Am Münchner Stachus haben sich am späten Montagnachmittag knapp 300 Menschen versammelt. Gewerkschaften, Friedensinitiativen und Unterstützer fordern anlässlich des Antikriegstags am 1. September ein Umdenken in der deutschen Sicherheitspolitik. Auf Plakaten steht „Bildung statt Bomben“, „Verhandeln statt verpulvern“.
In ganz Deutschland fanden am Montag Kundgebungen zum diesjährigen Antikriegstag statt. Bundesweit seien in diesen Tagen mehr als 200 Veranstaltungen geplant, teilte das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn mit. Mit dem Antikriegstag wird an den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen und den Beginn des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 erinnert.
Rüstungskritiker Grässlin: Müssen Kriege und Konflikte weltweit betrachten
Der bekannteste Redner in München ist der Freiburger Pazifist und Rüstungskritiker Jürgen Grässlin. Seit Jahrzehnten engagiert er sich gegen Waffenexporte und Militarisierung. Ihm zufolge muss dabei der Blick auch auf weniger prominente Militär-Konflikte gerichtet werden: „Von den Medien wahrgenommen werden der Krieg in Gaza und natürlich der Ukraine-Russland-Krieg, aber die 26 anderen Kriege, die werden nicht wahrgenommen, auch nicht das Massensterben im Sudan.“
Grässlin bezeichnete es als „unsäglich“, dass die Menschheit 2,7 Billionen US-Dollar pro Jahr ausgeben für Militär und Rüstung, gleichzeitig aber Kinder an Hunger sterben würden.
Deutsche Rüstungsexporte zuletzt auf neuem Höchstwert
Was als Krieg gilt, hängt von den jeweiligen Definitionen ab. Weil diese schwanken, unterscheiden sich auch die Angaben zur Zahl aktueller Konflikte deutlich. Parallel dazu haben deutsche Rüstungsexporte historische Höchstwerte erreicht: Laut einer aktuellen Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des BSW genehmigte die Bundesregierung 2024 Ausfuhren im Wert von 13,33 Milliarden Euro – mehr als die Hälfte davon ging an die Ukraine.
Die Teilnehmenden der Demo in München halten davon ausdrücklich nichts, wie eine Seniorin sagt, die ihren Namen jedoch nicht nennen möchte: „Ich hab das Glück, dass ich seit 80 Jahren in Frieden lebe und ich möchte, dass das so bleibt“. Mit Diplomatie könne man viel mehr erreichen als mit Waffen.
Sorge junger Menschen vor möglichem Kriegsdienst
Auch der 20-jährige Student Fritzi macht sich aus Sorgen, wenn er an die Zukunft denkt: „Ich bin tatsächlich geplant hier, weil ich keinen Bock habe, möglicherweise in den Kriegsdienst eingezogen zu werden und ich will mich gegen die Aufrüstung stellen.“ Stattdessen solle mehr Geld in Soziales investiert werden. „Ich finde, dass die Prioritäten in unserem Land falsch gesetzt werden“, ergänzt er.
Mehrheit der Deutschen wünscht sich Aufrüstung
Etwas abseits steht eine ältere Frau und liest interessiert in dem Flyer, der gerade an sie verteilt wurde. Rentnerin Doris findet die Kundgebung gut, sie sei auch für Frieden, betont sie. Gleichzeitig räumt sie aber auch ein: „Ohne Aufrüstung, ohne Demonstration von Stärke geht es wahrscheinlich in diesem Moment einfach nicht.“
Damit reiht sich die Frau in die Mehrheit der Deutschen ein, wie eine repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer zeigt. Demnach befürwortet der Großteil der Deutschen eine deutliche Aufrüstung der Bundeswehr. 76 Prozent der Befragten sprechen sich für eine spürbare Erhöhung der Verteidigungsausgaben aus – selbst wenn dafür neue Schulden nötig wären.