Die Zukunft des Automobils wird nicht mehr in Europa entschieden, sondern in Shenzhen und Shanghai. Während deutsche Hersteller noch mit hohen Kosten und schwacher Nachfrage kämpfen, überschwemmen Chinas Konzerne den Weltmarkt mit günstigen Elektroautos. Die Preisunterschiede sind dramatisch, wie jetzt eine Untersuchung des deutschen CAR-Instituts ergab: Ein E-Auto, das in China 7000 Euro kostet, steht in Deutschland und Österreich für fast 20.000 Euro im Prospekt.
In China tobt seit Monaten ein Preiskrieg, der ausländische wie heimische Hersteller zwingt, mit massiven Rabatten und Preissenkungen Marktanteile zu verteidigen. Für Chinas Marken ist es eine strategische Wette: kurzfristig niedrige Margen, langfristig die Dominanz über die Elektromobilität.
„Es geht darum, Marktanteile zu sichern und ein Monopol aufzubauen“, erklärt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts, im Gespräch mit der „Presse“. Dass chinesische Hersteller so aggressiv agieren können, hat zwei zentrale Ursachen. Erstens verfügen sie über einen gigantischen Heimmarkt, der für enorme Stückzahlen sorgt. Allein im ersten Halbjahr 2025 wurden in China 5,5 Millionen Autos mit reinem Elektro- oder einem Plug-in-Hybridantrieb verkauft. In Europa (EU, UK. EFTA) waren es 1,8 Millionen. Ein Verhältnis also von 3:1.
Günstige Produktion
Eine andere Zahl: Zwischen Jänner und Juni wurden weltweit 4,4 Millionen in China produzierte Elektroautos verkauft. In Europa waren es 1,2 Millionen, davon ein Teil aus chinesischer Produktion.
Zweitens beherrscht China die Batteriewertschöpfung. Lithium-Ionen-Zellen, die bis zu 40 Prozent der Kosten eines Elektroautos ausmachen, werden in riesigen Fabriken im eigenen Land produziert, was die Preise zusätzlich drückt. Hinzu kommt die konsequente Nutzung neuer Produktionsmethoden wie „Giga-Casting“, bei dem große Karosserieteile in einem Arbeitsschritt gegossen werden – ein Verfahren, das deutsche Hersteller bislang kaum einsetzen.
Das führt zu enormen Preisunterschiede, wie das CAR-Institut für Deutschland festgestellt hat (in Österreich ist die Preissituation ähnlich). Der BYD Dolphin Surf etwa wird in China für 7371 Euro (ohne Mehrwertsteuer) angeboten, in Deutschland kostet er 19.319 Euro (ohne Steuer), in Österreich 19.483 Euro. Ähnliche Unterschiede gibt es beim Atto 3 von BYD oder auch beim C10 von Leapmotor. Im Schnitt liegen die Preise chinesischer Modelle in Deutschland um etwa 108 Prozent über den Listenpreisen in China, erklärt Dudenhöffer.
„Vergleicht Äpfel und Birnen“
„Man vergleicht hier Äpfel mit Birnen“, kontert Pascal Sperger, Sprecher von BYD in Österreich. Es gebe große Unterschiede zwischen den Modellen, die in China und jenen, die in Europa verkauft werden. Die europäischen Versionen seien viel hochwertiger ausgestattet, sie hätten eine größere Batterie, einen stärkeren Motor. In China müssten sie nicht über die vielen Assistenzsysteme verfügen, die die EU vorschreibt (unter anderem einen Tempolimitwarner). Dazu kämen Transport, Zoll sowie die Kosten für den Aufbau eines Händlernetzes in Europa und für die EU-Homologation (Prüfung des Fahrzeugs vor der Genehmigung auf Einhaltung der gesetzlichen und technischen Standards, Anm.). „Das muss man beim Preis alles einkalkulieren“, betont Sperger.
Dennoch werden auch für deutsche Modelle im Heimatmarkt deutlich höhere Preise verlangt als in China. Die beiden VW-Elektroautos ID.3 und ID.4 kosten laut CAR in Europa gut doppelt so viel wie in der Volksrepublik. Mercedes, Volvo oder Mini liegen im Schnitt bei Aufschlägen um die 50 Prozent.
„Natürlich wird das Auto für China auch billiger gebaut“, meint Dudenhöffer. „Aber VW steht in China unter großem Druck, weil der Mitbewerb mit echten Kampfpreisen agiert. Man hat Marktanteile verloren und damit man nicht noch mehr verliert, nimmt man lieber Verluste in Kauf oder sehr geringe Margen.“
Die Kostenvorteile chinesischer Produzenten werden in Europa noch teilweise durch EU-Zölle abgefedert. Doch dieser Schutz wirkt nur begrenzt und ist dauerhaft. Sobald chinesische Hersteller in Europa eigene Werke aufbauen – ein Prozess, der bereits angelaufen ist, Ende des Jahres eröffnet BYD sein Werk in Ungarn – werden die Preisunterschiede noch deutlicher spürbar. Zugleich sinken mit wachsenden Absatzzahlen in Europa die Marketing- und Vertriebskosten, die bislang einen Teil der Preisdifferenz erklären.
Doppelter Druck auf Europäer
Für europäische Autobauer ergibt sich daraus ein doppelter Handlungsdruck. Sie müssen ihre Produktionskosten deutlich senken, sei es durch eine stärkere Lokalisierung in China, durch neue Fertigungstechniken oder durch engere Partnerschaften in der Batteriewertschöpfung. Und sie müssen Innovationen vorantreiben, um ihre Modelle im größten Automarkt der Welt attraktiver zu machen. Heuer könnten in China insgesamt 20 Millionen Pkw verkauft werden.
Die nächste große Bühne für diesen Wettbewerb wird die IAA Anfang September in München sein. „Autopapst” Dudenhöffer prognostiziert schon jetzt, dass die Messe fast den Charakter einer chinesischen Automesse annehmen könnte, so massiv werde die Präsenz der Marken aus Fernost ausfallen.