Seit Längerem schon sprechen deutsche Politiker und Rechtswissenschaftler über die Schaffung eines Unternehmensstrafrechts, besonders seit dem Abgasskandal oder der Steuerhinterziehung durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte in der Finanzindustrie. Großbritannien hat sein Gesellschaftsrecht deutlich verschärft. Schon 2023 beschloss die damalige Tory-Regierung den „Economic Crime and Corporate Transparency Act“ (ECCTA). Dieses Gesetz sieht empfindliche Strafen für Unternehmen vor, wenn sie keine effektiven Compliance-Maßnahmen ergreifen, um Straftaten ihrer Mitarbeiter zu verhindern.

Vom 1. September an tritt die nächste Stufe der verschärften Haftung in Kraft. Dann können Unternehmen wegen des neuen Straftatbestands „Failure to Prevent Fraud“ bestraft werden, also auch beim Unterlassen von Maßnahmen, um Betrug von Mitarbeitern zu verhindern.

Weiter Handlungsrahmen

Der Handlungsrahmen ist sehr weit gefasst. Unternehmen sind sogar dann in der Verantwortung, wenn sie von kriminellen Taten ihrer Mitarbeiter im Betrieb keine Kenntnis haben. „Mit dem neuen Gesetz drohen deutschen Unternehmen massive Haftungsrisiken, wenn sie Betrugsdelikten ihrer Beschäftigten nicht aktiv vorbeugen“, sagt Alexander Cappel, Strafrechtler in der Kanzlei Norton Rose Fulbright in Frankfurt.

Neben Geldstrafen in unbegrenzter Höhe riskierten die Unternehmen einen Reputationsschaden. Potentiell betroffen sind Großunternehmen, die mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeiter, einen Jahresumsatz von mehr als 36 Millionen britische Pfund oder mindestens 18 Millionen Pfund Bilanzsumme. Anwälte warnen zudem vor der weitreichenden Wirkung des ECCTA über die Landesgrenzen hinaus. Auch deutsche Unternehmen können in den Fokus von Ermittlern geraten, durch eigene britische Tochtergesellschaften oder Handelspartner vor Ort.

Entspannung in London

Die Deutsch-Britische Handelskammer sieht indes die neuen Rechtsvorschriften eher entspannt. „Im Wesentlichen geht es hier darum, dass Firmen geeignete Maßnahmen wie Trainings und interne Vorschriften ergreifen, dass ihre Mitarbeitenden keinen Betrug begehen, anderen hierbei helfen oder unter Umständen wissentlich dulden“, sagt Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der AHK London. „Dieses Gesetz betrifft nur größere Firmen. Es ist natürlich noch etwas ungenau und wird sich erst über die Zeit weiter präzisieren“, sagt er. Die meisten größeren Firmen hätten aber schon derartige interne Vorschriften, meint er. In der Beratungspraxis der Kammer habe bislang erst ein Mitgliedsunternehmen die neue Regelung erwähnt.

Mit dem ECCTA hat die Regierung das Unternehmensrecht an mehreren Stellen verschärft, um Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Beispielsweise wurde die Möglichkeit der Registrierung von Briefkastenfirmen verboten. Alle Gesellschaften müssen eine „angemessene Geschäftsadresse“ beim Unternehmensregister Companies House angeben. Bloße Postfächer ohne reale Erreichbarkeit sind nicht mehr ausreichend.

Künftig müssen Unternehmen die Namen aller Gesellschafter mitteilen und jährlich bestätigen. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 10.000 Pfund. Von Herbst an müssen sich Geschäftsführer per biometrischen Pass identifizieren. So soll der Einsatz von Strohleuten verhindert werden. Großbritannien war lange dafür bekannt, dass Treuhandgesellschaften (Trusts) mit Briefkasten-Adressen und Strohmännern relativ leicht agieren konnten, beispielsweise Immobilienbesitz verwalteten und die wahren Eigentümer verschleierten. Seit einigen Jahren versucht die Regierung, dies zu unterbinden.