Artenschützer starten Protestmarsch

201 Kilometer für den Wolf

Mo 01.09.25 | 17:04 Uhr | Von Annette Kufner

Zwei Wolfswelpen streifen durch die Kernzone der Döberitzer Heide. (Quelle: dpa/Ingolf König-Jablonski)

dpa/Ingolf König-Jablonski

Audio: Antenne Brandenburg | 01.09.2025 | Matthias Gindorf | Bild: dpa/Ingolf König-Jablonski

Die „Allianz Wolf Brandenburg“ ist zum „Schutzmarsch für Wölfe“ gen Brocken gestartet. Dort will sie ihre Forderungen zum Wolfsschutz vorstellen. Das Umweltministerium plant indes einen Dialog und wirkt zerstritten. Von Annette Kufner

Es ist ein warmer Sommermorgen auf dem Alten Markt in Potsdam. Sandalenwetter. Umso auffälliger: das feste Schuhwerk an den Füßen derer, die sich hier versammelt haben. Viele sind sie nicht – zu siebt brechen sie auf. Innerhalb einer Woche wollen sie 201 Kilometer laufen – zum jeweils höchsten Punkt der wolfreichsten Bundesländer Deutschlands, heißt es in ihrem Aufruf.

Mit dem Marsch wolle man gegen den abgeschwächten Schutzstatus für Wölfe protestieren, sagt Hans-Holger Liste von der „Allianz Wolf“. Das EU-Parlament hatte den Status der Tiere im Mai von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabgesetzt. Perspektivisch könnte der Wolf damit ins Jagdrecht aufgenommen werden, auch in Brandenburg.

Die Mitglieder der „Allianz Wolf“ sind strikt dagegen. Die Zahl der Wölfe reguliere sich selbst, argumentiert Sprecher Liste. Nahrung und Lebensraum seien begrenzt. In Brandenburg sei längst spürbar, dass die Zahl der Wölfe nur noch langsam zunehme. „Ein Zuviel an Wölfen gibt es nicht“, so Liste.


In Brandenburg leben deutschlandweit die meisten Wölfe

In Brandenburg gibt es inzwischen mehr Wölfe als in allen anderen Bundesländern. Das merken vor allem Weidetierhalter: Laut Landesamt für Umwelt (LfU) wurden im vergangenen Jahr rund 1.000 Fälle von getöteten oder verschwundenen Nutztieren gemeldet, bei der der Wolf dahinterstecken könnte. Das LfU drückt sich vorsichtiger aus und spricht von Fällen, bei denen der Wolf als Verursacher nicht ausgeschlossen werden konnte.

Die Zahl ist demnach bis 2020 kontinuierlich gestiegen und schwankt seitdem. Die meisten dieser Tiere seien allerdings auch nicht ausreichend geschützt gewesen, betont die Behörde: „Herdenschutz ist der Schlüssel, um die Fallzahlen zu reduzieren“, heißt es auf der Webseite des LfU. Deshalb stelle das Land Fördermittel dafür bereit – auch für den Unterhalt von Zäunen und der Schutzhunde.

Der Landesjagdverband Brandenburg fordert indes, den Wolfsbestand durch Abschuss zu verkleinern. „Es sind zu viele“, sagte Präsident Dirk-Henner Wellershoff in der vergangenen Woche dem rbb. „Wir geben Millionen für Prävention aus, damit ein zugewandertes Raubtier sich wohlfühlt.“ Das sei absurd. Stattdessen fordert der Verband, den Bestand der Wölfe auf 200 zu begrenzen. „Dann haben wir das Thema gelöst,“ so Wellershoff.


Das Ministerium und die Sache mit den Zahlen

Umweltministerin Hanka Mittelstädt (SPD) wollte sich im Umgang mit dem Wolf zuletzt nicht auf ein Vorgehen festlegen. Ihr Staatssekretär Gregor Beyer hatte indes schon vor drei Wochen eine Abschussquote für den Wolf angekündigt.

In Brandenburg gebe es mindestens 1.000, wahrscheinlich aber 1.500 bis 1.600 Wölfe, behauptete Beyer. Perspektivisch sei deshalb angebracht, pro Jahr 35 Prozent der Tiere zu töten – nach Beyers Rechnung mehr als 300.

Umweltverbände schlugen daraufhin Alarm. Beyer gehe von viel zu hohen Wolfszahlen aus, kritisierten sie. Ein Abschuss von mehr als 300 Wölfen sei ein schwerer Einschnitt in den Bestand.


Umweltministerin durch Staatssekretär in schwieriger Lage

Selbst Umweltministerin Mittelstädt räumte in der vergangenen Woche ein, dass Beyers Pläne auf Mutmaßungen basierten. Ihr Staatssekretär habe sie mit seinen Aussagen in eine schwierige Situation gebracht, sagte die Ministerin dem rbb.

Woher Bayer seine Zahlen genommen hatte, ist unklar. Vom Landesamt für Umwelt – einer Abteilung des Umweltministeriums – kamen sie jedenfalls nicht. Das LfU geht in seiner aktuellsten Wolfserhebung von 58 Rudeln, acht Wolfspaaren und zwei Einzeltieren aus. Geht man von durchweg großen Rudeln mit jeweils zehn Wölfen aus, entspricht das rund 600 Tieren.

BUND-Geschäftsführer Axel Kruschat warf dem Staatssekretär vor, Fakten zu ignorieren, um eine Wolfsquotenjagd durchzusetzen. Damit sei viel Vertrauen verloren gegangen, sagte er.


Staatssekretär noch haltbar?

Am 11. September will das Ministerium mit Verbänden und Wissenschaftlern über den künftigen Umgang mit dem Wolf diskutieren – ein Termin, der eigentlich auf Beyers Initiative zurückging. Umweltministerin Hanka Mittelstädt hat die Federführung der Veranstaltung nun an sich genommen. Welche Rolle Beyer in den Gesprächen spielen wird, ist offen.

Dass der Staatssekretär seinen Posten räumen muss, sei „derzeit nicht geplant“, heißt es aus dem Ministerium. Ob ein solcher Wechsel in der Diskussion ist, sei nicht bekannt. Nach viel Rückendeckung für den Staatssekretär sieht das nicht aus.

Sendung: Antenne Brandenburg, 01.09.2025, 16 Uhr

Beitrag von Annette Kufner