Berlin taz | Für Richter Otavio Bruno da Silva Ferreira besteht kein Zweifel: Volkswagen do Brasil habe „direkt von der rechtswidrigen Ausbeutung der Arbeitskraft“ profitiert. Das erklärte der Vorsitzende eines Arbeitsgerichts im brasilianischen Bundesstaat Pará am Freitag. Das Gericht verurteilte VW zur Schadenersatz in Höhe von umgerechnet 26 Millionen Euro.
Es geht um Vorfälle von 1974 bis 1986 auf der Rinderfarm „Vale do Cristalino“ am Rande des Amazonasbeckens, die von einer VW-Tochterfirma betrieben wurde. Arbeiter seien geschlagen, erniedrigt, eingesperrt und misshandelt worden, es soll sogar Tote gegeben haben. Der Vorstand von Volkswagen do Brasil soll über die systematischen Verstöße in Hunderten Fällen informiert gewesen sein.
Die Konzernleitung pflegte enge Verbindungen zur damaligen rechtsgerichteten Militärdiktatur, deren wirtschafts- und innenpolitische Ziele sie teilte. Erst 1986 – ein Jahr nach der Rückkehr zur Demokratie – stieg der Konzern aus dem Rindfleischgeschäft in Brasilien aus.
Richter Ferreira stellte in seinem Urteil fest, dass das Produktionsmodell „Praktiken wie Schuldknechtschaft, Gewalt und entwürdigende Arbeitsbedingungen“ umfasst habe. Dies seien Elemente, die den Kern moderner Sklavenarbeit bildeten.
„Schritt zur Wiedergutmachung“
„Die jüngste Entscheidung war notwendig, sie ist ein Schritt zur Wiedergutmachung“, sagt der katholische Priester Ricardo Rezende Figueira, der Beweise zusammengetragen hatte, der taz. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung habe er mit vier überlebenden Arbeitern gesprochen, die gegen den Konzern geklagt hatten. „Sie waren über die Verurteilung erfreut, trauern jedoch um jene, die gestorben sind und von dem Gerichtsurteil nicht mehr erfahren können.“
Eine außergerichtliche Einigung war zuvor gescheitert. Die nun verhängte Geldstrafe ist die höchste, die jemals in Brasilien für Fälle von Sklavenarbeit ausgesprochen wurde. Das Urteil verpflichtet Volkswagen, sich öffentlich zu entschuldigen.
Der deutsche Autokonzern erklärte in brasilianischen Medien, seine Tochtergesellschaft bekenne sich „konsequent zu den Prinzipien der Menschenwürde und halte sich strikt an alle geltenden arbeitsrechtlichen Gesetze“. Der Konzern werde sich „vor höheren Gerichtsinstanzen“ verteidigen. Heißt: Es ist damit zu rechnen, dass Volkswagen do Brasil Berufung gegen das Urteil einlegt. Pater Figueira, der als Professor für Menschenrechte an der Föderalen Universität von Rio de Janeiro lehrt, sieht das kritisch. „Es zeigt, dass das VW weiterhin vor seiner Verantwortung flieht.“