Seit sechs Jahren stagniert in Deutschland das reale Bruttoinlandsprodukt, die öffentliche Infrastruktur zerbröselt, die Bundeswehr ist kampfunfähig, die Außengrenzen ungeschützt, der Versorgungsstaat bankrott und die Lasten durch Steuern und Staatsbürokratie erdrückend. Vor vier Jahren wurde die schwarz-rote Regierungskoalition abgewählt, vor einem halben Jahr die Ampel, und wenn kein Wunder geschieht, ist bei nächster Gelegenheit schwarz-rot wieder weg. Das politische Karussell dreht sich immer schneller, aber die Misere bleibt.

Reformblockade …

Die Überwindung der Misere scheitert nicht an mangelnder Erkenntnis, sondern an der Unfähigkeit, politische Mehrheiten für umfassende Reformen zu organisieren. Laut einer aktuellen Umfrage des Allensbach-Instituts sehen zwar knapp drei Viertel der Befragten einen dringenden Bedarf für umfassende Reformen, aber die Wenigsten sind bereit, auf die Leistungen des Versorgungsstaats zu verzichten. So wären zum Beispiel nur 18 Prozent der Befragten damit einverstanden, später in Rente zu gehen, obwohl die meisten meinen, das Rentensystem sei kaputt. Auf die Frage, was ihnen lieber wäre, „ein Leben in bescheidenem Wohlstand, das dafür Sicherheit bietet, oder ein Leben mit großen finanziellen Chancen, das dafür aber auch viele Risiken hat“, entscheiden sich drei Viertel der Befragten für den bescheidenen Wohlstand mit Sicherheit, und nur zehn Prozent wollen ein Leben mit großen Chancen und Risiken.

… durch die Nutznießer des Versorgungsstaats

Umfassende Sicherheit und Wohlstand erhofft sich die Mehrheit der Deutschen nicht von eigener Anstrengung, sondern vom Staat. Dieser scheitert aber an dem grundsätzlichen Konflikt zwischen der dafür notwendigen Bereitstellung öffentlicher Güter und der Umverteilung von Einkommen. Konzentriert sich der Staat auf die erste Aufgabe, ist sein Bedarf an Mitteln begrenzt und die Steuer- und Abgabelast moderat. Dies lässt Raum für privatwirtschaftliches Unternehmertum und ebnet den Weg für hohes Wirtschaftswachstum, wie es während der Gründerzeit vor dem Ausbau des Wohlfahrtsstaats Ende des 19. Jahrhunderts zu beobachten war. 

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Stellt der Staat jedoch die Umverteilung an erste Stelle, stirbt die privatwirtschaftliche Initiative ab und der Wohlstand schmilzt. Im Extremfall bricht der Staat unter der Leistungsverweigerung der Leistungsträger und dem Anspruch der Transferempfänger zusammen. Das war das Schicksal des Sowjetimperiums, das 1991 aufgrund seiner mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kollabierte.

In der Nachkriegszeit fand der westliche Wohlfahrtsstaat einen Mittelweg, indem er die Bereitstellung öffentlicher Güter wie innere und äußere Sicherheit mit einer erträglichen Umverteilung verband. Dabei half ihm, dass die Bedrohung durch die Sowjetunion die Zahlungsbereitschaft privater Wirtschaftsakteure für den von ihm gewährten Schutz erhöhte. Als mit dem Untergang der Sowjetunion die äußere Bedrohung jedoch wegfiel, bauten vor allem die europäischen Regierungen mit den Einsparungen für die Verteidigung den Wohlfahrtsstaat zum umfassenden Versorgungsstaat aus.

Mit dem Ausbau des Versorgungsstaats gewannen die Empfänger von staatlichen Transferleistungen und die immer zahlreicheren Staatsbediensteten an politischem Gewicht. Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft war im Jahr 2019 ungefähr die Hälfte der deutschen Haushalte Nettoempfänger staatlicher Geldtransfers. Die obersten zehn Prozent der Steuerzahler kamen für mehr als die Hälfte aller Einkommenssteuern auf. Im öffentlichen Sektor sind inzwischen über 12 Millionen Arbeitskräfte beschäftigt. Mit dem Eintritt der großen Generation der „Babyboomer“ in die Rente wird die Zahl der Empfänger staatlicher Leistungen noch größer.

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Da die Transferempfänger und die Staatsbediensteten insgesamt zahlreicher und die Gewerkschaften und Sozialverbände besser organisiert sind als die Zahler hoher Steuern, ist der Einfluss der vom Staat abhängigen Haushalte auf die Politik größer als der Einfluss der Leistungsträger. Das führt schlussendlich zur finanziellen Ausbeutung der Minderheit der Leistungsträger durch die Mehrheit der Nutznießer des Versorgungsstaats.

Abwanderung, wenn Widerspruch aussichtslos ist

Nach Albert O. Hirschman gibt es drei grundlegende Reaktionsmöglichkeiten für die ausgebeuteten Leistungsträger: (1) Sie können auswandern (Exit). (2) Sie können Beschwerden und Änderungswünsche vortragen, um Abhilfe zu schaffen (Voice). (3) Sie können sich mit ihrer Unzufriedenheit abfinden und im Land bleiben (Loyalty). Die Unternehmer und „Besserverdiener“ haben sich lange bemüht, Änderungswünsche an die Politik heranzutragen oder die Politik zähneknirschend zu ertragen. Da die Umstände jedoch immer schlechter werden und sie keine Aussichten haben, sich gegen die Mehrheit der Nutznießer des Versorgungsstaats durchzusetzen, wählen sie in zunehmender Zahl den „Exit“.

