Vor rund zwei Wochen trafen sich Putin und Trump in Alaska. Seitdem ist kaum etwas passiert – so zumindest der Eindruck. Geopolitik-Professor Klemens Fischer sagt, was in der nächsten Zeit wichtig wird.

Es war eine Begegnung, die weltweit für Aufsehen sorgte. Am 15. August trafen sich US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin zum persönlichen Austausch in Anchorage, Alaska. Es ging um den Ukraine-Krieg.

Zwar nannten beide Staatschefs das Treffen „produktiv“. Greifbare Ergebnisse blieben jedoch aus. Es kam weder zur international geforderten, unmittelbaren Waffenruhe in der Ukraine noch zu einem Ende nächtlichen russischen Luftangriffe, geschweige denn zu einem Treffen zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

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Klemens Fischer, Geopolitik-Professor an der Universität zu Köln, glaubt: Der eigentliche Hintergrund des Alaska-Gipfels war eine Annäherung zwischen den USA und Russland. Tage später kam es zum Ukraine-Treffen im Weißen Haus, sieben europäische Politiker, auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, waren dabei.

Selenksyj „sah sich als Gewinner“

„Weder die Europäer noch Selenskyj scheinen begriffen zu haben, dass sie zwar in Washington antreten durften, dabei aber die gesamte Verantwortung für die Ukraine übertragen bekamen“, sagt Fischer zu FOCUS online. 

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Was er meint: Die Sicherheitsgarantien für das Land, die im Weißen Haus vollmundig versprochen wurden, müssen ausschließlich die Europäer stemmen. „Die USA gestatten Waffen- und Munitionskäufe im Namen der Ukraine, schließen aber eine eigene Beteiligung aus“, so Fischer.

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Selenskyj, ebenfalls beim Austausch im Weißen Haus anwesend, „sah sich als Gewinner“, erklärt er weiter. Der ukrainische Präsident glaubte wohl, ein persönliches Treffen mit Putin erzwungen zu haben. 

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Trump reagiert „nicht überrascht“ auf russische Angriffswelle

Doch während sich Selenskyj sofort bereiterklärt hatte, persönlich mit dem Kreml-Chef zu sprechen, hieß es aus Moskau nur, dass solche Treffen eine langwierige Vorbereitung erfordern würden. Bisher gibt es keinen Termin. „Vielleicht ist der ukrainische Präsident an diesem Nachmittag einer Niederlage näher gekommen, als er realisieren wollte“, sagt Fischer.

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Dazu kommen die Reaktionen der USA auf die unvermindert heftigen Angriffe Russlands auf die Ukraine. „Der jüngste verheerende Luftangriff auf Kiew mit mehr als drei Dutzend Toten, dem zerstörten Gebäude der EU-Vertretung und des British Council ist ein neuer negativer Höhepunkt“, so der Geopolitik-Professor.

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„Die USA beginnen, ihre Hände in Unschuld zu waschen“

Für Fischer, der rund 30 Jahre der österreichischen EU-Botschaft in Brüssel angehörte, steht fest, dass seit dem Alaska-Gipfel zwar viel passiert ist – aber nicht zugunsten der Ukraine oder der Europäer. 

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„Die USA beginnen, ihre Hände in Unschuld zu waschen und Russland versucht, so viel ukrainischen Boden wie möglich zu erobern, ehe man sich doch irgendwann von Trump zu Verhandlungen überreden lässt.“ Und dafür, so sieht es Fischer, kann Russland die Bedingungen setzen – aus zwei Gründen.

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„Zum einen ist das Momentum am Schlachtfeld eindeutig bei Moskau, das jetzt auch noch einen Brückenkopf im nächsten Oblast, Dnjepropetrowsk, bilden konnte“, sagt er. Zum anderen würde der Ukraine und den Europäer die geeigneten Hebel fehlen, um Putin zu Kiews Bedingungen an den Verhandlungstisch zu holen. 

