Dem Berlusconi-Fernsehen in Deutschland steht nun nichts mehr im Weg. Das italienische Fernsehunternehmen Media For Europe (MFE), das unter der Kontrolle der Kinder des verstorbenen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi steht, hat die Aktienmehrheit an Pro Sieben Sat.1 erworben, dem größten deutschen Privatsender. Zu verdanken haben sie die Kontrollmehrheit ausgerechnet dem zweiten Großaktionär PPF , der sich lange gegen die Berlusconi-Strategie gestellt und mit einem eigenen Erwerbsangebot um mehr Einfluss auf Pro Sieben Sat.1 gebuhlt hat.
Am Mittwochabend folgte dann jedoch die überraschende Kehrtwende der tschechisch-niederländischen PPF-Holding. Da gab die von den Erben des tschechischen Milliardärs Petr Kellner kontrollierte Investorengruppe bekannt, dass sie ihren Aktienanteil von 15,7 Prozent an das italienische Unternehmen verkaufen werde. MFE, die frühere Mediaset, kommt mit dem Paket von PPF jetzt deutlich über die Grenze von 50 Prozent der Anteile an Pro Sieben Sat.1.
Vorstand und Aufsichtsrat hatten Annahme empfohlen
Schon vor wenigen Tagen hatte der italienische Sender bekannt gegeben, dass er 43 Prozent der Pro-Sieben-Sat.1-Aktien halte. „Spiel, Satz und Sieg“ für MFE, kommentierte die italienische Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“. In Unterföhring, dem Stammsitz der börsennotierten Pro Sieben Sat.1 – Media SE wollte niemand die Meldung kommentieren. Erst am 4. September, wenn die Frist zur Annahme des Angebots abgelaufen ist, werde es eine offizielle Stellungnahme geben, sagte eine Konzernsprecherin am Donnerstag.
Allerdings hatten der Vorstand und der Aufsichtsrat von Pro Sieben Sat.1 die Annahme des Angebots der Italiener schon vor einigen Wochen ihren Aktionären empfohlen. Ein erstes Angebot von MFE hatte die Pro-Sieben-Sat.1-Führung im Mai noch als „finanziell nicht angemessen“ zurückgewiesen. Anschließend hatte der zweite Großaktionär PPF sieben Euro in bar für die Pro-Sieben-Sat.1-Aktie geboten. Daraufhin besserte MFE nach und offerierte den Aktionären zwar nur 4,48 Euro in bar, dafür aber zudem 1,3 MFE-Aktien der Kategorie A. Der rechnerische Wert des MFE-Angebots übertraf mit etwas mehr als acht Euro das PPF-Angebot.
PPF gab in der eigenen Mitteilung bekannt, dass man angesichts der Überlegenheit von MFE im Aktienkapital von Pro Sieben Sat.1 keine Chance mehr sehe, eine Rolle als strategischer Investor auszuüben. „Wir sind ein verlässlicher Investor, und wir wollen Einfluss nehmen“, sagte ein Sprecher der Investorengruppe der F.A.Z. „Unsere Reputation ist uns sehr wichtig.“
PPF-Investoren glauben nicht an das Konzept
Nun wandelt PPF die Pro-Sieben-Sat.1-Aktien in MFE-Aktien der Kategorie A, die bekanntlich weitgehend stimmrechtslos sind. Einfluss auf das künftige Fusionsunternehmen dürften die Tschechen damit nicht haben. Zudem hatten sie sich stets gegen die Vision der Berlusconis gewandt, einen grenzüberschreitenden Medienkonzern aufzubauen. Die PPF-Investoren glauben nicht an die wirtschaftliche Logik dieses Konzepts, und so dürfte davon auszugehen sein, dass sie ihre MFE-Anteile über kurz oder lang abgeben werden.
Für MFE ist die Sache damit klar. Sie können bei Pro Sieben Sat.1 schon bald frei schalten und walten. Das italienische Fernsehimperium wurde einst von Silvio Berlusconi gegründet, der viermal Ministerpräsident Italiens war. Heute ist sein ältester Sohn, Pier Silvio Berlusconi, Vorstandsvorsitzender. Jahrelang hatte Pier Silvio dafür gekämpft, Pro Sieben Sat.1 unter sein Dach zu bekommen. Jetzt ist er am Ziel.
