AboGefährlichste Hautkrebsart –
«Der Impfstoff wäre eine Revolution, würde er zugelassen»
Der Onkologe Olivier Michielin setzt grosse Hoffnung auf ein neues mRNA-Vakzin gegen schwarzen Hautkrebs. In Studien reduzierte es zusammen mit einer Immuntherapie das Rückfallrisiko nach einer Operation um 65 Prozent.
Publiziert heute um 11:44 Uhr
Ein Melanom kann an jeder beliebigen Hautstelle auftreten. Deshalb sind Hautkrebs-Screenings bei einem Dermatologen oder einer Dermatologin wichtig.
Symbolfoto: Microgen Images / Science Photo Library (Getty Images)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.BotTalkIn Kürze:
- Ein neuer mRNA-Impfstoff gegen Melanome zeigt in Studien vielversprechende Resultate.
- Die Kombination von Immuntherapie und mRNA-Impfstoff reduziert das Rückfallrisiko deutlich.
- Schweizer Spitäler müssen für die Anwendung des Vakzins dessen Marktzulassung noch abwarten.
- Forschende entwickeln zurzeit personalisierte Impfstoffe für verschiedene Stadien des schwarzen Hautkrebses.
In der Schweiz erkranken jedes Jahr 3300 Menschen an einem Melanom. Es wird auch als schwarzer Hautkrebs bezeichnet und gilt als gefährlichste und tödlichste Hauterkrankung, weil sich Metastasen bilden können. Obwohl die 5-Jahres-Überlebensrate im frühen Stadium 95 Prozent beträgt, sterben in der Schweiz rund 290 Personen pro Jahr an den Folgen eines Melanoms.
In der Krebsforschung werden zurzeit mehrere Impfstoffe getestet mit dem Ziel, nach einer erfolgreichen Behandlung von schwarzem Hautkrebs das Risiko eines Rückfalls zu verringern. Diese mRNA-Impfstoffe sollen das Immunsystem dazu bringen, die Tumorzellen zu bekämpfen. Insbesondere ein mRNA-Impfstoff, der sich zurzeit in der letzten Testphase befindet, weckt grosse Hoffnung. Olivier Michielin, Leiter der Onkologieabteilung der Universitätsspitäler Genf (HUG), spricht sogar von einer «Revolution» – vorausgesetzt, die eine klinische Studie mit mehr Teilnehmenden bestätigt die Wirksamkeit der Therapie.
Reduktion des Rückfallrisikos um bis zu 80 Prozent
Im Jahr 2023 wurden Zwischenergebnisse von rund 150 Patientinnen und Patienten analysiert. Die Resultate waren vielversprechend. Dabei profitierten die Personen, die nach der operativen Entfernung des Melanoms zwei Behandlungen bekamen, besonders. Das Risiko von Rückfällen und Todesfällen sank bei denjenigen, die nach der Operation eine Immuntherapie (Keytruda von MSD) und zusätzlich eine mRNA-Impfung (Moderna) erhielten, um 65 Prozent im Vergleich zu Personen, die sich ausschliesslich einer Immuntherapie unterzogen.
«Diese ersten Ergebnisse waren umso beeindruckender, als bereits die Immuntherapie allein das Risiko eines Rückfalls um etwa 40 Prozent senkt», sagt der Krebsexperte. Mit der Kombination von Immuntherapie und mRNA-Impfstoff dürfte das Rückfallrisiko deshalb noch stärker reduziert werden.
Derzeit läuft eine letzte grössere sogenannte Phase-3-Studie. Sie soll die Wirksamkeit des neuen mRNA-Impfstoffs bestätigen und Informationen zu Nebenwirkungen liefern.
Olivier Michielin, Leiter der Abteilung für Onkologie an den Universitätsspitälern Genf.
Foto: Yvain Genevay
Keine Beteiligung von Schweizer Ärzten und Ärztinnen
Die Universitätsspitäler Genf hätten an der Studie teilnehmen sollen. Aus administrativen Gründen konnten jedoch Schweizer und Schweizerinnen nicht in das Programm aufgenommen werden. «Das ist bedauerlich, weil wir gehofft hatten, unseren Patienten und Patientinnen diese neue Option anbieten zu können», erklärt der Onkologe. «Wir müssen nun die endgültigen Ergebnisse sowie die Marktzulassung abwarten, um das mRNA-Vakzin in unseren Spitälern anbieten zu können.»