Das Kapital wandert ab. Seit dem Jahr 2005, als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, summiert sich der Überschuss der außenwirtschaftlichen Leistungsbilanz auf mehr als vier Billionen Euro. Das Spiegelbild dieses Überschusses ist ein entsprechendes Defizit in der Kapitalverkehrsbilanz. Der gewichtigste Teil der Kapitalabflüsse sind Portfolio- und Direktinvestitionen im Ausland. 

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Auch inländische Bürger wandern vermehrt aus. Die Zahl der Emigranten stieg von 628 Tausend im Jahr 2005 auf 1,26 Millionen im Jahr 2024. Insgesamt haben in diesem Zeitraum 18,1 Millionen Inländer Deutschland verlassen. Davon kamen nur 2,8 Millionen deutsche Staatsbürger wieder zurück, so dass netto 15,3 Millionen Inländer Deutschland verlassen haben. Dabei handelt es sich in den seltensten Fällen um Empfänger staatlicher Transfers, sondern meist um gut ausgebildete und leistungswillige Menschen, die sich woanders größere Chancen versprechen. 

Der „Exit“ von qualifizierten Inländern ist mit erheblichen Kosten für die Wirtschaft verbunden. Nimmt man an, dass die Emigranten 20 Prozent produktiver waren als der Durchschnitt der Beschäftigten in der Industrie, folgt aus der Emigration ein Verlust an Bruttowertschöpfung von 1,6 Billionen Euro oder 3,0 Prozent der kumulierten Bruttowertschöpfung im Zeitraum 2006-2024. Seit 2005 wanderten jedoch auch 23 Millionen Menschen ein. Die Bevölkerung nahm also um knapp 5 Millionen zu. Allerdings halten sich die meisten Immigranten viele Jahre im Sozialsystem auf und sind danach überwiegend als Aushilfen beschäftigt. 

Nimmt man an, dass die Immigranten zwar schließlich produktiv werden, aber ihre durchschnittliche Produktivität ab Einwanderung 40 Prozent unter derjenigen der Beschäftigten im öffentlichen Sektor liegt, kommt man auf einen Beitrag dieser Gruppe zur Bruttowertschöpfung in Höhe von 713 Milliarden Euro. Nach dieser (eher optimistischen) Beispielrechnung hat die Auswanderung qualifizierter und die Einwanderung meist unqualifizierter Arbeitskräfte von 2006 bis 2024 zu einem Nettoverlust der Bruttowertschöpfung in Höhe von 926 Milliarden Euro oder 1,7 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung geführt. 

Eine weichgespülte Berliner Mauer

Die Interessenvertreter der staatlichen Zuwendungsempfänger haben das Problem des „Exits“ der Leistungsträger erkannt und versuchen, ihnen die Abwanderung zu erschweren. In der Tradition des Gesetzes gegen die Steuerflucht aus dem Kriegsjahr 1918 und der Reichsfluchtsteuer von 1931 hat der bundesdeutsche Staat schrittweise die Besteuerung des Wegzugs ausgebaut. Seit dem Außensteuergesetz von 1972 wurden Wegzugsteuern in den Jahren 2022 und 2025 weiter verschärft. Heute müssen die unrealisierten Gewinne nicht nur von „wesentlichen Beteiligungen“ an Unternehmen, sondern auch von Anteilen an Investmentfonds bei Wegzug versteuert werden. Für weniger betuchte Auswanderer gibt es Freibeträge. Vermögende Abwanderer sehen sich von einer neuen, weichgespülten Berliner Mauer eingehegt.

Niedergang im neuen Sozialismus

Wir sind auf gutem Weg zu einer Neuauflage der Wirtschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik. Dieser Staat kollabierte aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit. Heute wird im günstigeren Fall der bankrotte Versorgungsstaat von den Flammen der Inflation verzehrt, die von den Verteilungskämpfen zwischen Transferempfängern und den im Land verbliebenen Leistungsträgern genährt werden. Dagegen können sich die Besitzer von Vermögen immerhin mit einer entsprechenden Aufstellung ihres Anlageportfolios schützen. Im ungünstigeren Fall wird die Mehrheit der Nettoempfänger staatlicher Zuwendungen die im Inland verbliebenen Leistungsträger und Vermögensbesitzer mehr oder weniger enteignen. Mit Reichensteuer, Wegzugssteuern und kalter Progression hat sich Deutschland schon auf den Weg dorthin gemacht. Die Diskussion um Vermögenssteuern und Erbschaftssteuer bringt es ein Stück weiter. 

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Für die links-grünen Schüler des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci zahlt sich der „Marsch durch die Institutionen“ aus. Mit einem hilfswilligen Verfassungsschutz und einem politisierten Verfassungsgericht kann man durch Verbot missliebiger politischer Konkurrenz die Macht ergreifen, auch wenn einem die Wählerstimmen dafür fehlen. Im revolutionären Frankreich führte Rousseaus Konzept des „Volonté Général“ zur jakobinischen Terrorherrschaft im Namen der Mehrheit. Auch wenn es so schlimm nicht kommen wird, wird es schlimm genug werden. 

Wo bleibt der Widerstand?

Wer nicht abwandern kann oder will, kann sich gegen Enteignung und Machtergreifung der Interessenvertreter der Empfänger staatlicher Zuwendungen nur schützen, wenn es gelingt, eine politische Sperrminorität gegen die Enteigner zu mobilisieren. Dafür braucht es eine politische Bewegung mit klarem Fokus auf Freiheit und privatem Eigentum und der Bereitschaft zur Konfrontation mit der Mehrheit der Nutznießer des Versorgungsstaats. Bisher ist eine solche Bewegung jedoch nicht in Sicht.