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In Brüssel liegen viele Milliarden an russischen Vermögenswerten. Die Ukraine will das Geld. Brüssel hat andere Pläne.

Brüssel – Seit mehreren Jahren sollen westliche Sanktionen Russlands Wirtschaft schwächen. Unter anderem hatte die EU dabei eine gewaltige Summe russischen Vermögens eingefroren, die der Kreml nicht mehr aus Europa abziehen kann. Insgesamt soll die EU 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank eingefroren haben. Auch die USA und andere Industriestaaten hatten sich der Maßnahme angeschlossen. Wie viel Geld fließt daraus an die Ukraine?

Unterstützung für Ukraine-Wirtschaft – EU zapft Milliarden durch Russland-Vermögen ab

Der Mechanismus dahinter scheint unkompliziert: Obwohl die EU das eingefrorene russische Vermögen nicht direkt anzapfen will, scheint sie weniger Probleme damit zu sehen, die aus dieser Geldmenge generierten Gewinne zu konfiszieren. Auf diese Weise soll die Europäische Union der Ukraine allein in der ersten Jahreshälfte 2025 rund 10,1 Milliarden Euro überwiesen haben. Darüber berichtete die Welt am Sonntag und berief sich auf vorliegende Zahlen der EU-Kommission.

Wolodymyr Selenskyj in Kiew.Wolodymyr Selenskyj in Kiew (Symbolfoto). In Brüssel liegen viele Milliarden an russischen Vermögenswerten. Die Ukraine will das Geld. Brüssel hat andere Pläne. © IMAGO / photothek

In den Monaten März, Mai, Juni und Juli habe die EU demzufolge jeweils eine Milliarde Euro an Zinserträgen erhalten. Im Januar waren es drei Milliarden, im April gar 3,1 Milliarden Euro. Die Verwaltung über das eingefrorene Vermögen hat das belgische Finanzinstitut Euroclear übernommen, das in Brüssel sitzt. Euroclear verwahrt die Wertpapiere und wickelt die Aktiengeschäfte ab. Insgesamt hält die EU russische Vermögenswerte in Höhe von rund 210 Milliarden Euro, die im Zuge der Sanktionierung eingefroren wurden.

Pro Jahr soll dieses Vermögen Profite in Höhe zwischen 2,5 Milliarden Euro und drei Milliarden Euro generieren. Davon will die EU Waffenlieferungen und humanitäre Hilfe finanzieren, die der Ukraine zugutekommen. Das berichtete Politico.

„Wird direkt an Ukrainer gehen“ – Belgien erzielt Milliarden-Gewinne aus russischem Vermögen

Das ist jedoch noch nicht alles. Aus dem in Belgien gehaltenen Vermögen generiert der Staat nämlich auch erhebliche Steuereinnahmen. Wie das Nachrichtennetzwerk RND berichtete, soll es sich um eine Summe von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr handeln. Mit diesen wollte das Land – soweit die Planung 2023 – einen Ukraine-Fonds einrichten, aus dem weitere Unterstützungsleistungen bezahlt würden.

Alexander De Croo, der bis Februar 2025 Belgiens Regierungschef war, gab dabei an, dass die Steuereinnahmen für 2024 etwa 1,7 Milliarden Euro betragen sollten. „Wir haben von Anfang an klargestellt, dass jegliche Besteuerung des russischen Vermögens nicht in unseren Haushalt fließen wird. Es wird direkt an die Ukrainer gehen“, zitierte RND. Die belgische Regierung habe keinen direkten Zugriff auf die Vermögenswerte, dürfe die Erlöse aber in Belgien besteuern.

Diese Maßnahme sorgte innerhalb der EU wiederum zu kleineren Streitigkeiten. Andere Länder fürchteten, Belgien könnte sich so die Leistungen für die Ukraine im Rahmen von EU-Hilfen doppelt anrechnen lassen. Belgien widersprach dem. Zu den 10,1 Milliarden Euro kommen also noch 3,4 Millionen, gesetzt den Fall, dass Belgien tatsächlich 2023 und 2024 diese Summe gezahlt hat. Damit hätte die Ukraine aus den Gewinnen des russischen Vermögens eine Gesamtsumme von 13,5 Milliarden Euro erhalten.

Vertrauensfrage für Europa – eingefrorenes russisches Geld soll an Ukraine gehen

Das eingefrorene Vermögen selbst ist ebenfalls seit vielen Monaten Gegenstand von Diskussionen. Verschiedene Akteure – darunter der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj oder die EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann – verlangen die Herausgabe des gesamten Vermögens an die Ukraine. Allerdings herrscht im Westen seit Einsetzen der Sanktionen Sorge davor, dass eine Beschlagnahme das Vertrauen des globalen Südens in das europäische Finanzsystem erschüttern könnte.

Strack-Zimmermann wollte davon nichts hören. „Das Argument, dass bei einer endgültigen Beschlagnahmung der eingefrorenen russischen Vermögen zugunsten der Ukraine der europäische Geldmarkt in eine Krise gerät, teile ich überhaupt nicht“, zitierte die Wirtschaftswoche Strack-Zimmermann dazu. „Wenn die Banker von Vertrauen und Verlässlichkeit reden, dann frage ich sie im Gegenzug, warum sie auf die Verlässlichkeit eines Kriegsverbrechers vertrauen?“

Die G7-Nationen sind in dieser Frage noch uneinig. Allerdings sucht die EU bereits nach einem rechtlichen Winkelzug, um auf die russischen Milliarden zuzugreifen. Unter anderem hatte Estland dahingehend einen Alleingang gestartet und eine Gesetzgebung in Gang gebracht, die die Beschlagnahme eingefrorener russischer Gelder ermöglichen soll.