Sie stehen für schnellen Genuss und leicht gemachten Lieferservice. In Städten und mittlerweile auch in ländlicheren Regionen ist Lieferando die Anlaufstelle, wenn es um eine Bandbreite an Essens-Angeboten samt Lieferservice geht. Auch in Braunschweig hat sich der Anbieter fest integriert.
Umso größer der Aufschrei, als klar wurde, dass Lieferando Hunderte Arbeitsplätze streicht. Belegschaft sowie Kunden sind erschüttert – ebenso in Braunschweig (wir berichteten). Die Folgen wiegen schwer, für die Mitarbeiter. Es geht dabei nicht nur um den Job-Verlust per se, sondern auch um tiefe Einschnitte im Arbeitsalltag, wie zwei Sprecher des Betriebsrats in Braunschweig gegenüber News38 deutlich machen.
Lieferando Braunschweig setzt 100 Menschen auf die Straße
Es ist eine Nachricht, die wie eine Schockwelle durch die Belegschaft rollte. Betriebsratsvorsitzender Florian Rohwer und sein Stellvertreter Max von Minden erklären auf Anfrage von News38, die Tragweite dieser Entscheidung: „Der ganze Standort Braunschweig wird (neben Hannover, Göttingen und viele mehr) komplett geschlossen. Es verlieren um die 100 Kollegen allein in Braunschweig inklusive uns Betriebsratsmitgliedern ihren Job“.
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Der Betriebsrat kritisiert unter anderem, dass die Belegschaft Mitte Juli über diese Entscheidung informiert wurde. Nur wenige Minuten, bevor die Infor auch an die Presse rausgegangen war. Viel Zeit bleibe den Arbeitnehmern wohl nicht mehr. Die Standortschließungen sollen wohl schnellstmöglich durchgeführt werden. Nur noch bis Ende Oktober seien die Standorte noch in Betrieb.
„Wird es nicht mehr geben“
Florian Rohwer befürchtet, dass sich unterdessen an den übrigen Standorten die Arbeitsbedingungen drastisch verschlechtern könnten: „Die von diversen Betriebsräten erkämpfte unbefristete Festanstellung könnte wegfallen. Uns liegen dazu diverse Berichte aus anderen Städten vor, die das vermuten lassen. Bei Wolt und Uber Eats kann man bereits beobachten, wie das Subunternehmertum in der Branche gestaltet wird. Fahrer werden nach gelieferten Aufträgen vergütet und müssen wohl oft ein Gewerbe anmelden. Auch von Schwarzarbeit und Unterschreitung des Mindestlohns hört man in dem Zusammenhang regelmäßig.“ Viele hart erkämpfte Regelungen in Sachen Schichtplanung, Urlaub oder Krankheit könnten hinfällig werden.
Ganz konkret beschreibt es der Betriebsratsvorsitzende so: „In Zukunft wird es keinen mitbestimmten Schichtplan mehr geben. Aktuell wird auf die Belange von Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer eingegangen, wenn der wöchentliche Plan erstellt wird. Anbieter wie Uber und Wolt beispielsweise verteilen die Schichten willkürlich oder arbeiten nach einem ‚first come first serve‘ Prinzip um ihre Zeiten bestmöglich abzudecken.“ Auch die Arbeitssicherheit werde leiden, wenn Kuriere pro Auftrag bezahlt werden und sich entsprechend beeilen müssen und es keine Betriebsräte gibt, die Arbeitsschutzstandards aufstellen oder kontrollieren könnten.
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Behörden könnten die Maße an Subunternehmen kam noch überblicken. Der Betriebsrat sieht deshalb auch die Gewerkschaft NGG in der Pflicht, da „Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit kaum zu kontrollieren“ seien. Die Angestellten seien verunsichert und auch wegen bestehender Sprachbarrieren oft verzweifelt. Denn auch die Sozialkassen leiden laut Betriebsrat unter diesem Modell, weil Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit kaum zu kontrollieren seien. Selbständigkeit im Niedriglohnsektor könne nicht funktionieren, weil am Ende nicht genug Geld bleibe, um selbst für die Rente vorzusorgen oder Ausfall durch Krankheit und Urlaub zu kompensieren.
Angekündigt ist laut Angaben des Betriebsrats, „dass Lieferando neben Braunschweig noch 33 weitere Standorte komplett schließen und an weiteren Standorten zum Teil massiv reduzieren wird.“ Welche das genau sind, ist noch nicht bekannt.