Olivier Michielin wird das Forschungsprojekt weiterhin aufmerksam verfolgen. In den letzten zwei Jahren wurde die Behandlung mit dem neuen mRNA-Impfstoff an Patienten und Patientinnen auf der ganzen Welt getestet. Die Ergebnisse werden aber erst veröffentlicht, wenn die Studie abgeschlossen ist. Laut dem Krebsexperten könnten in den nächsten zwei Jahren die Ergebnisse vorliegen, die für eine Markteinführung des Vakzins erforderlich sind.
Eine massgeschneiderte Therapie für jede krebskranke Person
Bei der mRNA-Impfung gegen Krebs mag der Begriff «Impfstoff» auf den ersten Blick verwirren, da es sich um ein Vakzin handelt, das nicht präventiv wirkt, sondern erst nach Ausbruch der Krankheit verabreicht wird. Die Therapie wird dabei für jeden Patienten und jede Patientin massgeschneidert: Der Impfstoff zielt also auf die spezifischen Tumorzellen der jeweils betroffenen Person ab. Deshalb spricht man auch von personalisierter Onkologie. Es handelt sich um einen therapeutischen Impfstoff.
Genauer gesagt bewirkt der Impfstoff eine gezielte Reaktion auf die im Vergleich zu Körperzellen veränderte Oberfläche der Tumorzellen. Das macht den Tumor für die Lymphozyten, die als wichtiger Teil des Immunsystems Krankheitserreger oder Krebszellen bekämpfen können, besser sichtbar und erhöht ihre Reaktion.
Behandlungsmöglichkeit bei Melanomen im Stadium I bis IV
Der neue mRNA-Impfstoff wird gegenwärtig an Personen getestet, die ein Melanom im Stadium III hatten. Das heisst, obwohl ihr Tumor operativ entfernt wurde, ist das Risiko eines Rückfalls hoch, weil noch Krebszellen vorhanden sein können.
Die Klassifikation von Melanom-Stadien reicht von I bis IV. Im Stadium III sind die Lymphknoten befallen. Im Stadium IV hat der Tumor gestreut, es sind Metastasen vorhanden. Bei diesen fortgeschrittenen Stadien scheinen die personalisierten mRNA-Impfstoffe weniger gut zu wirken. «Wir glauben, dass dies damit zusammenhängt, dass sich der Krebs mit fortschreitendem Stadium diversifiziert, was die Wirkung einer gezielten Reaktion einschränkt», erklärt der Onkologe.
Olivier Michielin hofft, eines Tages einen gezielten Einsatz des mRNA-Impfstoffs «ausgewählten» Patienten anbieten zu können, deren Krankheit das Stadium III noch nicht erreicht hat. «Die Mehrheit der Melanome, die in der Schweiz diagnostiziert werden, befinden sich im Stadium I oder II», erklärt er. «Die Überlebenschancen sind in beiden Fällen hoch. Da aber viele Menschen betroffen sind, ist die Zahl der Rückfälle immer noch zu hoch.»
Die beste Prävention gegen Hautkrebs
Der Experte für Onkologie weist darauf hin, dass «die Primärprävention gegen Hautkrebs immer noch die beste Lösung ist». Im Klartext: Legen Sie sich nicht in die Sonne, wenn der UV-Index hoch ist. Schützen Sie sich mit Hut, Sonnenbrille, Kleidung oder Sonnenschirm so gut wie möglich vor UV-Strahlen. Tragen Sie Sonnenschutz auf, wenn die Haut nicht bedeckt ist.
Die Krebsliga Schweiz empfiehlt zudem, zwischen 11 und 15 Uhr im Schatten zu bleiben und nicht ins Solarium zu gehen. Auch schreibt sie: «In unseren Zellen befinden sich Erbsubstanzen (DNA). UV-Strahlen schädigen die Erbsubstanz. Bis zu einem gewissen Mass kann der Körper DNA-Schäden reparieren, einzelne Zellen jedoch können beschädigt zurückbleiben und sich zu Krebszellen entwickeln.»
Aus dem Französischen übersetzt von Yolanda Di Mambro.
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EinloggenCaroline Zuercher ist seit 2005 Journalistin im Ressort Schweiz von «Tribune de Genève» und «24 heures».Mehr Infos
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