Zusammen mit den MFE-Fernsehsendern in Spanien will das italienische Unternehmen einen europäischen TV-Konzern aufbauen, dessen Inhalte weitgehend lokal bleiben, der jedoch gemeinsame Technologieplattformen betreibt und gemeinsam die Werbewirtschaft anspricht. Das Verhältnis zwischen Pro Sieben Sat.1 und seinem größten Aktionär, der MFE schon länger ist, war häufig konfliktreich. In jüngerer Zeit haben sich die Spannungen jedoch gelegt, vor allem weil sich Pro Sieben Sat.1 zunehmend in sein Schicksal gefügt hat.
Treffen mit Wolfram Weimer geplant
Von politischer Seite ist in Deutschland kein großer Widerstand zu erwarten. Anfang September will Pier Silvio Berlusconi den deutschen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) treffen. Dieser hatte Bedenken hinsichtlich der künftigen politischen Unabhängigkeit von Pro Sieben Sat.1 unter der Kontrolle von MFE geäußert. Pier Silvio Berlusconi wird ihm versichern, dass er mit seinem Sender keine Politik machen wolle – anders als teilweise der Vater, der das italienische Fernsehen vor allem aber mit viel seichter Unterhaltung „revolutioniert“ hat.
Der 56 Jahre alte Pier Silvio Berlusconi schloss vor einigen Monaten gegenüber italienischen Journalisten allerdings auch nicht aus, in die italienische Politik zu gehen, so wie auch sein Vater in ungefähr dem gleichen Alter.
Harsche Kritik kam von anderer Stelle. „Es ist bedauerlich, aber offenbar nicht mehr zu ändern, dass Pro Sieben Sat.1 von Berlusconi übernommen wird“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Mika Beuster. Die künftigen Eigentümer seien gut beraten, die deutschen Privatsender „nicht zu rechtspopulistischen Dampfmaschinen zu machen“. Beuster betonte: „Wir brauchen unabhängigen und kritischen Journalismus. Davon lieber mehr als weniger.“
In Italien haben die MFE-Sender bei den Zuschauern inzwischen einen größeren Marktanteil als die öffentlich-rechtlichen Sender der Anstalt RAI. Das Unternehmen verfügt in seiner Heimat über die drei Fernsehkanäle Canale 5, Italia 1 und Rete 4 sowie über rund ein Dutzend weiterer Spezialsender. In Spanien ist der Hauptsender Telecinco, zudem gibt es weitere Sender und eine Werbetochtergesellschaft. Im Juli lag Mediaset bei den Zuschauerquoten mit 24,5 Prozent knapp hinter Atresmedia (Eigentümer sind RTL Group und die Verlags- und Mediengruppe Planeta) mit 25,9 Prozent und vor den Sendern der öffentlich-rechtlichen RTVE (14,3).
MFE wird dank des PPF-Pakets die 50-Prozent-Hürde bei Pro Sieben Sat.1 überspringen. Damit können die Italiener Umsätze und Gewinne des deutschen Konzerns mit seinen 15 TV-Sendern Sender voll in die eigene Bilanz aufnehmen. Bei Pro Sieben Sat.1 stagnierte der Jahresumsatz zuletzt bei knapp unter vier Milliarden Euro. Das wegen der Konjunkturflaute schwächelnde Werbegeschäft macht dem Unternehmen schon seit geraumer Zeit zu schaffen.
Die Italiener benötigen für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der ihnen den Zugriff auf die Finanzmittel geben würde, eine Dreiviertelmehrheit. Schon jetzt müssen sie allerdings die Schulden von Pro Sieben Sat.1 von mehr als einer Milliarde Euro bei sich konsolidieren und über Banken sichern. Das italienische Unternehmen berichtet, dass es dafür Vorkehrungen getroffen habe. MFE wird an der Börse in Mailand derzeit mit rund 1,9 Milliarden Euro bewertet, Pro Sieben Sat.1 an der Börse in Frankfurt mit etwas weniger. Am Donnerstag verteuerte sich die MFE-Aktie im Handel zwischenzeitlich um fast acht Prozent, während der Kurs der Pro-Sieben-Sat.1-Aktie um rund drei Prozent im Plus lag.