Trump gibt sich zahm gegenüber Putin

Zumal Trump den Kreml-Chef offenbar gewähren lässt und keine Konfrontation sucht. Die Androhung härterer Sanktionen gegen Russland, die „schweren Konsequenzen“, die der US-Präsident in Aussicht gestellt hatte, sollte Moskau keinen ausreichenden Friedenswillen zeigen – beim Alaska-Gipfel war davon nichts mehr zu hören.

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Trump Im Weißen Haus traf sich Trump mit europäischen Politikern, auch Merz war anwesend. Imago

Klar ist auch, dass die USA am Krieg verdienen, „da sie nur mehr Waffen und Munition liefern wollen, die die Europäer oder die Ukraine auch bezahlen“, sagt Fischer. Und er erwähnt noch einen weiteren, wichtigen Aspekt. „Selenskyj hat die Tür vielleicht unbewusst zugeschlagen, als er Bedingungen setzte, die ihn selbst in Zugzwang bringen“, so der Professor. 

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„Hätte er Waffenstillstandsverhandlungen angestrebt und nicht einen umfassenden Friedensvertrag, würde er der Frage der Gebietsabtretungen vorläufig entkommen.“ Bei einem Waffenstillstand würden die vom Gegner besetzten Gebiete zumindest vorläufig in der Ukraine bleiben. Für einen Friedensvertrag müssten die endgültigen Grenzen festgelegt werden.

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So kommt es zur eigentlich „unerklärbaren“ Toleranz zwischen Trump und Putin

Fischer meint: „Da die Ukraine die Gebiete militärisch nicht zurückerobern kann und kein Alliierter bereit ist, an der Seite Kiews in einen Rückeroberungskrieg einzutreten, steht Selenskyj vor dem Dilemma, einen Friedensvertrag mit Gebietsabtretungen zu akzeptieren oder die Verhandlungen abzubrechen und weiter getötete Landsleute und Gebietsverluste zu riskieren.“

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Klar scheint aktuell, dass sich Putin und der ukrainische Präsident nicht so bald persönlich treffen werden. Dass der Austausch nicht zustandekommt, kann Trump, der sich als Friedensstifter inszeniert, in Fischers Augen verkraften.

„Sein Argument wird sein, dass er alles getan hat, um dem Krieg ein Ende und den Boden für ein Treffen der Kriegsparteien zu bereiten. Wenn nun eine Seite unerfüllbare Vorbedingungen stellt, ist es – in Trumps Interpretation – nicht seine Schuld.“ Der Geopolitik-Professor betont auch, dass der US- und der russische Präsident wechselseitig voneinander abhängig sind, was zu einer „ansonsten unerklärbaren Toleranz“ führe.

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„Putin kommt ohne Trump nicht auf die Weltbühne der ganz Großen zurück und Trump kommt ohne Putin weder an die Rohstoffe der Ukraine heran noch zu seinem heißersehnten Friedensnobelpreis.“

Fischer nennt entscheidende Marke in den kommenden Wochen

Offen bleibt indes, wie es im Ukraine-Konflikt weitergehen wird – auch aus geopolitischer Perspektive. Fischer hält die Feierlichkeiten anlässlich des 80. Jahrestags der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg für eine entscheidende Marke. 

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Am 3. September soll in Peking nämlich eine Parade zum „Tag des Sieges“ stattfinden, zu der zahlreiche Staatschefs eingeladen sind – unter anderem Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un.

„Gelingt es Putin, nach außen zu dokumentieren, dass China, Indien, Nordkorea, immerhin drei Atommächte, und der Globale Süden hinter ihm stehen, gibt ihm das die notwendige Rückendeckung, in der Ukraine unverändert weiterzumachen“, sagt er. Kiews Lage ist in seinen Augen aber noch aus anderen Gründen schwierig.

Das 19. Sanktionspaket, das die EU schnüren will, wird voraussichtlich kaum wirksamer als seine Vorgänger sein, könnte aber Brüssel „auf Konfrontationskurs mit Peking und Delhi bringen“. Dazu kommt eine mögliche „weitere Entfremdung zwischen den USA und Europa auf Grund der unterschiedlichen Positionierung im Nahost-Konflikt, vor allem Israels Vorgehen im Gazastreifen“.