Ursprüng­lich war die Nage­tier­art in wei­ten Tei­len Euro­pas ver­brei­tet – auch in Deutsch­land. Inzwi­schen kom­men Zie­sel nur noch in klei­nen Gebie­ten Mit­tel- und Ost­eu­ro­pas vor. Die Welt­na­tur­schutz­uni­on stuft die Art als „stark gefähr­det“ ein, in Deutsch­land gilt sie als „aus­ge­stor­ben“. Die zehn Zie­sel aus Nürn­berg, sechs Männ­chen und vier Weib­chen, sind im Tier­gar­ten gebo­ren und auf­ge­wach­sen. Kur­ze Zeit vor der Aus­wil­de­rung kamen sie in ein Zwi­schen­quar­tier im Tier­gar­ten. Emi­ly Huck und Vera Mei­den­bau­er, die der­zeit ihre Aus­bil­dung zur Tier­pfle­ge­rin in Nürn­berg absol­vie­ren, brach­ten die Tie­re dann in einer Trans­port­box nach Tsche­chi­en – zusam­men mit acht wei­te­ren Zie­seln aus dem Opel-Zoo Kron­berg im Tau­nus. Am Aus­wil­de­rungs­ge­biet ange­kom­men, setz­ten sie die Zie­sel in vor­be­rei­te­te Höh­len, die unter ande­rem mit Son­nen­blu­men­ker­nen, Mais­kör­nern und Apfel­stü­cken gefüllt waren. „Die Höh­len haben wir anschlie­ßend mit einer PET-Fla­sche so ver­schlos­sen, dass Tie­re noch Licht und Luft bekom­men, sich aber erst­mal her­aus­gra­ben müs­sen. Denn wenn die Zie­sel den ers­ten Gang eigen­stän­dig gra­ben, erhöht sich die Wahr­schein­lich­keit, dass sie orts­treu blei­ben und eine stär­ke­re Bin­dung zum Aus­wil­de­rungs­ort ent­wi­ckeln“, erklärt Emi­ly Huck. Die­se Metho­de hat sich in der Ver­gan­gen­heit bewährt.

Nach­dem die ange­hen­den Tier­pfle­ge­rin­nen die Nürn­ber­ger und Kron­ber­ger Zie­sel aus­ge­wil­dert hat­ten, unter­stütz­ten sie bei einer wei­te­ren Aus­wil­de­rung in einem angren­zen­den Gebiet. „Dabei haben wir eine ande­re Metho­de ken­nen­ge­lernt und gemein­sam mit den Pro­jekt­ver­ant­wort­li­chen soge­nann­te Aus­wil­de­rungs­ge­he­ge ange­legt. In die­sen ein­ge­zäun­ten Gehe­gen fin­den die Zie­sel Unter­schlupf­mög­lich­kei­ten und Fut­ter, müs­sen sich aber – eben­so wie bei der ers­ten Vor­ge­hens­wei­se – zunächst her­aus­gra­ben. Es war sehr inter­es­sant, bei­de Metho­den ken­nen­zu­ler­nen“, sagt Vera Meidenbauer.

Pro­jekt mit vie­len Partnern

Ins­ge­samt wur­den im Juli 115 Zie­sel in Tsche­chi­en aus­ge­wil­dert. Sie stam­men aus neun ver­schie­de­nen Zoos und Zucht­sta­tio­nen in Tsche­chi­en, Schwe­den, der Schweiz und Deutsch­land, dar­un­ter dem Tier­gar­ten Nürn­berg und dem Opel-Zoo Kron­berg im Tau­nus. 60 Tie­re, dar­un­ter die Nach­zuch­ten aus dem Tier­gar­ten, wur­den etwa 80 Kilo­me­ter nord­west­lich von Prag in ein Land­schafts­schutz­ge­biet nahe des Bergs Milá gebracht. Sie sol­len sich hier mit bestehen­den Kolo­nien ver­net­zen und so zum Auf­bau einer über­le­bens­fä­hi­gen Popu­la­ti­on bei­tra­gen. In die­sem Gebiet leben bereits an zwei Stand­or­ten Euro­päi­sche Zie­sel, wäh­rend an einem drit­ten eine neue Popu­la­ti­on ent­ste­hen soll. Zu deren Auf­bau und Sta­bi­li­sie­rung wer­den hier wie­der­holt Zie­sel aus­ge­wil­dert – so lan­ge, bis sich die Popu­la­tio­nen wie­der selbst erhal­ten können.

