Am 9. Oktober gibt es in der Lounge des Funke-Medienhauses über den Dächern von Essen einen Benefiz-Abend für die Hospiz-Bewegung. Neben einer Lesung des Hörzu-Chefreporters Mike Powelz aus seinem Krimi „Die Flockenleserin“, der auf einer Palliativ-Station spielt, gibt es ein Gespräch zwischen NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und Thomas Sitte, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Palliativ-Stiftung. Wir sprachen mit Autor Mike Powelz über seinen Roman.
Herr Powelz, Ihre „Flockenleserin“ kommt äußerlich wie ein Mystery-Thriller daher und handelt von einem Serienmord in einem Hospiz. Wie wollen Sie denn damit Werbung machen für die in der Tat ja wichtige Palliativ-Medizin?
Mike Powelz: Eigentlich wollte ich im August 2009 nur sieben Tage für eine „Hörzu“-Reportage im Hamburger Hospiz „Leuchtfeuer“ verbringen. Aber nachdem ich mich mit mehreren der todkranken „Gäste“ angefreundet hatte – und es immer wieder neue Anlässe für Besuche gab, beispielsweise Geburtstage, Trauerfeiern, Weihnachten, Silvester und Ostern –, war ich letztlich fast ein Jahr dort. In dieser Zeit habe ich wahnsinnig viele Einblicke in den Alltag von Menschen am Lebensende bekommen. Beispielsweise von Managern und Professoren, aber auch von älteren Damen, Hausfrauen und ja, auch in die Gedankenwelt einer aidskranken jungen Frau.
Und wie kam es dann zu einem Krimi?
Nach ungefähr elf Monaten hatte ich unterm Strich so viel Wissen über psychologische Probleme, medizinische Herausforderungen, den Umgang mit Krebs und vieles mehr gewonnen, dass ich zuerst daran dachte, eine Art Ratgeber über die Herausforderungen am Lebensende zu schreiben. Einen Ratgeber, der mein gesammeltes Wissen über die Palliativmedizin umfassen sollte, aber auch typische psychologische „Baustellen“ und die verschiedenen Phasen des Sterbens und Loslassens.
Aber Sie haben gezögert, weil es nicht der erste Ratgeber dieser Art gewesen wäre?
Bis mir plötzlich die Idee kam, das Thema vielleicht besser in Krimiform zu verpacken – ganz à la „Tatort“, wo ein schwieriges, abschreckendes Sujet wie die Traumatisierung von ehemals in Afghanistan stationierten deutschen Soldaten den Zuschauern auch „unterjubelt“ wird, weil sie sich ansonsten, so zumindest meine Wahrnehmung, eher nicht mit etwas so Beängstigendem und mit Vorurteilen und Tabubehaftetem beschäftigen würden. Aber eine alte Dame à la Miss Marple, die zum Sterben ins Hospiz geht und dort erst noch eine Mordserie aufklären möchte, wobei sie gegen die Zeit, sprich: gegen ihr eigenes Ableben, kämpft? Darin sah ich ein Potenzial, um viele Leser zu begeistern – und sie zugleich aufzuklären.
Was hat Sie denn am meisten beeindruckt in den elf Monaten im Hospiz?
Am meisten überrascht hat mich, dass der Alltag in einem Hospiz nicht düster, dunkel und traurig ist – sondern dass es durchaus auch so genannte ‚mobile Phasen‘ gibt, in denen die Bewohner, auch ‚Gäste‘ genannt, mehrere Tage lang gemeinsam am Essenstisch sitzen, miteinander lachen und scherzen, zwischendurch auch mal ernst reflektieren, aber sich unterm Strich gegenseitig ihre (Alltags-)Geschichten erzählen. Und, dass sie, wenn die Schmerzen auf ein erträgliches Maß gelindert wurden, wieder Spaß an vielen Dingen haben.
Gab es denn ein besonderes Ereignis, das ihnen im Gedächtnis geblieben ist?
Ich werde nie eine Nachtschicht vergessen, bei der ich die Pfleger als Reporter von 22 bis 6 Uhr begleiten durfte. Denn in jener Nacht, als es im Hospiz still und ruhig wurde und die Alltagsgeräusche nicht mehr für Ablenkung sorgten, hatte so mancher Gast das Bedürfnis, aus seinem Leben und von seinen Ängsten zu erzählen. Aus diesem Grund beinhaltet die Krimilesung auch zwei je 45-minütige Blöcke. Zuerst erzähle ich vom lustig-lauten Leben im Hospiz, reiße dabei den Krimiaspekt an – und entführe die Besucher der Lesung dann in eine finster-bedrohliche Nachtschicht, die mit einem Doppelmord endet.
Der Abend in der Funke-Lounge beginnt um 19 Uhr, Einlass ist ab 18:30 Uhr. Es gibt Getränke und kleine Speisen, vom Eintritt (20 Euro) gehen 15 Euro an die Palliativ-Stiftung. Erwartet wird auch die bekannte TV-Reporterin Antonia Rados, die das Vorwort zur „Flockenleserin“ geschrieben hat. Tickets gibt es unter Wir lieben Tickets.