Eine Frau in Sportsachen steht auf einem Laufband

AUDIO: „We Are Gym“: Ausstellung in Kiel trainiert statt Muckis neue Denkprozesse (4 Min)

Stand: 01.09.2025 09:15 Uhr

Fitnessstudios sind für viele mit Schweiß, Gewicht und Leistungsdruck verbunden. Ganz anders ist es in der Ausstellung „We are Gym“ an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Dort ist ein „Gym“ entstanden, das nicht stärker, sondern empfindsamer macht.

von Stella Kennedy

Diese zehn Objekte in dem Kieler Kunstraum mit den bodentiefen Fenstern sehen auf den ersten Blick gar nicht anders aus als die Geräte, die man aus dem Fitnessstudio kennt. Doch tritt man näher heran, setzt sich drauf und tritt in die Pedale – dann passieren Dinge, die zeigen: Das hier ist Kunst. „Im Moment streichle ich den Boxsack und man merkt schon, dass andere Töne ertönen, abhängig davon, wo ich ihn sanft anfasse“, sagt Fritz Viktor Seemann, der sich Viko nennt, vor dem installierten Boxsack stehend. „Aber wenn ich, wie man vielleicht bei einem Boxsack erwartet, mal ein bisschen kräftiger zuschlage, beschwert er sich“.

Den Körper neu erfahren

Ein Mann mit Dutt steht vor einem Boxsack und fasst ihr an

Student Viko bringt das installierte Sportgerät, das aussieht, wie ein gewöhnlicher Boxsack, zum Klingen.

Viko trägt die Haare im Dutt. Er ist extra für das Industriedesign-Studium von Düsseldorf nach Kiel gezogen. Ein Semester lang haben er und seine Kommilitonen insgesamt zehn Fitnessgeräte in Kunstobjekte verwandelt. Eines davon: Der Boxsack, dessen fellige Verkleidung Viko gerade liebkost. Normalerweise ist der aus Leder, bietet eine harte Angriffsfläche. Dieser hier aber wurde mit weichem Fell verkleidet – und Drucksensoren, die wiederum Geräusche erzeugen. „Die Aufgabe war, eine körperliche Erfahrung zu machen, beziehungsweise seinen eigenen Körper neu zu erfahren“, erklärt der Student. „Da war gar nicht so wie im klassischen Gym der Fokus, dass es nur auf Leistung geht oder wer stärker ist. Sondern, dass man zusammen eine Erfahrung hat, die man irgendwie teilen kann.“

Die Idee dahinter

Angeleitet wurden die 21 Studierenden von Frank Jacob, Professor für Interface Design und Kopf hinter dem Austellungskonzept „We are Gym“. Für ihn stand zu Beginn die Frage: Wie lässt sich Bewegung künstlerisch neu denken? „Deswegen habe ich auf eBay Kleinanzeigen lauter Sportgeräte gekauft und die Studierenden dann gebeten, zu analysieren, welche Bewegung sie interessant finden“, so Jacob. „Was würden sie machen, um daraus ein sinnliches Erlebnis zu kreieren, indem man mit Sensoren arbeitet, mit Überlegungen, wie die Interaktion gestaltet sein kann“.

Licht soll intensiveres Sporterlebnis bewirken

Ein paar Schritte weiter tritt Lin Zhu energisch auf die Pedale eines Crosstrainers. Je kräftiger sie tritt, umso heller leuchtet es um die junge Frau herum auf. Links und rechts des Sportgeräts haben sie und ihre Kommilitonin zwei gebogene Streben mit vielen Glühbirnen aufgestellt. Diese wiederum sind mit dem Crosstrainer verbunden. Das Ziel hier: Nicht nur viele Schweißperlen, sondern vor allem viele Lampen zum Leuchten zu bringen! „Das bringt einen Vergrößerungseffekt, wenn man Bewegung macht“, erklärt die Stundentin Lin Zhu, „denn dieser Lichtereffekt kann die Gefühle beim Sport vergrößern“. Warum das Ganze? Für Lin ist die Antwort klar: „Motivation!“

Dicke Muckis auf dem Monitor

Zurück zu Viko: Der hat sich mittlerweile auf ein Latzug-Gerät gesetzt, bei dem man eine Stange über sich greift und in langsamer Bewegung nach unten vor die Brust zieht. Statt wie sonst den Rücken, trainiert man hier die Arme: Rund einen Meter vor dem Gerät ist ein Monitor aufgestellt, auf dem der Trainierende sich sieht. Das Abgefahrene: Je häufiger man an der Stange zieht, desto größer werden die Armmuskeln, die auf das eigene Bild auf dem Bildschirm projiziert werden. Viko führt die Installation vor: „Dann setze ich mich mal hin – und ich sehe schon: Oh, ich kriege direkt dicke Arme. Ich zieh mal hier. Ah, wenn ich so dicke Arme hätte, dann bräuchte ich gar nicht mehr ins Gym zu gehen. Ich kann praktisch in den Spiegel schauen und mir dabei zuschauen wie meine Armmuskulatur wächst“, demonstriert der Student.

Es zeigt sich: Körperlichkeit ist gestaltbar – in diesem Fitnessstudio, das Denkprozesse entfacht – und in dem am Ende vielleicht nicht die Arme, aber das Bewusstsein ein Stück gewachsen ist.

Die Ausstellung „We are Gym“ läuft noch bis zum 18. Oktober im „spce“ der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Immer mittwochs bis samstags von 15 bis 18 Uhr.

Cover: Verena Keßler, "Gym"

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