirk aus, so die Stadträtin gegenüber rbb|24: „Die meisten Beschwerden haben wir wegen Haus- und Nachbarschaftslärm.“ Wenn es aber Lärmkonflikte um Kneipen und Restaurants gebe, dann mit dem Schwerpunkt Prenzlauer Berg.

Deshalb erhofft sich die Stadträtin vom Urteil im Hauptverfahren zum „Café Schwarz Sauer“ klare Richtlinien für ihre Verwaltung. Denn die Rechtslage ist nur scheinbar klar: Wenn ein Gastronom Tische auf der Straße bewirtschaften möchte, muss er das beim zuständigen Bezirksamt beantragen. Das Amt erstellt dann eine sogenannte Lärmprognoserechnung: Wie laut wird es wohl werden, je nach Fläche und Besetzung der beantragten Außengastro. Dann wird geschaut, um welche Wohnlage es sich handelt. Meistens ergeht dann die bezirkliche Auflage, draußen um 22 Uhr zu schließen. Aber eben nicht immer – wie man an den unterschiedlichen Auflagen in der Kastanienallee in Pankow und dem Weinbergsweg in Mitte sehen kann.


Mehr Lärm im „Ausgehviertel“?

Berlins Hotel- und Gastronomieverband (Dehoga) ist mit dieser Lage nicht zufrieden, schon gar nicht dem Schließen der Außengastronomie um 22 Uhr. „Das ist einer Metropole nicht entsprechend“, findet Hauptgeschäftsführer Gerrit Buchhorn. Außengastronomie gehöre zum Stadtbild, und sollte im Sommer auch nach 22 Uhr möglich sein, so Buchhorn. Touristen wie Einheimische wollten in den wenigen Sommermonaten draußen sitzen, und die Gastwirte bräuchten dringend die Umsätze.

Laut Buchhorn ist der Dehoga seit Anfang des Jahres in Gesprächen mit dem Senat, ob es für die Berliner Gastronomen eine gesetzliche Lockerung geben könnte. Im Eilbeschluss zum Pankower Café „Schwarz Sauer“ sieht er eine „Hilfestellung“.

Die Gastwirte aus dem Weinbergsweg in Mitte bewerten das ähnlich, wollen aber auf mögliche Gesetzesänderungen nicht warten. Sie prüfen nun, ob sie längere Öffnungszeiten draußen einklagen könnten. Claudius-Roman Schmidt von der Bar „100 Gramm“ ist noch unentschlossen. Aber er ist froh, sagt er, dass das Thema endlich wieder öffentlich diskutiert wird.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.08.202, 12:50 Uhr

Beitrag von Von Sylvia Tiegs