„Damit sich die Tie­re best­mög­lich an den Lebens­raum und mög­li­che kli­ma­ti­sche Ände­run­gen anpas­sen kön­nen, braucht es eine hohe gene­ti­sche Viel­falt. Je mehr Zie­sel aus unter­schied­li­chen Ein­rich­tun­gen aus­ge­wil­dert wer­den, des­to anpas­sungs­fä­hi­ger, robus­ter und sta­bi­ler die Popu­la­ti­on“, erklärt Bio­lo­gin und Kura­to­rin Dia­na Koch. Für Vera Mei­den­bau­er und Emi­ly Huck war die Aus­wil­de­rung auch aus einem ande­ren Grund etwas ganz beson­ders: „Es ist nicht selbst­ver­ständ­lich, dass wir als Aus­zu­bil­den­de eine sol­che Akti­on eigen­stän­dig über­neh­men dür­fen. Wir tra­gen die Ver­ant­wor­tung dafür, dass die Tie­re wohl­be­hal­ten am Aus­wil­de­rungs­ort ankom­men“, sagt Emi­ly. Vera ergänzt: „Aus­wil­de­run­gen sind nicht all­täg­lich und ein Höhe­punkt unse­rer Arbeit. Umso schö­ner ist es, dass wir die­se Erfah­rung schon wäh­rend unse­rer Aus­bil­dung machen durf­ten und auf die­se Wei­se viel dazu ler­nen konn­ten. Es ist zudem ein Zei­chen von Wert­schät­zung und Ver­trau­en, das uns ent­ge­gen­ge­bracht wird.“

Seit vie­len Jah­ren an Zie­sel-Aus­wil­de­rung beteiligt

Die Aus­wil­de­rungs­ak­ti­on, die nun schon das sieb­te Jahr in Fol­ge statt­fand, wur­de vom Muse­um Kar­l­o­vy Vary und der Agen­tura ochra­ny pøí­ro­dy a kra­ji­ny ÈR (Agen­tur für Natur- und Land­schafts­schutz der Tsche­chi­schen Repu­blik) initi­iert. Sie ist Teil eines natio­na­len Akti­ons­plans für die vom Aus­ster­ben bedroh­te Tier­art in Tsche­chi­en, zu dem auch Bemü­hun­gen zum Erhalt geeig­ne­ter Lebens­räu­me gehö­ren. Tro­cke­ne, nied­ri­ge Step­pen­gras­land­schaf­ten sind ide­al für Euro­päi­sche Zie­sel, die lan­ge Zeit als land­wirt­schaft­li­che Schäd­lin­ge gal­ten. Die zuneh­men­de Zer­stö­rung von Feld­rän­dern und Wei­den, die Zusam­men­le­gung klei­ner Fel­der zu gro­ßen Mono­kul­tu­ren und ein dra­ma­ti­scher Ver­lust an Flä­chen mit kur­zem Gras führ­ten jedoch in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten zu einem Ein­bruch der Ziesel-Bestände.

Seit 2014 hat der Tier­gar­ten ins­ge­samt rund 140 Zie­sel aus­ge­wil­dert. Pro­jek­te wie die­se müs­sen lang­fris­tig ange­legt wer­den – beson­ders bei Arten wie den Zie­seln, die in der Nah­rungs­ket­te wei­ter unten ste­hen, und die von Natur aus regel­mä­ßig gefres­sen wer­den. Aus­wil­de­run­gen haben auch das Ziel, genau die­se natür­li­chen Pro­zes­se wiederherzustellen.

Unter Umstän­den ist zukünf­tig auch eine Ein­wan­de­rung von Zie­seln nach Deutsch­land mög­lich. Dort kam die Tier­art noch bis in die 1980er Jah­re im Erz­ge­bir­ge vor. Zie­sel sind klei­ne, etwa 200 bis 400 Gramm schwe­re Nage­tie­re. Im Tier­gar­ten Nürn­berg sind sie unter ande­rem im Medi­ter­ra­ne­um zu sehen. Dane­ben gibt es wei­te­re Kolo­nien rund um den Kin­der­zoo und die Nas­horn­an­la­ge. Durch die­se ver­schie­de­nen Kolo­nien kann der Tier­gar­ten mehr Nach­zuch­ten für die Wie­der­an­sie­de­lung zur Ver­fü­gung stellen.

In meh­re­ren Aus­wil­de­rungs­pro­jek­ten engagiert

Neben den Zie­seln betei­ligt sich der Tier­gar­ten auch mit ande­ren Arten regel­mä­ßig an Aus­wil­de­rungs­ak­tio­nen. In den letz­ten Jah­ren hat er bei­spiels­wei­se Alpen­stein­bö­cke in Öster­reich, Wald­rap­pe in Spa­ni­en, Bart­gei­er in Berch­tes­ga­den und Süd­frank­reich oder Luch­se in Sach­sen, Thü­rin­gen und Baden-Würt­tem­berg ausgewildert.