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Anwalt Michael Verken hilft jetzt mit, das Waldkraiburger Traditionsunternehmen SGF vor dem Aus zu bewahren und wieder auf gesunde Füße zu stellen. © Rudolf Mayer; Anchor
110 Millionen Euro Umsatz und doch überschuldet: SGF, ein Waldkraiburger Unternehmen der ersten Stunde, meldet Insolvenz an. Ein weiterer Schlag für den Standort und hunderte Mitarbeiter. So soll die Rettung aussehen.
Waldkraiburg – Es ist ein schwerer Schlag für den Standort Waldkraiburg: Die Süddeutsche Gelenkscheibenfabrik GmbH & Co. KG (SGF) hat am Mittwoch (27. August) beim Amtsgericht Mühldorf einen Insolvenzantrag auf Eigenverwaltung gestellt. Das heißt, das Unternehmen ist zahlungsunfähig oder überschuldet und steht möglicherweise vor dem Aus. Dieses Aus soll in einem Insolvenzverfahren aus eigener Kraft abgewendet werden.
Am Donnerstag hatte das Unternehmen dann die Mitarbeiter informiert und am Freitagnachmittag die Öffentlichkeit, das geht aus einer Pressemitteilung des Unternehmens hervor. Am Montagvormittag war die Betriebsratsvorsitzende Christiane Falk noch deutlich mitgenommen: „Ich muss mich erst noch sortieren.“ Mehr könne sie jetzt noch nicht sagen.
Auch Günter Zellner, Bezirksleiter der zuständigen Gewerkschaft IG BCE, war am Montag von dem Antrag noch „überrascht“: „Wir wurden am Freitag vom Betriebsrat informiert.“ Zuletzt habe es im Rahmen des bestehenden Haustarifvertrages Gespräche mit dem Unternehmen gegeben:. „Da gab es keine Anzeichen.“ Auch die Gewerkschaft müsse sich jetzt erst sortieren, offene Fragen klären.
Hunderte Mitarbeiter bangen um ihren Arbeitsplatz
Die SGF hat in Waldkraiburg und Kraiburg rund 500 Mitarbeiter. Das Unternehmen ist älter als Waldkraiburg, wurde 1946 als „Süddeutsche Bremsbelag GmbH“ gegründet, war Zeichen von Waldkraiburgs Wachstum und Wohlstand. Zur SGF-Gruppe gehören Tochtergesellschaften in Tschechien, den USA, in Japan, China und Thailand.
2024 setzte SGF nach eigenen Angaben an den fünf Standorten weltweit 110 Millionen Euro um. Trotzdem folgt jetzt der Gang in die Insolvenz; die Auslandsgesellschaften sind nach Unternehmensangaben von der Insolvenz nicht betroffen. Ein Insolvenzantrag muss laut deutschem Gesetz dann gestellt werden, wenn Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung vorliegen.
Nach Unternehmensangaben sind die Löhne und Gehälter aber gesichert. Laut Gewerkschafter Zellner wurden jedoch die August-Gehälter bis Freitag (29. August) noch nicht ausgezahlt. Die Gewerkschaft werde jetzt alle Mitglieder informieren. „Es gilt erst einmal Ruhe zu bewahren“, sagt Zellner und versichert: „Wir werden unsere Leute vertreten.“ Rund ein Drittel der Belegschaft sei gewerkschaftlich organisiert.
Unter Aufsicht und aus eigener Kraft aus der Grube
Insolvenz in Eigenverwaltung heißt, dass die Sanierung von der bisherigen Unternehmensleitung durchgeführt wird – unter Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters. Das ist Rechtsanwalt Michael Verken von der Kanzlei Anchor, die nach eigenen Angaben zu den besten zehn Insolvenzkanzleien Deutschlands gehört. Verken ist in der Region kein Unbekannter: Derzeit ist er auch Sachverwalter bei den Insolvenzverfahren der Rosenheimer Kathrein-Gruppe.
Ein Bild mit Symbolkraft: Am Montag war der Parkplatz vor dem Waldkraiburger SGF-Werk nahezu verwaist. © Rudolf Mayer
„Das Problem der SGF bestand zuletzt weniger auf der operativen Ebene, sondern mehr in der hohen Verschuldung und der damit verbundenen Kapitaldienstfähigkeit“, lassen sich die SGF-Geschäftsführer Arne Festerling und Josef Wimmer in einer Mitteilung zitieren. „SGF hat in den letzten Monaten bereits auf die zuletzt immer größer werdenden Herausforderungen der Krisen reagiert und weitere Maßnahmen eingeleitet.“ Die wirtschaftliche Krise sei durch „die allgemein schwierige Lage im Bereich der Automobilindustrie“ ausgelöst worden.
Investor soll das Unternehmen retten
Den Weg aus der Krise soll ein Investor weisen, so die SGF-Chefs. Das Unternehmen sei „auch aufgrund des tatkräftigen und hervorragend ausgebildeten Personals“ weiterhin in der Lage, „innovative Produkte mit den Kunden zu entwickeln und zu fertigen.“ Diese Suche nach dem weißen Ritter habe bereits begonnen. Unterstützt werden die SGF-Chefs dabei von den Generalbevollmächtigten: Rechtsanwalt Dr. Jan Markus Plathner, Christoph Enkler und Sebastian Netzel der Kanzlei Brinkmann & Partner.
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Weitergehende Nachfragen der OVB Heimatzeitungen zu den Ursachen und Gründen der hohen Verschuldung und den Insolvenzgründen sowie zum weiteren Verfahren ließ das Unternehmen bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Bürgermeisterin Jackl ist zuversichtlich
Kraiburgs Bürgermeisterin Petra Jackl, die an ihre Bürger denkt, war gegenüber den OVB Heimatzeitungen optimistisch: Das Unternehmen habe ja schon „schwierige Jahre“ hinter sich, zuletzt aber wohl einen größeren Auftrag erhalten. „Ich bin zuversichtlich, dass es nach der Sanierung wieder aufwärts geht.“
Wie es kurzfristig weitergeht, konnte Gewerkschafter Zellner noch nicht sagen. „Da muss erst einmal der Gläubigerausschuss zusammentreten.“ Das könne in einer Woche sein. In dem Ausschuss sei dann auch ein Vertreter der Arbeitnehmer dabei.
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Waldkraiburgs Bürgermeister Robert Pötzsch war urlaubsbedingt nicht zu erreichen. Wirtschaftsförderer Carsten Schwunck hat von dem Insolvenzantrag erst am Freitagnachmittag im Urlaub erfahren.
Ein von mehreren Rückschlägen für den Standort Waldkraiburg
Der Schritt der SGF zum Amtsgericht Mühldorf ist 75 Jahre nach Gründung der Gemeinde Waldkraiburg ein weiterer Schlag für den Standort. „Das ist eines der großen Unternehmen bei uns“, erklärt Schwunck. Vor zwei Jahren hat mit Atoma-Multipond ein Unternehmen der ersten Stunde seinen Abschied verkündet. Die Waldkraiburger bauen einen neuen Firmensitz – in Ampfing.
Seit über einem Jahr möchte der niederländische Großschlachter Vion seinen Waldkraiburger Schlachthof verkaufen. Eine Übernahme durch Tönnies wurde zuletzt vom Bundeskartellamt verboten; die Zukunft des Standortes ist damit weiter ungeklärt.
Und im Mai hat das österreichische Speditionsunternehmen Gebrüder Weiss überraschend seine Waldkraiburger Niederlassung geschlossen. Dabei hatten die Österreicher erst im Januar 2023 das Traditionsunternehmen Spedition Lode, gegründet 1959, übernommen und für den Standort und die 45 Mitarbeiter eigentlich große Pläne.
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